Heidenau: Das erste Foto des holländischen Zwangsarbeiters

Die Schreiber denken meist nicht daran, doch Tagebücher sind einzigartige Dokumente, die das oft erst nach dem Tod der Schreiber werden. So ist es auch mit dem Tagebuch von Jan Deremaux. Der holländische Kriegsgefangene hatte es zwischen Januar 1944 und Mai 1945 in Heidenau geschrieben. Es lag lange bei seiner Familie, bis sein Sohn Charles es vom Niederländischen ins Englische übersetzte und der Stadt Heidenau übergab. Schrittweise, unter anderem durch Gymnasiasten, wurde es ins Deutsche übersetzt. Dabei soll es nicht bleiben. Der Pirnaer Akubiz-Verein bereitet eine Veröffentlichung als Buch vor und nimmt das zum Anlass, weiter zur Zwangsarbeit während des Zweiten Weltkrieges zu forschen. Nun gibt es ein erstes Ergebnis.
Die Vereinsmitglieder haben unter anderem im Hauptstaatsarchiv Dresden Akten zu den im Tagebuch genannten Heidenauer Betrieben durchgearbeitet. Neben Bedarfsmeldungen für ausländische Arbeitskräfte finden sich dort beispielsweise Zahlungsaufstellungen für Kriegsgefangenenlager, Namenslisten von Zwangsarbeitern und Krankenkarteien, sagt Projektleiterin Franziska Smykalla. "Da aber nur noch wenig offizielle Akten zu den Fremd- und Ostarbeitern in Heidenau existieren, ist das Tagebuch als Quelle, die Einblick in den Alltag der Zwangsarbeiter sowie den Umgang der lokalen Betriebe mit ihnen gibt, umso wichtiger."
Im Heidenauer Archiv gibt es aus der Zeit der Zwangsarbeiter während des Nationalsozialismus nur ein einziges Bild, das vermutlich französische Kriegsgefangene beim Schnee schippen in der Nähe des Bahnhofs zeigt. Umso wertvoller sind zwei Fotos, die der Pirnaer Verein jetzt von einem niederländischen Forscher zur Geschichte niederländischer Kriegsgefangener während der NS-Zeit bekommen hat. Sie stammen aus der Sammlung eines anderen Kriegsgefangenen, eines zeigt Jan Deremaux am 10. Oktober 1944 in Heidenau. Er ist zusammen mit weiteren Kriegsgefangenen vor einem Kohlenwaggon zu sehen.
Wer weiß was zur Nudelfabrik?
Das zweite Foto zeigt Lastkraftwagen, vermutlich der Maccaroni- und Eierteigwarenfabrik Otto Fischer. Deremaux beschreibt in seinem Tagebuch immer wieder, dass er in dieser Dohnaer Fabrik arbeiten musste.
Otto Fischer hatte 1898 in Mügeln eine Bäckerei gegründet, die er 1909 nach Dohna in die Königstraße 53 (Müglitztalstraße 91) verlegte. 1916 oder 1920, da gibt es unterschiedliche Aussagen, wurde der Standort auf der heutigen Müglitztalstraße ein paar Häuser weiter verlegt. Damit wird der Start der Nudelproduktion verbunden. 1923 übernahm Sohn Johannes die Firma und entwickelte Ende der 1920er-Jahre eine Makkaroni-Vortrocknungs- und Legemaschine. 1968 wurden hier die „Spirelli“ entwickelt. Der Betrieb arbeitete bis 1990 und wurde 2011 abgerissen. "Leider konnten wir bisher noch nicht herausfinden, wo genau dieses Foto aufgenommen wurde", sagt Franziska Smykalla und hofft, dass die Veröffentlichung weitere Hinweise bringt.

Für Charles Deremaux sind diese Fotos die ersten seines Vaters aus dessen Heidenauer Zeit. Der Sohn hat sie sich bereits eingerahmt und vermutet, dass sein Vater sie selbst nie gesehen hat. Jan Deremaux war 1997 noch einmal nach Heidenau gekommen und stand bis zu seinem Tod mit dem damaligen Stadtarchivar im Briefwechsel. Danach nahm der Sohn den Kontakt wieder auf.
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