Großenhain. Dieser 11. Januar wird ein wichtiger Tag in der Firmengeschichte der Gesenk- und Freiformschmiede GGF, da ist sich Geschäftsführer Wolfgang Pradella sicher. Mit der Anlieferung und dem Aufstellen der ersten vollautomatischen Reckanlage zieht hochkomplexe, präzise Robotik in die noch archaisch arbeitende Manufaktur ein. "Wir automatisieren unsere erste Schmiedelinie, dann wird bei der Erwärmung unserer Stähle richtig viel Energie eingespart", sagt Pradella. Auch körperlich sehr schwere Arbeit werde dadurch minimiert. "Wir programmieren das Wissen unserer Fachleute in die Maschine ein."
Fünf Schmiedelinien gibt es am südlichen Großenhainer Stadtrand in der großen Halle, Schritt für Schritt sollen sie umgestellt werden. Denn das mittelständische Unternehmen mit 150 Mitarbeitern setzt auf Nachhaltigkeit und Energieeinsparung. Die Öfen für die teilweise 70 Jahre alten Maschinen, auf denen neuerdings auch Bremsscheiben für den französischen Hochgeschwindigkeitszug TGV gefertigt werden, sind wahre Stromfresser. Der Erdgasverbrauch der GGF liegt jährlich bei zwölf Mio. Kilowattstunden. "Das soll sich halbieren bei gleichzeitiger Verdopplung des Wirkungsgrades", erklärt Wolfgang Pradella. In zehn bis 20 Jahren werde die gesamte Schmiedehalle modernisiert sein.
Doch gut Ding will Weile haben, das ist auch am Montag zu spüren. Schon wurde an der Halle ein Anbau errichtet, der viel dickere Wände hat als die Halle, die bereits zusätzlichen Schallschutz bekam. Schon sind der neue Drehtisch für die Schmiedeteile und die Schaltschränke sowie Teile für den neuen Ofen angeliefert. Neue Fundamente für die Presse wurden gegossen. Jetzt bringt der Chemnitzer Spezialtransport Hoffmann die Reckanlage. Sie wiegt 22 Tonnen und kann mit ihrer Höhe von fünf Metern nur im Liegen transportiert werden. Erst in der Halle wird sie gedreht und aufgestellt. Das Ganze zieht sich über Stunden hin.
"Ende Oktober haben wir die alte Presse außer Betrieb genommen", sagt Mandy Paech, die 24 Jahre junge Projektleiterin, die Maschinenbau studierte und seit einem reichlichen Jahr in der Schmiede arbeitet. Diese Presse wog 58 Tonnen. "Sie wurde in der Halle umgesetzt und wird künftig vom neuen Roboter bestückt." Demontiert sind allerdings ein alter Ofen und der Lufthammer. Mandy Paech hat viele Monate mit dem Antragsverfahren der Modernisierung für die Behörden zugebracht. Letztlich wurden der gesamte Anlagenbestand der Schmiede aufgenommen und der Antrag auch für die künftigen Modernisierungen schon vorbereitet.
Laut der Coburger Lasco Umformtechnik steht in Großenhain damit die erste vollautomatische Kleinserienschmiede der Welt. Doch die Kosten sind schon in die Höhe geschnellt, wie Wolfgang Pradella mitteilt. Sollte dieser erste Schritt drei Mio. Euro kosten, sei man bereits bei vier Mio. Euro angelangt. Allein die neue Presse kostet 1,7 Mio. Euro. Doch zu mehr Nachhaltigkeit gab es keine Alternative. "Wir könnten uns sonst künftig den Strom nicht mehr leisten", so der Geschäftsführer. Es ist also existenzsichernd, auch für die Arbeitsplätze. Aus einer geschlossenen Schmiede in Roßwein haben die Großenhainer zusätzlich neue Mitarbeiter gewinnen können.
Pradella zeigt auf seinem Handy Aufnahmen vom Probebetrieb der Anlage im bayerischen Coburg. Fünf vorprogrammierte Teile sind dort schon auf der Presse gelaufen. Das war für den Großenhainer Chef die Sicherheit, dass er künftig in seiner Schmiede mit der Hälfte der Leute das Doppelte schaffen kann. Doch das ganze Jahr 2021 wird vermutlich noch der Probebetrieb laufen. Als der schwergewichtige Roboter mit Hilfe eines selbst fahrenden Rollers in die Halle transportiert und per Hubgerüst aufgestellt ist, hat auch Mario Tenner, der technische Bereichsleiter der Schmiede, mit den Fremdkollegen gute Arbeit geleistet. "Bis Ende Februar werden wir den Roboter noch einrichten", sagt ein Mitarbeiter der Herstellerfirma. Ende März soll dann die Produktion auf der Linie fortgesetzt werden.
Die Großenhainer Schmiede stellt Gesenk-Schmiedestücke von einem bis 180 Kilo her und fertigt Freiform-Schmiedestücke bis 300 Kilo und drei Metern Länge in unterschiedlichen Stahlqualitäten. Die Werkstücke erhalten Temperaturen bis circa 1.290 Grad.