Großenhain. Manche sind vielleicht schon vorbeigelaufen und haben es gar nicht gemerkt: Unter einer Plane, auf einem Eisenträger im Gelände der Jahnkampfbahn im Stadtpark, steht die zweite Stalinkugel. Der 800-Kilo-Koloss, der einst mit seiner "Schwester" zur Huldigung des sowjetischen Diktators den Dianabrunnen zierte, ist also gerettet. Noch vor drei Jahren lag diese Stalinkugel am Fuchsbau. Doch dann begannen dort die Arbeiten für die Sanierung der Villa bzw. das dahinter geplante Eigenheimgebiet. So mancher mutmaßte, die Betonkugel könnte zerstört werden.
Es ist Hans Thiele zu verdanken, dass nun auch die zweite Kugel eine sinnvolle Nachnutzung finden soll. Thiele ist 1953 geboren, also genau in dem Sterbejahr Stalins, als die Kugeln vom Dianabrunnen zum Fuchsbau, Radeburger Straße 16b, kamen. Der Großenhainer wohnte damals in dem belebten Quartier. „Hinten am Schlammgraben lagen die Kugeln, bis eine Bauniederlassung direkt an den Wohnhäusern weggerissen wurde“, erzählt der 67-Jährige. Dann, in den 60er Jahren, rollte jemand die schweren Betonkugeln an einen Eingang des Hauses. Dort hat sie Stadtbaudirektor Tilo Hönicke noch 2012 alle beide fotografiert.
Ein Jahr später war eine weg. Ganz offiziell, wie Hans Thiele weiß. Er selbst durfte sie holen. Nach der Wende war er an den Bobersberg gezogen, hatte einen kleinen Vorgarten und die Idee, die prägenden Kugeln seiner Kindheit zu sich zu nehmen. „Schon früher hatte ich den Gedanken, aber da wohnten noch Leute im Fuchsbau, und denen sollte ihr gewohntes Umfeld nicht genommen werden“, sagt Thiele. Thieles Antrag wurde 2013 genehmigt, als der Fuchsbau leergezogen war.
Mit schwerer Technik wurde die 800 Kilo schwere Kugel zur Straße Am Weinberg transportiert und fand ein neues Plätzchen. Sie bekam sogar einen fast professionellen und wetterfesten Anstrich als Weltkugel. Hans Thiele wollte damals auch die zweite Betonkugel noch abholen. „Doch ich wusste nicht wohin damit“, sagt er. Dann kam er als Fußballfan auf die Idee mit der Jahnkampfbahn, wo die Kugel öffentlich gezeigt werden könnte. In Zusammenarbeit mit dem Fußballverein und durch die Firma Hartmut Witschel wurde die zweite Kugel 2017 in den Stadtpark transportiert.
Zuerst hat man sie gleich am Eingang Parkstraße aufgestellt. Doch technische Mitarbeiter sagten der SZ, dass dort auch aus Sicherheitsgründen kein guter Platz gewesen wäre. So wurde die Kugel noch ein Stück nach hinten Richtung Spielfläche gebracht und erneut auf einem Träger befestigt. "Ich will sie als Fußball anmalen, so wie ich meine Weltkugel zu Hause gestaltet habe", sagt Hans Thiele. Doch durch Corona sei das noch nicht geworden. Deshalb bleibt die Stalinkugel noch mit der Plane verhüllt.
Der Großenhainer Dianabrunnen war am 27. August 1916 eingeweiht worden. 1946 hat man der Jagdgöttin die Hirsche genommen und den Brunnen stattdessen dem "großen Diktator" gewidmet. Diana war als aristokratisch zu der Zeit verpönt. Stalins Bild „schmückte“ stattdessen die Mittelsäule, auf der vorher die Diana-Skulptur thronte, die nun verhüllt war. Und links und rechts zwei Betonkugeln. „Sie sollten wohl geometrisch die Vollendung des Kommunismus andeuten“, vermutet Klaus Hammerlik, der zur Brunnengeschichte zum 100. Jubiläum 2016 forschte. Als Stalin 1953 starb, kamen Hirsche und Diana wieder zum Vorschein und die Kugeln weg.
In den Fotobüchern von Steffen Peschel „Großenhain im Wandel der Zeit“ sind die historischen Aufnahmen enthalten. Zu haben unter anderem in der Großenhain-Information.