Heidenaus Eis-Legende

Mit diesem Eis und diesem Wagen sind Generationen von Heidenauern groß geworden - und werden es immer noch. Nach der Schule, nach der Arbeit, zwischendurch und vorher; in der Woche, am Wochenende. Ein Eis bei Eis-Wolf ging und geht immer. Die Ecke an der Ring- und Dresdner Straße ohne den Eiswagen - unvorstellbar.
Es ist einfach hier, schmeckt und der Eisverkäufer ist freundlich, sagt eine Heidenauerin, die um die Ecke kommt und sich öfters ein Eis kauft. "Warum soll ich sonst wohin, wenn ich es hier so gut habe?", sagt sie. Eine andere Frau, die auf der Haeckelstraße wohnt, war am Vortag in Pirna, da habe sie für zwei Kugeln drei Euro gezahlt. Anni ist mit ihrer Mama und ihrer kleinen Schwester gekommen, die sich am kleinen Verkaufsbrett vorm Fenster hochzieht. Die siebenjährige Anni freut sich auf das Schoko-Vanille-Eis, das schmeckt ihr am besten. Die Mutter wollte ein Eis mit Schlagsahne, aber ausgerechnet heute gibt es keine Sahne. Schokoüberzug aber geht nie aus. Manchmal mixt Andreas Wolf auch eine Johannisbeere-Vanille-Mischung, aber das mögen die Leute nicht so.
Den Wagen habe die Familie seit 1981, sagt er. Das Untergestell stamme von einer Dresdner Firma, den Aufbau habe eine in Pirna gemacht. Damals musste ja alles irgendwie organisiert werden, sagt Andreas Wolf. Er ist 62 und mit dem Schaustellerleben der Eltern großgeworden. Vater Wolf hat 1959 angefangen, nächstes Jahr wird er 90. Viele Jahre sind die Wolfs durch die Gegend gezogen. Mit Losbude und Karussell, beides längst stillgelegt.
Andreas Wolf reicht einem Vater das kleine Eis fürs Kind. In einer großen Waffel. "Damit es nicht kleckert", sagt Wolf. Der Vater hat sich selbst auf Diät gesetzt, freut sich aber über den aufmerksamen Eisverkäufer. Manchmal grummelt Andreas Wolf zwar etwas, aber die, die ihn kennen, verstehen das, für sie ist er trotzdem freundlich.
Das Wolfsche Geheimnis
Das Softeis kostet je nach Größe einen Euro, 1,50 und zwei Euro. Vielen reicht die kleine oder mittlere Portion. Die Preise sind verhältnismäßig gering. Wie viel Gramm es jeweils dafür gibt, verrät Andreas Wolf nicht. "Das darf ich nicht sagen, das ist geheim." Man weiß bei ihm immer nicht so genau, ob er so viel Respekt vor seinem Vater hat, der das wirklich verbietet oder er es einfach nicht sagen will. Das ist wohl Teil der Wolfschen Legende.
Acht Monate Eisverkäufer, vier arbeitslos
Warum das Eis preiswert ist? "Kalkulation", sagt Wolf junior vielsagend. Klar, der Preis ist immer kalkuliert. Bei Wolfs dürften zwei Dinge eine Rolle spielen: Erstens zahlen sie zwar Pacht für die Fläche, aber der Zirkuswagen ist ihrer und längst abgezahlt. Es entfällt also der Posten Miete. Zweitens geht Andreas Wolf zwischen November Februar in die Arbeitslosigkeit und bei einer täglichen Öffnungszeit von fünf Stunden hält sich sein Lohn wahrscheinlich auch in Grenzen. Weitere Beschäftigte gibt es nicht.
Heute war ein durchwachsener Tag, sagt Andreas Wolf. Nicht mal die Stammgäste aus dem Betreuten Wohnen an der Elbstraße. Die mögen das Eis auch wegen des Platzes drumherum. Sie kommen gut mit Gehhilfen oder Rollstuhl, und wer sich setzen will, vier Tische mit Stühlen stehen auch da. Bei schönem Wetter ist schwer Platz zu bekommen. Morgen Nachmittag steht Andreas Wolf wieder im Zirkuswagen und verkauft Eis. Bis Ende Oktober.