Von Dominique Bielmeier
Radebeul. Lars Fiehler hat ein gutes Gefühl. Gerade war ein junger Mann, noch keine 17, mit seinen Eltern bei ihm und hat den Lehrvertrag zum Mediengestalter unterschrieben. Aber ob er zum 13. August tatsächlich die Ausbildung beginnen wird? Das steht noch immer ein wenig in den Sternen. Der Pressesprecher der IHK Dresden weiß aus eigener Erfahrung, dass Azubis heute auch schon mal mehrere Verträge unterschreiben und sich am Schluss für die beste Stelle entscheiden. „Zwei Wochen vor der Angst kommt dann ein verschämter Anruf oder eine E-Mail, dass sie die Lehrstelle doch nicht antreten“, sagt Fiehler. Bei der IHK erfährt man sowieso als Erster, dass jemand auf diese Weise pokert. Verboten ist es nicht, aber: „Da würde man am liebsten zum Hörer greifen und die betroffenen Betriebe anrufen“, sagt Fiehler. Macht er aber natürlich nicht.
Was Firmen manchmal in die Bredouille bringt, ist für die zukünftigen Azubis eine Chance: die Vielzahl an offenen Stellen, die es im Moment gibt. Die IHK nennt für den Bezirk Dresden, zu dem neben der Stadt auch die Landkreise Görlitz, Bautzen, Meißen und die Sächsische Schweiz gehören, 835 offene Ausbildungsplätze, die meisten davon als Kaufmann beziehungsweise -frau für Büromanagement (48), gefolgt von Kaufmann und -frau im Einzelhandel (46), Zerspanungsmechaniker (42), Koch (40) und Fachkraft für Lagerlogistik (38). Auf der Online-Lehrstellenbörse der IHK findet man konkret für den Landkreis Meißen über 70 Ausbildungsplätze in den unterschiedlichsten Branchen. Die Handwerkskammer Dresden listet 62 Lehrstellen für den Kreis im Handwerk, vom Anlagenmechaniker bis zum Zimmerer. Was beim Durchklicken der einzelnen Angebote auffällt: Nur noch selten sind besonders gute Noten in einzelnen Fächern gewünscht. Viel häufiger wird dagegen die eigentliche Arbeit detailliert erklärt.
„Früher haben die Firmen bei Bewerbungsunterlagen zwei Häufchen gemacht“, sagt Fiehler, „eines mit den Bewerbern, die in bestimmten Fächern die und die Note haben mussten“. Das könnten sich viele aber schon lange nicht mehr leisten. Die Unternehmen hätten gelernt, dass Schulnoten bloß die halbe Wahrheit sind. Viel wichtiger sei heute, dass der Bewerber wisse, worauf er sich bei dem Beruf einlässt und er Lust auf diesen hat. „Wenn diese Voraussetzungen da sind, kriege ich auch alles andere hin“, sagt Fiehler. Selbst wenn es Nachhilfe in der Berufsschule sein müsse.
So wirbt die Baufirma Otto Quast in Radeburg zum Beispiel mit Youtube-Videos für Ausbildungsberufe – und das ziemlich ehrlich. In einem sagt mittlerweile Ex-Azubi Benjamin Ecke über seine Ausbildung zum Straßenbauer grinsend: „Abends bin ich kaputt und müde, fall’ direkt ins Bett und gut is’.“ Die Firma hat laut IHK- Lehrstellenbörse derzeit noch elf offene Stellen im Landkreis: als Straßenbauer, Maurer und Beton- und Stahlbetonbauer.
Auf Entertainment setzt dagegen die Onlinedruckerei Unitedprint in Radebeul. Sie nennt in ihrer Ausschreibung den hauseigenen Gesundheitsbereich, die „Relax-Area“ mit Hängematten und die „Play-Area“ mit „Flipper, Kicker oder actiongeladenen Konsolenspielen“. Sie sucht Fachinformatiker, Mediengestalter, Medientechnologen und einen Industriekaufmann bzw. -frau, insgesamt zwölf Stellen.
Was aber sind die besten Lehrstellen, die man ergattern kann? Lars Fiehler von der IHK will sich da nicht festlegen. Natürlich gebe es vorbildliche Firmen wie Planeta, die schon während der Lehre einen Auslandsaufenthalt und das Lernen von Sprachen ermöglichten. Aber auch in einem kleineren Betrieb könnte ein Lehrling glücklich werden, indem er zum Beispiel schon früh stark mit eingebunden werde und Verantwortung übertragen bekomme. Eine Problembranche gebe es übrigens heute nicht mehr, sagt Fiehler. „Dass in der Hotellerie und Gastronomie keiner mehr eine Lehre machen will, kann man nicht mehr sagen.“
Trotzdem haben die Schulabgänger ihre Präferenzen. „Ja, unsere lieben Azubis“, sagt Fiehler. Diesen werde immer wieder eingeschärft, dass es über 300 verschiedene Ausbildungsberufe gebe und sich deshalb der Besuch von zum Beispiel Messen lohne. „Dann glaubt man, Trends zu erkennen, wie die Digitalisierung, und alle wollen plötzlich Youtuber werden“, sagt Fiehler. Aber weit gefehlt: Unter den beliebtesten Berufen seien seit Jahren Frisörin bei den Mädchen und Mechatronikerberufe bei den Jungen. „Die Top Ten ändern sich seit Jahren nicht“, sagt Fiehler. Und der Markt deckt das auch ganz gut ab.
Wer doch etwas anderes werden will, der hat noch gute Chancen, auch wenn die richtig guten Schulabgänger und Firmen sich wohl schon gefunden haben. „Die Palette ist noch breit“, sagt Fiehler.
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