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Gut gewappnet

Wenn der gebürtige Nünchritzer Dirk Müller seine Wappen entwirft, dann nach allen Regeln der Heraldik.

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© Stefan Becker

Von Stefan Becker

Dresden/Nünchritz. Das Müller'sche Familienwappen in Holz und ein türkisches auf Papier. Gar nicht ritterlich motiviert begann Dirk Müller seine Wappen-Malerei – sondern aus Jux und Dollerei. Den in Dresden lebenden Karikaturisten aus Nünchritz kennen die Kunden von den verschiedensten digitalen Kanälen, schließlich ist der Kreative dort zu Hause – im Internet. Analog wohnt er allerdings zusammen mit Kater Tapsi in der Neustadt und dirigiert von dort sein virtuelles Domänen-Imperium.

Vor fünf Jahren kam ihm die Idee, dass die Menschen vielleicht auch Gefallen finden an witzigen Wappen. Bis dahin lag sein Fokus auf kleinen Comicstrips mit seinen knollennasigen Protagonisten oder Müller kreierte am Rechner dezent überzeichnete Porträts, wie sie Straßenkünstler in den Fußgängerzonen der Welt mit flinken Fingern fabrizieren.

Warum also nicht noch ein originelles Wappen dazu? Da aber irrte der 47-Jährige gewaltig, wie er auf dem Sofa sitzend erzählt. „Es kamen viele Anfragen zu den Wappen, doch die hatten fast alle einen ernsten Hintergrund: Die einen fragten, ob ich alte Familienwappen digital restaurieren könnte, die anderen wollten wissen, ob es auch Wappen für bürgerliche Familien gäbe, oder ob die Tradition allein dem Adel vorbehalten sei?“

Auf der Suche nach den Antworten machte sich Müller an die Arbeit, besorgte sich Bücher zum Mittelalter, studierte das Regelwerk der alten Rittersleut’ und steckte plötzlich knietief in der Heraldik. Das ist die Wappenkunde, an deren Gesetzen sich seit Hunderten von Jahren nichts geändert hätte und die zu kennen für sein Handwerk unabdingbar sei. Ein Wappen kann sich schließlich jeder malen, doch für den Eintrag in eine Wappenrolle, da bedürfe es klar definierter Standards. Sonst sei ganz schnell Schluss mit lustig.

So besteht das klassische Familienwappen aus drei Elementen: Im Zentrum der Komposition steht der Helm – entweder geneigt im Profil oder horizontal frontal. Auf dem Helm thront die Helmzier, drumherum rankt die Helmdecke und gibt dem Schild einen Rahmen.

Damit der Ritter einst schon von Weitem sehen konnte, was sein Gegenüber im Schilde führte, mussten dessen Schmuck und Farben deutlich signalisieren, um welchen Recken es sich handelte, ob Freund oder Feind. In diesem Sinne seien zwei Farben ideal, sagt Müller, wobei Weiß und Gelb in der Wappenkunde Silber und Gold symbolisieren. Weil die Metalle natürlich funkelten wie verrückt, wenn die Sonne hoch über dem Schlachtfeld stand, schufen die Schiedsrichter von damals eine eigene Abseitsregel: Eine echte Farbe wie Rot, Grün oder Blau muss die Metalle trennen. Wer bei einem Turnier gegen diese goldsilberne Regel verstieß, konnte gleich seine Knappen packen und nach Hause reiten.

Am alten Familienwappen von der Oma verfeinerte Müller sein erworbenes Wissen, rätselt allerdings bis heute, was die Löwentatzen darauf zu bedeuten haben. Er selbst stammt aus dem raubkatzenfreien Nünchritz, übersiedelte dann nach Riesa, lernte dort die Kunst der Kommunikationstechnik, lötete später in Dresden bei Robotron Leiterplatten zusammen und widmete sich nach der Wende seiner Leidenschaft: dem Zeichnen ulkiger Figuren.

Als Mosaik-Leser der zweiten Stunde und Fan der Digedags näherte er die Physiognomie der eigenen Helden den alten Vorbildern an und illustrierte munter drauflos. Comics und Karikaturen schoben die Karriere langsam an, doch die Wappen verpassten ihr erst den richtigen Kick. Als sich dann auch noch „Roobbääärt“ von den Geissens im Fernsehen für ein Familienwappen interessierte, lief das virtuelle Postfach von Dirk Müller fast über.

Rund zwei Wappen pro Woche gestaltet er am Rechner, malt und zeichnet auf dem Bildschirm, speichert oder verwirft, bespricht sich mit den Kunden und sendet auf Wunsch das fertige Logo zur Wappenrolle.

Dort werden bürgerliche wie adlige Kreationen eingetragen und genießen so etwas wie einen Gebrauchsmusterschutz.

Das bewahrt vor blutigen Fehden, so muss kein Ritter von eigenen Gnaden dem anderen die Helmzier schlitzen oder dessen Schild zerlegen. Von seinen 300 Wappen fanden schon viele Aufnahme in einer Wappenrolle, vorzugsweise in der ostdeutschen, die seit 2004 existiert.

Und was machen die Menschen dann mit ihrem Wappen, das sie zusammen mit Wappenmeister Müller entwickeln? Die einen drucken es gleich auf Visitenkarten und Briefpapier, die anderen schmücken damit ihren Stammbaum und alle geben es weiter an die nächste Generation.

Wie die türkische Familie Güler. Deren Schild zieren Krummsäbel und Olivenzweig, auf dem Stechhelm erheben sich zwei Flügel. Das sei weder die Islamisierung des Abendlandes noch die Heraldisierung des Morgenlandes – sondern einfach Ausdruck für das Interesse an der eigenen Geschichte, sagt Müller und grinst. Die Digedags würden das sofort unterschreiben, natürlich mit digitaler Signatur.