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Hafencity auf der Kippe

Ein Gericht gibt dem Nachbarn recht. Der hatte gegen die Baugenehmigung geklagt. Weil er selbst zu laut ist.

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© Woerner & Partner/USD

Lars Kühl

Dresden. Paukenschlag in der geplanten Hafencity. Das Verwaltungsgericht hat einen wichtigen Teil des Bauvorhabens vom Immobilienunternehmen Unser Schönes Dresden (USD) an der Leipziger Straße gestoppt. Ob es auch ein Nackenschlag für das Gesamtprojekt ist, wird sich zeigen. „Wir nehmen den Beschluss erst einmal zur Kenntnis und prüfen das weitere Vorgehen“, erklärt Sprecher Ulf Mehner. „Wichtig zu wissen ist, dass sich die Klage nicht gegen USD direkt gerichtet hat.“

Wie argumentieren die Richter in ihrem Urteil?

Die Richter werfen in ihrem Beschluss vom Dienstag nämlich der Stadtverwaltung Fehler vor, als sie der USD den Bau genehmigt hat. Die Lärmbelastung sei nicht korrekt berechnet worden, erklärt Robert Bendner, Sprecher des Verwaltungsgerichtes. Die Prognose der Schallimmission in den Unterlagen wird deshalb angezweifelt.

Welche Befürchtungen hatte das Arzneimittelunternehmen?

Interessant ist, dass der Antragsteller des Eilverfahrens von sich sagt: Ich mache mehr Krach als berechnet. Denn neben dem Baugrundstück hat das Pharmaunternehmen Menarini – von Heyden GmbH, das frühere Arzneimittelwerk, seinen Sitz. Die Firma hat nicht nur reichlich Anlieferverkehr durch Lkw, sie arbeitet auch im Drei-Schicht-System und hatte Angst, dass das mit den neuen Nachbarn nicht mehr geht. Denn die könnten im Nachgang Lärmminderungen mit „erdrosselnder Wirkung“ verlangen, was zu erheblichen wirtschaftlichen Negativfolgen führt.

Welche Auswirkungen hat der Hochwasserschutz auf die Nachbarn?

Außerdem hatte das Arzneimittelunternehmen wegen der veränderten Strömungen während eines Hochwassers geklagt. Denn das USD-Areal soll ein bis zwei Meter aufgeschüttet werden, zudem entlang der Elbe eine Betonwand bekommen – als Ergebnis eines jahrelangen Prozesses, um das Areal sicher zu gestalten. Nun befürchtet Jürgen Langer, Geschäftsführer von Menarini – von Heyden, allerdings Überschwemmungen auf seinem Betriebsgelände.

Auch die Grundwasserbedingungen würden sich ändern. Da die Richter aber schon die Lärmprognose infrage gestellt hatten, gingen sie auf die wasserrechtlichen Fragen nicht mehr ein. Bei Langer sorgte die Gerichtsentscheidung vorerst für Aufatmen. „Wir sind froh und zufrieden mit dem Ergebnis.“ Allerdings bleibe die Unsicherheit, wie es nun weiter geht.

Wie reagiert die Stadtspitze und was sagen Politiker?

Das Rathaus hat den Beschluss, wie alle Beteiligten, am Mittwoch erhalten. „Wir werden ihn jetzt sorgfältig prüfen und dann entscheiden, wie wir damit umgehen“, sagt Baubürgermeister Raoul Schmidt-Lamontain (Grüne) auf Nachfrage der SZ. Es bleiben zwei Wochen, in denen sich die Landeshauptstadt überlegen kann, ob sie beim Oberverwaltungsgericht Beschwerde gegen das Urteil einlegt.

„Einmal mehr hält eine Entscheidung der Stadtverwaltung gerichtlicher Überprüfung nicht stand“, wettert der Fraktionsvorsitzende der Linken im Stadtrat, André Schollbach. „Was unter Oberbürgermeisterin Helma Orosz (CDU) seinen Anfang nahm, setzt sich unter Oberbürgermeister Dirk Hilbert (FDP) nahtlos fort.“ Immer wieder müssten die Verwaltungsgerichte rechtswidrige Entscheidungen stoppen. „Bei der Hafencity wollten und wollen einige Verantwortliche offenbar mit dem Kopf durch die Wand.“

Ist jetzt das gesamte Vorhaben Hafencity auf der Kippe?

Die Entscheidung des Verwaltungsgerichtes bezieht sich dabei lediglich auf die vier geplanten Gebäude entlang der Grundstücksgrenze zur Arzneimittel-Firma. Die Baugenehmigung dafür hatte die Stadtverwaltung im März erteilt. Die Bagger hätten also jederzeit anrollen können. Geplant waren dort Viergeschosser, die durch einen Laubengang verbunden sind. In den Häusern sollten Läden, Ateliers, Ausstellungsräume und Büros eingerichtet werden. Außerdem hätten sie als „Schallschutz“ fungieren sollen.

Denn hinter ihnen will die USD die eigentliche Hafencity für rund 100 Millionen Euro mit ungefähr 350 Wohnungen, Restaurants und weiteren Büros sowie großzügig angelegten, öffentlichen Freiflächen errichten. Auf dieses Gebiet bezieht sich der Gerichtsbeschluss nicht, stellt Schmidt-Lamontain klar. Jahrelang hatte es ein zähes Ringen zwischen dem Bauherrn und dem Stadtrat gegeben, vor allem um den Hochwasserschutz. Bis schließlich Kompromisse gefunden wurden. Bauauftakt für das riesige Areal war im Frühjahr, als die Sanierung der denkmalgeschützten Melkus-Villa direkt an der Leipziger Straße begann. Doch jetzt tauchen wieder neue Fragen auf.