Großenhain. Gesprengte Schaltkästen, Papierkörbe, Aschenbecher und sogar Hundetoiletten – eine Gruppe von Zerstörungswütigen hatte zum Jahreswechsel 2019/2020 eine Schneise der Verwüstung durch die Röderstadt gezogen. Verwendet wurden meist illegale polnische Böller von erheblicher Sprengkraft. Am Cottbuser Bahnhof brannte außerdem ein Altkleider-Container, auf dem Vorplatz wurden die Scheiben einer Bushaltestelle zerstört, und sogar der Eingangsbereich des Polizeireviers bekam eine Böllerladung ab. Da die Straftäter vermummt waren, halfen die Kameraaufzeichnungen nicht weiter.
Bei einem gesprengten Zigarettenautomaten auf der Großenhainer Bahnhofstraße lag der Fall allerdings etwas anders. Hier fanden die Kriminaltechniker Fingerabdrücke und konnten diese einem einschlägig bekannten jungen Mann zuordnen. Das brachte den 20-Jährigen, nennen wir ihn Sven, auf die Anklagebank des Riesaer Amtsgerichts.
Der Großenhainer schien die Sache zunächst nicht wirklich ernst zu nehmen, denn er ließ Justitia erst einmal warten. Als Richter Herbert Zapf schon die Polizei in Marsch gesetzt hatte, um den Delinquenten vorzuführen, trudelte er schließlich mit zehn Minuten Verspätung ein. Immerhin macht Sven nicht von seinem Zeugnisverweigerungsrecht Gebrauch, sondern sagt aus. Nein, er habe den Automaten in der Bahnhofstraße nicht gesprengt. Er sei lediglich vorbeigekommen, als das Teil schon kaputt war und habe es aus Neugier angefasst.
Verteidiger plädiert auf Freispruch
Es gibt keine Zeugen, die den 20-Jährigen am Zigarettenautomaten gesehen hätten. Deshalb muss das Gericht auf Indizien zurückgreifen, die im Zuge der polizeilichen Ermittlungen gesammelt wurden. Eben auf Svens Finger- und Handabdrücke. Es geht schließlich um veritable Straftaten: einen durch die Sprengung verursachten Sachschaden von mehr als 4.000 Euro und um geklautes Bargeld sowie Zigaretten im Wert von über 1.000 Euro. Die Staatsanwältin spricht von Diebstahl in besonders schwerem Fall.
Als Zeugen hat das Gericht drei Polizeibeamte geladen, darunter die Kriminaltechnikerin, die den Tatort untersuchte. Letztere ist allerdings verhindert, und das bringt die Verhandlung ins Stocken. Im LKA-Gutachten ist nämlich nur von Fingerabdrücken die Rede, die außen am gesprengten Automaten gefunden wurden und nicht im Inneren. Deren Beweiskraft ist aber nicht besonders stark – weil der Angeklagte ja zugibt, den Automaten angefasst zu haben. Es soll am oder im Zigarettenautomaten auch Blutspuren gegeben haben, von denen aber offensichtlich keine DNA-Analyse gemacht wurde, geschweige den Abgleich mit der DNA des Beschuldigten.
Angesichts dieser unklaren Situation unterbricht Richter Herbert Zapf die Verhandlung. Eine Anfrage bei der Kriminalaußenstelle Meißen und gegebenenfalls weitere Zeugenanhörungen sollen das Informationsdefizit beseitigen. Ein neuer Termin wurde noch nicht anberaumt. Ob man dem Angeklagten die Tat nachweisen kann, wird entscheidend von der Spurenlage abhängen, davon, ob auch im Inneren des Zigarettenautomaten seine Fingerabdrücke oder sein Blut gefunden wurden. Dann könnte man die Spur vielleicht auch zu den Großenhainer Silvester-Vandalen zurückverfolgen. Svens Verteidiger glaubt aber nicht recht daran. Er werde mit großer Wahrscheinlichkeit Freispruch beantragten, sagt Kai-Uwe Schwokowski.