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„Gut, dass die Heuschrecke weg ist“

Mietervereinschef Peter Bartels begrüßt den Verkauf von Gagfah-Aktien. Was bedeutet das für die Dresdner Mieter?

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© Sven Ellger

Von Bettina Klemm

Im Gorbitzer Gagfah-Kundencenter ist derzeit mehr Andrang als sonst: Im Juni gibt es Sonderangebote wie eine Einraumwohnung für 99 Euro Kaltmiete. Das interessiert die Kunden mehr als der Verkauf der letzten Fortress-Aktien. „2006 waren die Sorgen noch relativ groß, als die Stadt ihre Wohnungen verkauft hatte, aber jetzt fragt niemand mehr nach Fortress“, sagt Centerleiterin Bettina Berger.

Nach dem kompletten Ausstieg der US-amerikanischen Investmentfonds steigt der Kurs der Gagfah-Aktien. Wurden sie am Dienstag zum Preis von 12,34 Euro pro Stück verkauft, lag der Wert gestern um etwa 50 Cent höher. Analysten gehen von weiteren Steigerungen aus. Doch was haben die Finanzgeschäfte mit dem Dresdner Wohnungsunternehmen Gagfah zu tun? Mit rund 38.000 Wohnungen ist Dresden der größte Standort der Gagfah-Gruppe. Sollten sich die rund 80.000 Mieter des Unternehmens jetzt Sorgen machen?

Müssen die Mieter jetzt ihre Miete auf ein anderes Konto zahlen?

Nein, es ändert sich nichts. Die 250 Gagfah-Mitarbeiter betreuen wie bisher die Mieter. Es gibt auch keinerlei Veränderungen bei den Mietkonten.

Steigt jetzt die Miete für Gagfah-Wohnungen?

Es besteht kein Zusammenhang zum Verkauf der letzten Aktien durch Fortress. Gagfah-Sprecher Dirk Schmitt kündigt „geringe bis moderate Steigerungen“ im gesetzlichen Rahmen wie in den vergangenen zehn Jahren an. Nach seinen Angaben seien die Mieten, über alle Wohnungen gesehen, nur um zwei Prozent gestiegen. „Wird allerdings modernisiert, müssen die Kosten umgelegt werden“, sagt er. So optimistisch sieht es Mietervereinschef Peter Bartels nicht. „Wir gehen davon aus, dass sich die Gagfah im gesetzlichen Rahmen bewegt und nicht gegen die guten Sitten verstößt. Aber es ist ein privater Vermieter, der seinen Spielraum ausnutzen wird.“

Warum steigen die Mieten in der Stadt derzeit relativ stark?

Das ist die Kehrseite der guten Entwicklung der Stadt: Durch steigende Bevölkerungszahlen werden Wohnungen knapp. „Bei Wiedervermietungen haben wir Erhöhungen von zehn bis zu 85 Prozent. Maximal 20 wären gesetzlich erlaubt“, sagt Peter Bartels. Durch die steigenden Preise bei Wiedervermietungen erhöhe sich das Niveau in der Stadt insgesamt. Auch bei der Gagfah, sagt Bartels, betrage der Leerstand nur noch drei Prozent. Vor einem Jahrzehnt waren es über zwölf Prozent. Insgesamt begrüße Bartels aber den vor einem Jahr eingeleiteten Kurs- und Imagewechsel bei der Gagfah, so sei wieder eine bessere Zusammenarbeit gekommen. Doch nur wenn in Dresden mehr preiswerte Wohnungen gebaut werden, könne der Mietanstieg gebremst werden, sagt Bartels.

Warum hatten amerikanische Investoren Anteile an der Gagfah?

Dresden hatte 2006 seinen gesamten städtischen Bestand von rund 48.000 Wohnungen an die US-amerikanische Investmentgruppe Fortress verkauft. Die Stadt erhielt damals 1,7 Milliarden Euro und war auf einen Schlag schuldenfrei. Doch Fortress setzte auf Rendite, sieben Jahre lang wurde die Gagfah aus den USA ferngesteuert, die Geschäftsführer in Deutschland waren oft Marionetten, die schnell wechselten. Das Unternehmen hat in Dresden alle lukrativen Wohnquartiere versilbert, so erhielten seine Aktionäre gute Gewinne. Die übrigen Häuser wurden vernachlässigt und wenig investiert. Als die Stadt die Gagfah wegen Wortbruchs verklagte, brach der Börsenwert innerhalb kürzester Zeit um 1,4 Milliarden Euro ein. Nach dem geschlossenen Vergleich erholte er sich nur langsam. Fortress verkaufte bereits den größten Teil seiner Aktien, so war nur noch ein Paket von 27,6 Prozent übriggeblieben. „Es ist gut, dass die Heuschrecke jetzt ganz weg ist. Durch deren Gewinnmaximierung sind die Schulden der Gagfah enorm gestiegen“, erklärt Mietervereinschef Bartels. Jetzt hat die Gagfah angekündigt, in diesem Jahr 41 Millionen Euro in den Dresdner Wohnungsbestand zu investieren.

Kommt jetzt eine andere Heuschrecke zum Zug?

Diese Befürchtung haben die Linken, denn im Aktienhandel könne man nie wissen, wer kauft. Aber die Gefahr dürfte gering sein, denn die Aktienpakete sind breit gestreut. Etwa tausend einzelne Anleger haben in dieser Woche die letzten Fortress-Aktien gekauft. Es sind in der Mehrzahl Pensionsfonds, Banken und Versicherungen, die mit realistischen Renditen in der Wohnungswirtschaft von drei bis dreieinhalb Prozent zufrieden sind, erklärt Gagfah-Sprecher Schmitt.