Merken

Großer Preis auf der Pariser Weltausstellung

Elastische Zugwagen für ein- und zweispännige Pferdefuhrwerke brachten einer Großenhainer Firma Ruhm und Ehre.

Teilen
Folgen
© privat

Von Kathrin Krüger-Mlaouhia

Großenhain. „An einem spätsommerlichen Tage des Jahres 1896 marschierten acht Dresdner Schmiedegesellen vom Cottbuser Bahnhof kommend durch die Stadt. Die kleine Schar fiel allgemein auf, als sie Mülbitz zustrebte, das damals noch eine selbstständige Gemeinde war. Ihr Ziel war das ehemalige Schleinitzsche Dampfsägewerk, das von dem Dresdner Schmiedemeister Otto Günther erworben worden war. Die Nachricht von der Errichtung eines Fabrikationsbetriebes in Mülbitz hatte Aufsehen in der Großenhainer Bevölkerung erregt.“

Mit dieser Visitenkarte warb die spätere „Achse“ im In- und Ausland. Auf der Wiener Burggasse gab es sogar ein Fabriklager.
Mit dieser Visitenkarte warb die spätere „Achse“ im In- und Ausland. Auf der Wiener Burggasse gab es sogar ein Fabriklager. © Christoph Günther

Mit diesen Zeilen beschrieb Herbert Günther, Sohn jenes Otto Günther, den Anfang von knapp zehn erfolgreichen Jahren der späteren Achse oder Schmiede, wie sie noch heute in Mülbitz besteht. Pferdefuhrwerke waren vor reichlich 100 Jahren das gängige Fortbewegungsmittel. Jeder brauchte also solche Zugwagen, wie sie fortan im Achsen- und Hammerwerk elastisch und ausklingbar hergestellt wurden.

Otto Günther war 30 Jahre alt, als er mit seinem Patent auf Federwagen mit Ortscheit die Großproduktion in Mülbitz begann. Seine Erfindung hatte ihm auf der Pariser Weltausstellung einen Preis von 90 000 Mark eingebracht, schrieb sein Sohn auf. Eigentlich hatte sich der Schmiedemeister in Kaitz bei Dresden besonders auf den Bau von Untergestellen für Wagen, unter anderem Rennwagen zum Pferdesport spezialisiert. Im bis 1913 selbstständigen Mülbitz ließ er vier hohe Schornsteine mit je vier Schmiedefeuern von der Baufirma Müller errichten, nach deren Fertigstellung der Kaitzer Betrieb umgesetzt wurde.

„Das Gelände am Hang des Kupferberges schien für das neue Unternehmen besonders geeignet zu sein, da es günstige Ausdehnungsmöglichkeiten bot und für den Aufbau schwerer Maschinen einen festen Untergrund im Gneismassiv aufwies.“

Die Betriebseröffnung erfolgte am 2. September 1896. Aus den acht eingewanderten Schmiedegesellen wurde eine 60-köpfige Belegschaft. Neben Wagenachsen wurden auch Schneepflüge hergestellt. „Am Ende des Gründungsjahres 1896 wurde schon an zwölf Schmiedefeuern gearbeitet. Der Arbeitsprozess verlief im Wesentlichen handwerksmäßig.“ Eine Silbermedaille des sächsischen Königs folgte. 1897 wurde der Arbeitsverlauf mechanisiert. Der erste Dampfhammer, ein Brettfallhammer, wurde gesetzt. Es folgten zwei Hartmannsche Dampfhämmer. Neuer Fabrikraum wurde benötigt. So hat man den Eiskeller der Stadtbrauerei ausgebaut, der sich rechts vom Eingang an der heutigen Öhringer Straße befand. Vier schwere Dampfhämmer wurden gesetzt. In der alten Achsenschmiede wurde die Dreherei eingerichtet. 1900 gab es schon 70 Arbeiter. Der Arbeitstag dauerte von sechs bis sechs Uhr. Inhaber Otto Günther hatte sogar ein Fabriklager für Österreich-Ungarn.

„Nach zehnjährigem Bestehen wurde das Unternehmen ein Opfer des kapitalistischen Konkurrenzkampfes“, schrieb Otto Günthers Sohn. 1905 wurde die Achsenfabrik durch die Berliner Firma Eggebrecht und Schumann übernommen. Als Betriebschef wurde Otto Giesecke verpflichtet. Otto Günther behielt als Fabrikdirektor maßgeblichen Einfluss auf die Entwicklung. 28 Jahre war er für die Firma tätig. Otto Günther starb am 11. August 1926 .