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Harthaer Dichterin auf der Buchmesse

Carla Schwiegk aus Tharandt stellt in Leipzig ihren neuen Lyrikband vor – und ein Beutelbuch.

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© Thomas Morgenroth

Von Thomas Morgenroth

Tharandt. Du Tier in mir, ich find dich nicht“, schrieb Carla Schwiegk 1990 als erste Zeile ihres Gedichts „Suche“. Damals war sie achtzehn und sehnte sich danach, frei zu sein und wie die Tiere nur den Instinkten folgen zu müssen. Später tat sie das tatsächlich, weil sie erfahren musste, dass es Situationen im Leben gibt, denen der Verstand des Menschen nicht gewachsen ist. „Ich konnte mich auf das, was mir der Kopf gesagt hat, plötzlich nicht mehr verlassen“, erinnert sich die Tharandterin. „Das hat mir Angst gemacht.“ Statt auf logisches Denken setzte sie auf ihr Bauchgefühl – mit Erfolg: „Damit ging es mir besser.“

„Ich habe so erfahren, dass in uns etwas wohnt, das nicht greifbar ist“, sagt Carla Schwiegk, die nach Gesprächen bei ihren Lesungen weiß, dass es auch anderen so geht. „Man ist nicht nur Mensch, sondern trägt auch Dinge in sich, die Tier sind“, ist sie überzeugt und dichtete schließlich im vergangenen Jahr in „Schattenreiter“: „Da hatte es mich gefunden. Es war so viel größer als ich.“ Ein Thema, das Carla Schwiegk nicht mehr loslässt und mit dem sie sich literarisch intensiv auseinandersetzt.

Einige ihrer Texte zum ambivalenten Verhältnis Mensch und Tier sind in ihrem neuen Lyrikband versammelt. Das Buch, das rund fünfzig Gedichte aus den vergangenen vier Jahren vereint, heißt „Fell“. Der Titel ist ein Synonym und Symbol für das Tier an sich, das bei Carla Schwiegk verschiedene Erscheinungsformen annimmt. Es kann ein Feuersalamander sein, ein Habicht, eine Forelle – oder ein Pferd, das mit Wasserpflanzen bewachsen ist. Das ist ihr übrigens im Traum erschienen.

Anregungen für ihre poetischen, mitunter sehr persönlichen und philosophischen Texte bekommt Carla Schwiegk vom Mond, von den Alpen, der Venus, einem Spinnrad, von einem verlassenen Dorf in der Lausitz, das der Braunkohle geopfert wird, oder von ihrem Nachbarn in Kurort Hartha, dem fast 80-jährigen Maler Dieter Kecke, der beim Blick in die Glut des Lagerfeuers sagte: „So sah das aus. So brennt die Stadt“ und Dresden damit meinte.

Zu dem Gedicht „Von Biss“ wiederum inspirierte sie eine Skulptur ihres Mannes, des Bildhauers Matthias Jackisch, der aus einem Stein einen menschlichen Kieferknochen geformt hatte. Jackisch illustrierte die Verse mit einem Totenschädel – gezeichnet mit einem gebrauchten Tabakspfeifenreiniger, also mit Teer und Nikotin. Insgesamt sind es 32 Bilder in dieser wohl einmaligen Technik, mit denen Carla Schwiegks Lyrikband ausgestattet ist.

Sie hofft nun, auf der Buchmesse in Leipzig, die am Donnerstag beginnt, Buchhändler für ihr neues Buch und ihre bisherigen Veröffentlichungen begeistern zu können. Carla Schwiegk, die ihre Bücher im Eigenverlag herausgibt, ist dort mit einem eigenen Stand vertreten, auf dem sie fast ausschließlich Unikate anbietet. Die gelernte Buchbinderin bindet in ihrer Werkstatt, der „Bucherei“ in Tharandt, ihre Bücher selbst. Sie verwendet dafür besondere Papiere aus eigener Herstellung. Kein Einband gleicht so dem anderen.

Das Material für ihre beliebten kleinen Rindenbücher aus Birke, Eiche oder Buche, in dem jeweils ein Gedicht in Form einer Ziehharmonika Platz hat, findet sie hingegen im Tharandter Wald. Mitunter verwendet sie auch Keramik als Buchdeckel und neuerdings sogar derben Stoff, aus dem normalerweise Jeans genäht werden. Carla Schwiegk nutzt ihn als Einband für ein sogenanntes Beutelbuch, ihre neueste Kreation. Das, erklärt sie, sei keine neue Erfindung, nur in Vergessenheit geraten. „Ein Notizbuch wird so eingebunden, dass es wie ein kleiner Beutel verschnürt werden kann und dann immer griffbereit am Gürtel hängt“, erklärt sie.

Einen Prototypen mit einem Kalender, in dem jeder selbst die Tage eintragen kann, will sie auf der Buchmesse vorstellen. Vielleicht wird sie bald selbst ein Beutelbuch nutzen, als Ersatz für ihre zahllosen Zettel, auf denen sie sich ihre Notizen macht, dabei aber ständig in Sorge ist, ihre Stichpunkte zu verlieren. Das geht so weit, dass sie sich nicht traut, die Hosen zu wechseln. Das nun ist kein tierisches, sondern ein zutiefst menschliches Problem, über das Carla Schwiegk auch ein Gedicht geschrieben hat: „Die Krätze kriegen.“

Buchmesse in Leipzig, 15. bis 18. März, täglich 10 bis 18 Uhr; der Stand von Carla Schwiegk ist in Halle 3.