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Eine "Oma-SMS" als Hauptbeweismittel

Urteil im Frankfurter Verfahren gegen Ex-Multimillionär Alexander Falk: Er hat demnach den Auftrag für einen Schuss auf einen Anwalt gegeben.

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Unternehmer Alexander Falk (M) neben seinen Verteidigern Björn Gercke und Kerstin Stirner.
Unternehmer Alexander Falk (M) neben seinen Verteidigern Björn Gercke und Kerstin Stirner. © Arne Dedert/dpa

Von Isabell Scheuplein

Frankfurt/Main. Äußerlich ruhig nahm Alexander Falk den Urteilsspruch auf. Viereinhalb Jahre Haft verhängte das Landgericht Frankfurt am Donnerstag gegen den 50-Jährigen, der in gewohnt sportlichem Outfit und mit lockerem Schritt den Gerichtssaal betreten hatte, seine Freunde im Zuschauerraum kurz grüßend.

Den gesamten Prozess über habe sich Falk als bürgerlich-familiärer hanseatischer Kaufmann mit Sportsgeist dargestellt, sagte der Vorsitzende Richter Jörn Immerschmitt. Tatsächlich habe er sich vor mehr als zehn Jahren mit Kriminellen aus dem Hamburger Rotlichtmilieu zusammengetan und sie mit einer Attacke auf einen Anwalt beauftragt.

Der Jurist war im Februar 2010 vor seinem Haus in Frankfurt mit einem Schuss in den Oberschenkel schwer verletzt worden. Vorausgegangen waren Bedrohungen und ein nächtlicher Angriff auf das Haus des Wirtschaftsanwalts mit einem Vorschlaghammer.

Der heute 50-jährige Falk bestritt, dafür verantwortlich zu sein. Das Gericht sah dies aber nun anders: Aus Rache, unterdrückter Wut und gekränkter Ehre habe der früher sehr erfolgreiche Internetunternehmer und Multimillionär zum Angriff auf den Juristen geblasen.

Den Anwalt als "Bazille" bezeichnet

Der Prozess sorgte nicht nur mit seinem prominenten Angeklagten für Aufsehen, auch zahlreiche bizarre Details kamen seit dem Auftakt im August 2019 ans Licht. Wie die an einen schlechten Krimi erinnernde Episode über einen USB-Stick mit angeblich entlastenden Material, den der Überbringer kurz vor seiner Festnahme aber noch rasch zerkaute. Oder die Tatsache, dass sich ein Tonband, auf dem sich Falk schadenfroh über das Attentat äußert - eines der Hauptbeweismittel -, gleich an mehreren Stellen als geschnitten und manipuliert erwies.

Das Gericht wertete es dennoch als Beweis für die Anstiftung zu gefährlicher Körperverletzung, deren es Falk schuldig sprach. Denn die unveränderten Stellen zeigten, dass Falk den Anwalt als "Bazille" bezeichnet habe, der manipuliere, lüge und betrüge, sagte Richter Jörn Immerschmitt. Den Schuss habe er als perfekt und genau richtig bezeichnet.

Noch mehr habe die in dem Prozess vieldiskutierte "Oma-SMS" eine Verurteilung bewirkt: Diese Text-Nachricht ging fünf Tage vor den Schüssen auf Falks Handy ein. Er solle sich keine Sorgen machen, die Oma werde ihren "verdienten Kuraufenthalt" bekommen, hieß es darin. Dies könne nur an einen Auftraggeber gerichtet sein, sagte Richter Immerschmitt.

Einst Star der "New Economy"

Den Hintergrund der verwinkelten Geschichte bildet ein großer Wirtschaftsprozess in Hamburg, an dessen Ende Falk 2008 zu vier Jahren Haft wegen versuchten Betrugs und Beihilfe zur Bilanzfälschung verurteilt worden war. Falk hatte das Geld aus dem Verkauf des von seinem Vater geerbten bekannten Stadtplanverlags sehr erfolgreich investiert. Er avancierte zu einem Star der "New Economy" und gelangte auf die Liste der 100 reichsten Deutschen.

Dann das Urteil in Hamburg wegen manipulierter Umsätze bei einem seiner Unternehmen, das er nach England verkauft hatte. Der später durch den Schuss verletzte Anwalt vertrat im Zivilprozess die Gegenseite, es ging um millionenschweren Schadenersatz.

Klar ist, Falk ließ sich mit Hamburger Kriminellen ein, maßgeblich den Brüdern B. aus der Türkei. Die Bekanntschaft geht auf seinen ersten Gefängnisaufenthalt zurück. Die Männer habe er mit einem Datendiebstahl bei dem Anwalt - und nur damit - beauftragt, um seine Unschuld in den Wirtschaftsverfahren zu beweisen, sagte der Angeklagte. Von einem der Kriminellen soll auch die "Oma-SMS" stammen.

Anwalt bekam Schießtraining

Befragt werden konnten die Männer vor Gericht nicht, da sie nicht greifbar seien, sagte Immerschmitt. Dass sie maßgeblich mit der Tat zu tun hatten, darüber waren sich selbst Staatsanwaltschaft und Verteidigung einig. Doch ob sie im Auftrag Falks handelten oder ob vor Ort ohne sein Zutun "etwas aus dem Ruder lief", wie die Verteidigung mutmaßte - das war in dem Verfahren bis zuletzt umstritten.

Der Anwalt legte nach dem Schuss das Mandat nieder. Er bekam Schießtraining bei der Polizei. Seine Familie leide bis heute unter der Tat, sagte Immerschmitt. Falk wurde später dennoch im Hamburger Schadenersatz-Prozess verurteilt. Wie auch nun in Frankfurt.

Das letzte Wort ist in dem komplexen Verfahren aber noch nicht gesprochen. Die Verteidigung will beim Bundesgerichtshof (BGH) gegen das Urteil des Landgerichts vorgehen. Immerhin kann Falk seinen 51. Geburtstag in wenigen Tagen in Freiheit feiern. Denn der Haftbefehl gegen ihn wurde nach 22 Monaten aufgehoben. Er bleibt nun auf freiem Fuß, bis ein rechtskräftiges Urteil vorliegt. (dpa)