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Großzügige Finanzhilfen reizen viele Siedler nicht

Israel. Siedler kündigen Widerstand gegen dieGaza-Abzugspläne an.

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Von Thorsten SchmitzSZ-Korrespondent in Tel Aviv

Nach dem erneuten Abstimmungserfolg von Israels Regierungschef Ariel Scharon in der Knesset über den Gaza-Rückzug am Mittwochabend haben Sprecher der jüdischen Siedler Widerstand angekündigt. Der jüdische Siedlerrat Jescha, die Interessenvertretung der 250 000 jüdischen Siedler im Westjordanland, sprach dem am Mittwoch verabschiedeten Gesetz, das die Entschädigungszahlungen an evakuierte Siedler regelt, die Rechtmäßigkeit ab. „Wir erkennen die Gültigkeit des Gesetzes nicht an und sind bereit, ins Gefängnis zu gehen, um einen Abzug der Siedler zu verhindern“, erklärte Siedlersprecher Pinchas Wallerstein. Mit der Zustimmung zu dem Gesetzesentwurf habe das Parlament „die Werte des Zionismus“ aufgegeben.

Bislang haben etwa 200 von insgesamt 1 500 Familien im Gaza-Streifen einen Antrag auf Entschädigung gestellt, die nun, nach der Parlamentsabstimmung, zügig bearbeitet würden, hieß es aus dem Büro Scharons. Das mit einer komfortablen Mehrheit von 59 zu 40 Stimmen angenommene Gesetz regelt nun die üppigen Entschädigungszahlungen und ermöglicht evakuierungsbereiten Siedlern die Planung der Zukunft.

Scharon will zwischen Juli und September alle 8 500 jüdischen Siedler aus dem Gaza-Streifen abziehen, und den laut Uno mit 1,3 Millionen Palästinensern dichtest bevölkerten Flecken der Welt komplett den Palästinensern überlassen. Zu Lebzeiten von Palästinenserpräsident Jassir Arafat war der Abzug als einseitiger Schritt geplant, inzwischen, mit der Wahl des gemäßigten Machmud Abbas zum Nachfolger Arafats, soll der Abzug mit der Autonomiebehörde koordiniert werden.

Drohungen gegen Politiker

Ob der Abzug tatsächlich realisiert wird, ist noch ungewiss. An diesem Sonntag muss das Kabinett endgültig grundsätzlich über die Aufgabe des Gaza-Streifens abstimmen , die innerhalb von Scharons eigener Likud-Partei umstritten ist. Auch nimmt die Gewalt extremer Siedler zu. Mehrere Minister wurden bereits angegriffen, Autoreifen zerstochen, Todesdrohungen gegen Kabinettsmitglieder ausgestoßen. Scharon berichtete dieser Tage, dass der Schutz am Grabe seiner verstorbenen Gattin Lili auf der Negev-Farm verstärkt worden sei, nachdem Abzugsgegner mit der Exhumierung gedroht hatten.

Sollte der Rückzug dennoch umgesetzt werden, wird es den betroffenen Siedlern finanziell an nichts mangeln. Insgesamt erhalten sie 770 Millionen Euro an Kompensationszahlungen. Jede Familie erhält, je nach Wohndauer im Gaza-Streifen und Größe des Hauses, zwischen 150 000 und 380 000 Euro. Zusätzlich erhalten Bewohner einen Alterszuschuss, immerhin rund 1 000 Euro pro im Gaza-Streifen gelebtes Jahr.

Zugleich hat Israel gestern die Praxis der Zerstörung von Häusern palästinensischer Extremisten in den besetzten Gebieten ausgesetzt. Dies gilt als vertrauensbildende Maßnahme im Zuge der Entspannung im Nahen Osten seit dem Amtsantritt des neuen palästinensischen Präsidenten Mahmud Abbas. Zuvor war eine interne Untersuchung zum Schluss gekommen, dass die bislang ausgeübte Praxis der Häuserzerstörung nicht die gewünschte Wirkung zeige. Sie diene nicht als Abschreckung und schüre nur neuen Ärger.