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Großenhainer Tierschützer: "Politik verlässt sich auf Ehrenamtler"

Am kommenden Wochenende feiert der im Landkreis Meißen bis nach Brandenburg tätige Verein sein 20. Bestehen - und kritisiert eine gefährliche Entwicklung.

Von Catharina Karlshaus
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Der Vorsitzende des landkreisweit tätigen Tierschutzvereins Armin Krake mit Sorgenkätzchen Sweety. Das schwer verletzte Tier war erst kürzlich mit Spendengeldern in Dresden operiert worden.
Der Vorsitzende des landkreisweit tätigen Tierschutzvereins Armin Krake mit Sorgenkätzchen Sweety. Das schwer verletzte Tier war erst kürzlich mit Spendengeldern in Dresden operiert worden. © Matthias Schumann

Großenhain. Die letzte große Aktion galt Sweety. Auf einer Straße zwischen Auer und Großdobritz angefahren, war das schwer verletzte Tier mit einem komplizierten Beckenbruch Mitte Juli in Dresden operiert worden. Ein gut 2.000 Euro kostender Eingriff, welche der Großenhainer Tierschutzverein e. V. nur dank der großen Spendenbereitschaft finanzieren konnte. Während Sweety inzwischen wohlauf ist, macht sich der Vorsitzende des in allen Teilen des Landkreises Meißen und häufig auch in Brandenburg tätigen Vereins, Armin Krake, seine sorgenvollen Gedanken.

Herr Krake, herzlichen Glückwunsch! Am Samstag feiert Ihr Verein sein 20. Bestehen. Wenn Sie auf die vergangenen Jahre zurückblicken: Was hat sich seit der Gründung verändert?

Dankeschön! Ehrlicherweise muss ich einräumen, dass ich bei der Vereinsgründung gar nicht selbst dabei gewesen bin. Im Gegensatz zu Frau Saupe, welche glücklicherweise bis heute hervorragend für unsere finanziellen Angelegenheiten verantwortlich zeichnet. Durch sie und andere damalige Mitstreiter weiß ich aber, dass es vor allem um ein vermeintliches Fütterungsverbot von Katzen in der Stadt Großenhain ging, das letztlich zwar ein Missverständnis gewesen ist, aber viele engagierte Menschen zugunsten der Tiere zusammengeführt hat. Ich bin schließlich dazugestoßen, weil ich als ehemaliger EDV-Fachmann eine Homepage für den frisch gegründeten Verein aufgebaut habe und bin gern dabei geblieben. Bei einem inzwischen 59-köpfigen Team von Ehrenamtlern, die im Lauf der Zeit immer mehr zu tun bekamen, und stetig wichtiger wurden.

Katzen: Deutschlandweit ist Großenhainer Vorreiter

Eine Entwicklung, die Schritt gehalten hat mit gesellschaftlichen Veränderungen beziehungsweise Gegebenheiten?

So ist es! Bedauerlicherweise! Zunächst einmal hat sich unser Verein für eine Kastrationspflicht starkgemacht. Dem Engagement und Drängen unserer Mitglieder ist es zu verdanken, dass eine solche in Zusammenarbeit mit der Stadtverwaltung 2019 tatsächlich in Großenhain eingeführt worden ist. Bundesweit bis heute ein absolutes Novum! Unsere Stadt darf von sich behaupten, in dieser Angelegenheit eine Vorreiterrolle in Deutschland einzunehmen. Viele Kommunen sind sehr zögerlich, eindeutige Entscheidungen diesbezüglich zu treffen. Auch in Sachsen sind es tatsächlich nur Großschirma und Radeberg, die in dieser Konsequenz gehandelt haben. Nichtsdestotrotz sind die Katzen - das Problem hat sich mittlerweile aufs Land verlagert - noch immer unser größtes Betätigungsfeld. Und zwar aus ganz unterschiedlichen Gründen. Es geht längst nicht mehr nur um die unkontrollierte Vermehrung, sondern auch um das brutale Aussetzen von plötzlich ungewollten Tieren.

Und da sind wir bei der unschönen Entwicklung in den letzten Jahren, richtig?

Richtig! Bereits vor der Pandemie hatten wir zunehmend Fälle von an der Mülltonne oder gar im Wald ausgesetzten Katzenjungen. In den Corona-Jahren, als die Menschen gezwungen waren, sich fast ausschließlich auf ihr häusliches Sein zu konzentrieren, wurden zahlreiche Tiere angeschafft. Nicht nur Katzen, sondern auch Zwergkaninchen oder Meerschweinchen ersetzten plötzlich den Urlaub in der Ferne. Als es wieder möglich wurde, diese zu bereisen, ging es plötzlich los. Die Zahl der etwa in unserem Nager Glück Moritzburg abgegebenen Tieren nahm sprunghaft zu. Und ich habe das Gefühl, gleichsam auch die Hemmschwelle, die kleinen Schützlinge einfach irgendwo auszusetzen. Scheinbar zu alt gewordene oder einfach nicht mehr ins Lebenskonzept passende Hühner, Enten oder wirklich geschundene Pferde werden mittlerweile ohne mit der Wimper zu zucken von ihren bisherigen Besitzern entsorgt.

Auch in Sachsen beißen Tierschützer auf Granit

Sie meinen, der possierliche Hamster und zuweilen leider auch der kuschlige Hund sind mittlerweile zu einem Ding geworden, dem sich entledigt wird?

Ja, wie Spielzeuge, dies bei nicht Gefallen nach Heilig Abend eben wieder in den Laden zurückgebracht werden. Und die Politik leistet dieser Verhaltensweise in gewisser Weise auch noch Vorschub. Juristisch betrachtet gilt ein solches Tier tatsächlich als Sache. Wird eine Katze neben der Mülltonne entdeckt, wird sie lediglich als Fundsache vermerkt. Im Rahmen des Tierschutzgesetzes hätte da längst nachgebessert beziehungsweise strenge Strafen verankert werden müssen. Aber da beißen wir ehrenamtliche Tierschützer und alle, die sich seit Jahren darum bemühen, auch in Sachsen auf Granit. Alle Bemühungen, dieses menschliche Vorgehen zu ahnden, verlaufen im Sand. Stattdessen werden immer mehr Tiere ausgesetzt, sich selbst überlassen und der Staat verlässt sich auf berufstätige, lediglich ehrenamtlich Engagierte, die sich in ihrer Freizeit um sie kümmern. Die engagierte Betreiberin des Gnadenhofs für Nutztiere in Blattersleben, die gute Seele des Nager Glücks, die rührigen Akteure der Igel-Kita-Dresden und Umland und all die lieben Mitstreiterinnen in unseren Pflegestellen sind größtenteils voll berufstätig und widmen den Zwei- und Vierbeinern ihre Freizeit. Und - investieren viel Geld aus Liebe zum Tier auch aus eigener Tasche.

Immer mehr verletzte Igel durch Mähroboter

Herr Krake, angesichts Ihrer Erzählungen steht zu vermuten, dass es künftig nicht weniger Arbeit werden wird?

Nein, ganz sicher nicht. Weil wir auch mit immer anderen Umständen und Entwicklungen konfrontiert werden. Nehmen Sie die Mähroboter. Seit es diese Geräte gibt, nimmt die Zahl der schwer verletzten Igel, die in Obhut der Igel-Kita oder auch in die liebevolle Pflegestelle in Böhla-Bahnhof gebracht werden, drastisch zu. Ebenso gibt es aufgrund des Insektensterbens immer mehr völlig unterernährte Igel. Darüber hinaus eben jene Katzen, von denen sich jetzt im Umland von Großenhain, Riesa und Meißen viel zu viele unkontrolliert auf den Dörfern vermehrt haben. Kurzum: wir haben gut zu tun!

Da der Großenhainer Tierschutzverein gut zu tun hat, ist er immer auf der Suche nach neuen Mitstreitern. Wer die Ehrenamtler kennenlernen und mit ihnen das 20. Bestehen feiern möchte, ist am 17. August von 12 bis 18 Uhr auf den Kupferberg eingeladen. Überdies sind immer dringend benötigte Spenden anlässlich des Jubiläums unter Tierschutzverein Großenhain, Sparkasse Meißen, IBAN: DE 43 8505 5000 3400002568 willkommen.