Marleen Hollenbach
Die Bälle und Matten liegen schon bereit. Im hellen freundlichen Raum wartet Mandy Preusche. Seit mehr als zehn Jahren zeigt die 35-Jährige den werdenden Müttern, wie sie bei der Geburt richtig atmen müssen, erklärt ihnen alles Wichtige zum Schwangerschaftsverlauf und beantwortet Fragen zum Stillen. „Der Beruf macht mir unheimlich viel Spaß“, sagt sie. Mandy Preusche ist Hebamme aus Leidenschaft. Doch obwohl immer mehr Schwangere ihren Rat wollen, macht sie sich Sorgen um ihre Zukunft. Die 35-Jährige hat sich inzwischen auf die Vor- und Nachsorge der Mütter spezialisiert. Wie der Bautzenerin geht es vielen freischaffenden Hebammen in der Region. Sie beraten und unterstützen die Schwangeren. Eine ihrer zentralen Tätigkeiten, die Geburtenhilfe, haben die meisten hingegen schon aufgeben müssen. Nicht, weil sich die Hebammen die Hausgeburten nicht mehr zutrauen, oder weil die Schwangeren nicht mehr zu Hause entbinden wollen. Der Grund ist ein anderer. Die Geburtshilfe ist für die Hebamme zum Minusgeschäft geworden.

Das liegt vor allem an den Versicherungsbeiträgen. Als Mandy Preusche 1998 ihre Ausbildung begann, da waren jährlich 394 Euro für die Haftpflichtversicherung fällig. Im Vergleich dazu verlangte die Versicherung im vergangenen Jahr 5 091 Euro. Ein deutlicher Anstieg. Und die Situation verschärft sich weiter. Ab dem ersten Juli zahlen Hebammen, die Geburtshilfe anbieten, über 6 000 Euro. „Das ist nicht finanzierbar“, sagt Preusche. Und sie geht noch einen Schritt weiter „Genau genommen haben Frauen in unserer Region schon gar nicht mehr die Möglichkeit, zu Hause oder in einem Geburtshaus zu entbinden.“
Praxisräume aufgegeben
Geburtshilfe bietet Hebamme Kerstin Patzig aus dem Oberland schon seit 2009 nicht mehr an. Auch ihr wurden die hohen Haftpflichtbeiträge am Ende einfach zu viel. Nun gehört die Betreuung der Frauen vor und nach der Schwangerschaft zu ihrem Kerngeschäft. Die Haftpflichtversicherung wird damit für die Hebamme billiger. Trotzdem hat sie hohe Kosten. Kranken- und Rentenversicherungsbeiträge, das Benzin und Weiterbildungen müssen bezahlt werden. „Wenn ich alles wegrechne, dann komme ich auf einen Stundenlohn von lediglich 8,50 Euro“, sagt Patzig. Für ihre verantwortungsvolle Arbeit sei das viel zu wenig, meint die Hebamme. Nicht nur die Geburtshilfe hat sie aus Kostengründen eingestellt. Auch auf Praxisräume verzichtet Kerstin Patzig mittlerweile. Die Frau aus Kirschau hat sogar schon ans Aufgeben gedacht. „Der Beruf ist toll. Doch wenn einem immer nur Steine in den Weg gelegt werden, lässt man es irgendwann sein“, sagt sie. Dabei ist auch bei ihr die Nachfrage groß. Kerstin Patzig ist schon für das nächste halbe Jahr ausgebucht. Absagen gehören zu ihrem Arbeitsalltag dazu. „Manche sagen mir, dass ich schon die dritte Hebamme bin, die keine Zeit für sie hat. Das tut mir dann natürlich leid“, erklärt sie.
Immer mehr werdende Mütter und immer weniger Hebammen – das passt nicht zusammen, findet auch Grit Kretschmar-Zimmer. Die Vorsitzende des Sächsischen Hebammenverbandes kennt das Problem genau. Seit Jahren beobachtet sie, wie die Versicherungen die Beiträge anheben. Nicht, weil es mehr Schadensfälle bei den Hausgeburten gibt, sondern weil die Kosten im Schadensfall immer mehr steigen. Dazu zählen Aufwendungen für die medizinische Versorgung genauso wie Prozesskosten. Jedes Jahr werden neue Verträge ausgehandelt und jedes Jahr stehen die Hebammen vor der Ungewissheit, weil nicht klar ist, ob sich überhaupt noch eine Versicherung für die Geburtshelfer findet. „Ich bin schon einige Jahre im Amt, aber so schwarz wie im Moment war die Lage noch nie“, sagt Grit Kretschmar-Zimmer. Denn eines steht fest: Ohne eine Haftpflichtversicherung kann keine Hebamme arbeiten.
Freiheiten verschwinden
Deshalb verhandelt der Hebammenverband seit Monaten mit dem Spitzenverband der Gesetzlichen Krankenversicherungen (GKV). Einen ersten Schritt hat die GKV bereits unternommen. Das Angebot: Hebammen, die freiberuflich nur wenige Geburten durchführen und damit die hohen Haftpflichtbeiträge nicht erwirtschaften können, sollen finanziell unterstützt werden. Eine gute Lösung. Doch so einfach ist es nicht. Die Hebammen lehnen den Deal ab. Sie glauben, dass sie dabei Freiheiten einbüßen. „Man will uns Kompetenzen aberkennen. Wir sollen zum Beispiel nicht mehr entscheiden dürfen, ob eine Hausgeburt durchgeführt werden kann, wenn die Schwangere über dem Termin ist“, sagt Kerstin Patzig. Sie hält das Angebot der GKV für inakzeptabel. Während die Verhandlungen auf Eis liegen, verschärft sich die Situation. „Jede vierte Hebamme hat schon aufgehört. Und es werden täglich mehr“, erklärt Grit Kretschmar-Zimmer. Und Nachwuchs ist nicht in Sicht.