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Happy End für jungen Schwarzspecht

Nach einem Unfall war das Tier von Anwohnern gefunden worden – und kam nun zurück zu seiner Familie.

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© Sebastian Schultz

Von Stefan Lehmann

Riesa. Tock-tock-tock: Ein gleichmäßiges, energisches Klopfgeräusch kommt aus dem Pappkarton im Kofferraum, und Peter Kneis kann sich ein leichtes Schmunzeln nicht verkneifen. Da mache jemand seiner Profession ganze Ehre, sagt der Vogelkundler. Es ist ein gutes Zeichen, dass der junge Schwarzspecht in der Kiste so lebhaft ist. Schließlich soll er in wenigen Minuten zurück in die Freiheit entlassen werden. Die beiden Ornithologen Peter Kneis und Dieter Schneider sind dafür in den Strehlaer Stadtpark gefahren. Hier wartet vermutlich seine Familie auf den Vogel.

Mit speziellen Federn am Schwanz stützt sich der Specht beim Klettern ab
Mit speziellen Federn am Schwanz stützt sich der Specht beim Klettern ab © Sebastian Schultz

Der war wenige Tage zuvor gegen die Fensterscheibe eines Wohnhauses an der Torgauer Straße geflogen, erzählt Peter Kneis. „Meist enden solche Unfälle für Vögel tödlich. Aber Spechte sind wegen ihrer Profession etwas robuster.“ Die Anwohner fanden das etwa fünf Wochen alte Tier, und wenig später landete es in der Auffangstation des Riesaer Tierparks, um sich von dem Unfall zu erholen. Nun, drei Tage später, wird der Vogel wieder ausgesetzt.

Vorsichtig öffnen die beiden Vogelschützer den Karton, dann greift Peter Kneis den Vogel. Zuvor hat er sich aus einem Plastikbeutel bereits einen nummerierten Ring besorgt. Behutsam biegt er den Metallring mit einer Zange um das rechte Bein des Vogels. Fertig. Fehlt nur noch der richtige Baum. „Vielleicht gehen wir noch etwas weiter da rüber“, sagt Kneis und nickt in Richtung des Baumbestands abseits der Wege.

Parkanlagen wie in Strehla sind ein gutes Habitat für Spechte. Mit zunehmendem Alter der Bäume finden die Vögel genügend Brutmöglichkeiten. Zu sehen allerdings sind die Vögel mit dem schwarzen Gefieder und der roten Kappe auf dem Kopf relativ selten, erst recht nicht aus der Nähe. Spechte seien vorsichtige Vögel, sagt Kneis dazu. Das zeigt sich auch, als er den Jungspecht schließlich an den Stamm einer stattlichen Linde setzt. Während viele andere Vögel wohl in Panik davonflattern würden, wartet der Specht erst einmal ab – und tastet sich dann nach und nach voran in Richtung Baumkrone. „Jetzt sind die Stützfedern gut zu erkennen“, erklärt Peter Kneis, während er dem Vogel nachschaut. Sie sind charakteristisch für alle Spechte und helfen ihnen, sich in der Senkrechten fortzubewegen. Nur mit dem Kopf zuerst nach unten, das schaffe auch der Specht nicht. Für die beiden Vogelkundler heißt es nun: warten. Sie wollen zumindest noch sehen, ob der Specht auch ordentlich fliegen kann.

Nach einer Viertelstunde ertönt aus der Baumkrone erstmals ein lautes, hohes „kijäh“. „Er sucht jetzt die Familie“, sagt Kneis und antwortet mit einer Folge von Pfiffen. Auch wenn die Jungen flügge sind, bleiben Spechte noch eine Weile im losen Familienverbund zusammen. Irgendwann allerdings suchen sich die Jungtiere eine eigene Bruthöhle. Ohne stehen die Chancen schlecht. „70 Prozent der Nachkommen schaffen es nicht.“

Es vergeht fast eine weitere halbe Stunde, bis der junge Specht Antwort erhält. Dann gleitet plötzlich ein schwarzer Vogel über Lichtung und verschwindet in der nächsten Baumkrone. „Das war jetzt ein anderer Schwarzspecht“, sagt Peter Kneis. Eines der Alttiere? Als das Jungtier dann noch zu einem benachbarten Baum flattert, sind die beiden Vogelkundler endgültig beruhigt. Die Familienzusammenführung scheint erfolgreich zu sein.