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Handgranate im Schlafzimmer

Im sechsten Verfahren gegen falsche Polizisten gab es am Mittwoch in Meißen das erste Geständnis.

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© Symbolbild/dpa

Von Jürgen Müller

Meißen. Mühsam auf einen Stock gestützt betritt der Angeklagte am Montag den Gerichtssaal im Meißner Amtsgericht. Zum letzten Termin war er aus gesundheitlichen Gründen nicht erschienen. Er habe über Nacht extrem hohen Blutdruck bekommen und musste ins Krankenhaus eingeliefert werden, erklärte seine Verteidigerin. Schon stand im Raum, ob der 74-Jährige aus dem Vogtland überhaupt verhandlungsfähig ist.

Der Mann ist einer der falschen Polizisten, die am 23. November 2012 in Bärwalde einen Gerichtsvollzieher des Amtsgerichtes Meißen bedrohten, festnahmen und verletzten. Der Mann gehörte dem Deutschen Polizeihilfswerk (DPHW), einer polizeiähnlich strukturierten privaten Bürgerwehr, an. Mit seinen 74 Jahren droht dem Vogtländer ein Gefängnisaufenthalt. Im Ermittlungsverfahren zu diesem Fall wurde seine Wohnung durchsucht. Dabei wurden verschiedene Schusswaffen, auch eine Kalaschnikow, gefunden. Das Amtsgericht Auerbach hat ihn deswegen und wegen fahrlässiger Tötung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und zwei Monaten verurteilt. Er hat zu Recht große Angst, dass er bei einer weiteren Verurteilung ins Gefängnis muss.

Der Richter hat seiner Verteidigerin einen Deal angeboten. Im Falle eines Geständnisses werde er das alte Urteil einbeziehen, eine Strafe von nicht mehr als zwei Jahren verhängen und diese zur Bewährung aussetzen. Die Aussicht, dann nicht in Haft zu müssen, hat offenbar zur schnellen Genesung beigetragen.

„Ich dachte, wir unterstützen mit dem DPHW die Polizei bei der Aufrechterhaltung von Recht und Ordnung. Ich fand das eine gute Sache, ahnte nicht, dass wir an der Nase herumgeführt wurden“, sagt der Mann. Bei der Aktion in Bärwalde soll er unter anderem den Gerichtsvollzieher am Bein festgehalten haben, um dessen Widerstand zu brechen. Er gibt das zu.

Auf „Befehl“ gehandelt

Was in Bärwalde geschehen sollte, habe er erst vor Ort erfahren. Warum er dann aus dem Vogtland nach Bärwalde gefahren sei, dafür sei die „1. vogtländische Einheit des DPHW“ doch gar nicht zuständige gewesen, will der Richter wissen. „Ich habe bei der NVA gelernt, Befehle sind dazu da, ausgeführt zu werden. Und wir hatten den Befehl, nach Bärwalde zu fahren“, sagt der 74-Jährige. Dabei hatte er nicht mal einen Dienstgrad beim DPHW. Der musste schriftlich beantragt werden und richtete sich nach dem Dienstgrad bei der NVA. Den aber habe er nicht preisgeben wollen.

Im Verlauf des Verfahrens wird deutlich, dass der Vogtländer eine Vorliebe für Uniformen und Waffen hat. Er hat ein Motorrad in Tarnfarben, hortet Waffen, doch auch zum Beispiel ein Stahlhelm mit Hakenkreuz wird bei ihm gefunden. Ebenso ein Gewerbeschein „Deutsches Reich“ auf der Rückseite mit dem Aufdruck „Eine Bank, frei vom Zugriff der BRD-Behörden“. Nein, ein Nazi sei er nicht, betont der Rentner immer wieder, gibt aber zu : „Ich stehe nicht mit beiden Beinen auf dem Boden des Grundgesetzes“. Auch Fantasieausweise von Landtagsabgeordneten finden sich bei ihm, ebenso wie Visitenarten „Freies Deutschland“ in schwarz-weiß-roten Farben, zwei Handfesseln aus Metall, eine Kiste mit Reichsadler und Hakenkreuz. Im Schlafzimmer findet sich eine Übungshandgranate. Neben der Gründungsurkunde des DPHW gibt es einen Einsatzbericht zu dem Vorfall in Bärwalde. „Denen geht der Arsch auf Grundeis. Der Einsatz hat eingeschlagen wie eine Bombe“, heißt es darin.

Im rechten Bereich verwurzelt

Zwölf Beteiligte an der Aktion in Bärwalde wurden bisher verurteilt, alle zu Haftstrafen ohne Bewährung. Diesmal gibt es das erste Geständnis und die erste Bewährungsstrafe. Wie abgesprochen verhängt das Gericht eine Haftstrafe von zwei Jahren, die für zwei Jahre zur Bewährung ausgesetzt wird. Dabei wird das Urteil von Auerbach mit einbezogen.

Der Richter würdigt nicht nur das Geständnis, sondern auch den Gesundheitszustand des Mannes und dessen Alter. „Es ist zur Verteidigung der Rechtsordnung nicht erforderlich, einen alten, gebrochenen Mann einzusperren“, begründet er die Bewährung. Dennoch sei der Angeklagte stärker im staatsfeindlichen, rechtsorientierten Bereich verwurzelt, als er zugebe oder wahrnehme.

Auf eine Geldauflage verzichtet das Gericht. Immerhin fordert der Freistaat von den Angeklagten 81 000 Euro zurück, der Gerichtsvollzieher will 12 000 Euro Schmerzensgeld.