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Halle-Prozess: Aus dem Leben des Täters

Über seine Familie spricht der Angeklagte nur ungern. Ein Bekannter der Familie beschreibt am vierten Verhandlungstag stabile Verhältnisse.

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Der Attentäter wird mit dem Hubschrauber zum Gericht geflogen.
Der Attentäter wird mit dem Hubschrauber zum Gericht geflogen. © Jan Woitas/dpa-Zentralbild/dpa

Magdeburg. Am vierten Prozesstag zum rechtsterroristischen Anschlag in Halle hat das Gericht das Umfeld des Angeklagten unter die Lupe genommen. Nachdem dessen Eltern und die Halbschwester am Mittwoch ihr Recht auf Zeugnisverweigerung in Anspruch genommen hatten, rief Richterin Ursula Mertens den früheren Freund der Halbschwester in den Zeugenstand. 

Der 31-Jährige war nach eigenen Angaben mehrere Jahre mit der Halbschwester zusammen und hat mit ihr ein Kind, weshalb er auch noch immer Kontakt zu der Familie habe. Außerdem gab er an, in seiner Jugend Teil der rechtsextremen Szene gewesen zu sein. Davon distanziere er sich inzwischen aber seit langem.

Details über Familie von Stephan B.

Seit vorigem Dienstag läuft vor dem dem Oberlandesgericht Naumburg der Prozess gegen den Sachsen-Anhalter Stephan B. Der Prozess findet aus Platzgründen im Landgericht Magdeburg statt, im größten Gerichtssaal Sachsen-Anhalts. Die Bundesanwaltschaft wirft B. 13 Straftaten vor, darunter Mord und versuchten Mord.

Der 28 Jahre alte Angeklagte hatte vorige Woche eingeräumt, am 9. Oktober 2019 schwer bewaffnet versucht zu haben, in der Synagoge von Halle ein Massaker anzurichten. Dort feierten zu dem Zeitpunkt 52 Menschen den höchsten jüdischen Feiertag Jom Kippur. Nachdem er nicht in die Synagoge gelangt war, erschoss er eine zufällig vorbeikommende 40 Jahre alte Passantin und später einen 20-Jährigen in einem Dönerimbiss.

Rechtsextrem aufgefallen

Zu Beginn des Prozesstages waren zunächst nacheinander Mutter, Vater und Halbschwester in den Saal gerufen worden. Der Angeklagte suchte Blickkontakt zu seinen Verwandten - der Vater nickte ihm kurz zu. Die Halbschwester, Tochter der Mutter des Angeklagten, schien den Blicken des 28-Jährigen auszuweichen und sprach mit zittriger Stimme. Nach Angaben ihres Ex-Partners, hat die Schwester des Angeklagten den Kontakt zu B. in Folge des Anschlags abgebrochen. Der Ex-Freund beantwortete daraufhin stundenlang die Fragen der Richterin und der Anwälte.

Dabei wurde er vor allem nach persönlichen Eindrücken über den Angeklagten gefragt und dessen politischer Einstellung. Der Zeuge berichtete von einigen Vorfällen, die auf die rechtsextreme Einstellung des Angeklagten hindeuteten. So habe B. in einem Supermarkt zwei Menschen angeschrien, weil die sich nicht auf Deutsch unterhalten hätten. 

Gutes Verhältnis der Eltern - trotz Scheidung

Außerdem habe sich der Angeklagte auch einmal antisemitisch geäußert. Den Angeklagten beschrieb als Einzelgänger. "Ich kenne niemanden, den er als Freund bezeichnet hätte". Versuche, den Angeklagten in seinen Freundeskreis zu integrieren, seien gescheitert.

Aus schwierigen familiären Verhältnissen kommt B. laut den Aussagen nicht: Die Mutter, eine Lehrerin, und der Vater, ein Elektroniker, hätten zwar immer viel gearbeitet. Für ihre beiden Kinder hätten sie sich aber immer Zeit genommen. Außerdem hätten Mutter und Vater auch nach ihrer Scheidung ein gutes Verhältnis gehabt. So gut wie jeden Sonntag sei er mit seiner damaligen Freundin und dem Kind beim Essen bei den Eltern im Landkreis Mansfeld-Südharz zu Gast gewesen.

Die ehemalige Grundschullehrerin des Angeklagten beschrieb den heute 28-Jährigen am als klug und ehrgeizig. Er habe eine bessere Allgemeinbildung gehabt als seine Mitschüler, sei aber kleiner und auch sonst körperlich unterlegen gewesen. Eine andere Grundschullehrerin, eine Bekannte der Mutter des Angeklagten, bestätigte das und beschrieb den Beschuldigten als ausgesprochen aufgeweckt und interessiert.

Die zweite Lehrerin nahm außerdem die Mutter des Angeklagten in Schutz, die ebenfalls Lehrerin gewesen war. Sie habe sich niemals antisemitisch oder rassistisch geäußert und sich auch um Schüler mit Migrationshintergrund immer sehr gut gekümmert, sagte die Zeugin. 

Am Dienstag hatte das Gericht einen Brief der Mutter vorgelesen, den die Mutter vor einem Suizidversuch in Folge des Anschlags an ihre Tochter, die Halbschwester des Angeklagten, geschrieben haben soll. Der Text hatte antisemitische Sätze und Verschwörungstheorien enthalten.

"Freiwild" und "Böhse Onkelz"

Die Nebenkläger fragten mehrfach nach den Themen, die dabei besprochen worden seien. Eines davon sei die Flüchtlingspolitik der Bundesregierung 2015 gewesen, die der Angeklagte als einen Grund für sein rechtsextremes Weltbild angeführt hatte. Am Tisch habe es aber keine eindeutige Meinung dazu gegeben, sagte der Zeuge. Die Anwälte wollten außerdem wissen, welche Musik im Elternhaus gelaufen sei. Der Zeuge nannte die Bands "Freiwild" und "Böhse Onkelz". Beide sind in der rechten Szene sehr beliebt.

Der Angeklagte hatte bisher immer betont, dass seine Familie nichts von seinem Anschlagsplan und seinem radikalen Weltbild gewusst habe. Die Nebenkläger hatten in den ersten Prozesstagen vor allem bezweifelt, dass das Umfeld des Beschuldigten seine rechtsradikale Einstellung nicht mitbekommen habe. (dpa)