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Herr Doktor, ist Sportmachen jetzt noch gesund?

Der Dresdner Paul Schmidt-Hellinger arbeitet an der Charité und als Leichtathletik-Verbandsarzt. Hier seine Tipps in den Zeiten von Corona.

Von Tino Meyer
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Laufen geht immer, aber besser allein oder zu zweit als in der Gruppe.
Laufen geht immer, aber besser allein oder zu zweit als in der Gruppe. © Bernd Thissen/dpa

Herr Schmidt-Hellinger, wie erleben Sie die gegenwärtige Situation?

Ich arbeite gerade auf der Intensivstation im Rotationsdienst, das ist schon ein extremer Bereich. Hier dürfen und sollen die Corona-Fälle natürlich nicht hinkommen. Zudem gelten auch bei uns strenge Maßnahmen, zum Beispiel darf nur ein Angehöriger pro Patient auf die Station. Das ist sowohl für uns als auch für die Familien der Patienten eine schwierige Sache, besonders emotional.

Wie sehr sind Sie momentan mit Ihrem Wissen als Sportarzt gefragt?

Als Verbandsärzte haben wir schon viel damit zu tun. Zuerst kamen die Fragen von Athleten aus den Trainingslagern in der ganzen Welt, wie sie sich bei der Rückreise verhalten sollen. Inzwischen geht es eher darum, wie sich das Training jetzt gestalten kann, wenn fest eingeplante Trainingslager im Ausland ausfallen müssen. Wir mussten auch schon Athleten isolieren, die Kontakt mit infizierten Personen hatten, zum Glück gab es noch keinen Fall.

Die Olympischen Sommerspiele in Tokio sollen nach wie vor am 24. Juli beginnen. Wie schwierig ist die Situation für die Athleten?

Darauf gibt es keine generelle Antwort – weil jeder jetzt nach individuellen Lösungen suchen muss. Für die Kaderathleten in der Leichtathletik sollen zum Beispiel Sportplätze gefunden werden, auf denen sie allein trainieren können. Ein Leichtathlet war im Trainingslager in Kenia – und hat seinen Aufenthalt dort verlängert. Und Gesa Krause, unsere derzeit beste Läuferin, ist von Kenia gleich direkt weitergereist ins nächste Trainingslager in die USA. Viel mehr leiden die Sportler aber unter den Wettkampfabsagen, das sind nicht zuletzt auch Einnahmequellen.

Findet Olympia überhaupt statt, was meinen Sie?

Das ist wie mit vielen anderen Themen in diesen Tagen auch, man kann gar keine Prognose abgeben. Aber Tag für Tag wird es wahrscheinlicher, dass die Spiele verschoben werden. Die Frage ist mittlerweile eigentlich nur noch, auf wann. Alles andere erscheint mir eine Wunschvorstellung.

Paul Schmidt-Hellinger, 34, arbeitet in der Abteilung Sportmedizin an der Charité. Zugleich ist er als Verbandsarzt der deutschen Leichtathleten tätig. Der Dresdner ist selbst leidenschaftlicher Läufer.
Paul Schmidt-Hellinger, 34, arbeitet in der Abteilung Sportmedizin an der Charité. Zugleich ist er als Verbandsarzt der deutschen Leichtathleten tätig. Der Dresdner ist selbst leidenschaftlicher Läufer. © privat

Inwieweit wirkt sich die Corona-Krise auf den Hobby- und Freizeitsport aus? Ist es überhaupt ratsam, sich jetzt sportlich zu betätigen?

Ja, auf jeden Fall. Wenn wir bislang regelmäßig Sport gemacht haben, zum Beispiel zwei-, dreimal in der Woche, und das jetzt nicht mehr tun, also keine Bewegung mehr haben, bekommen wir ein Belastungsentzugssyndrom. Und das schwächt unser Immunsystem. Nicht extrem, aber etwas. Denn wir wissen ja: Leute, die etwas Sport machen, also bis zu fünf Stunden in der Woche, haben ein besseres Immunsystem. Das heißt, die Wahrscheinlichkeit, eine Erkältung zu bekommen, ist mit etwas Sport immer geringer als ohne Sport. Und um sich vor Corona zu schützen, empfiehlt es sich also, Sport in gesundem Maße zu machen. Die Frage ist halt nur wie.

Sie sagen es: Nur wie?

Laufen geht natürlich immer. Oder Fahrradfahren. Problematisch könnte es auf den öffentlichen Trimm-Dich-Plätzen werden. Die Leute halten vielleicht noch genügend Abstand. Doch wenn einer an der Klimmzugstange hustet und danach ich daran meine Übungen mache, ist das kritisch. Da gilt es aufzupassen. Wer ein Ergometer besitzt, hat es gut. Der kann auch in den eigenen vier Wänden trainieren. Yoga, Stabi-Übungen, Rücken- und Krafttraining funktionieren ebenfalls zu Hause, nicht zuletzt dank der vielen digitalen Angebote, die jetzt mehr und mehr beworben werden. Außerdem gibt es Thera-Bänder, mit denen man arbeiten kann. Anleitungen für sämtliche Übungen finden sich im Internet.

Wie lässt sich Sportmachen am besten realisieren?

Natürlich am besten alleine, um soziale Kontakte zu vermeiden. Oder mit dem Partner, mit dem man ohnehin immer Kontakt hat. Und wenn ich beim Laufen jemanden zum Quatschen brauche, mit dem ich nicht zusammen wohne, dann verabrede ich mich mit demjenigen zum Telefonieren über Headset. Das Handy haben ohnehin viele beim Laufen dabei.

Und was machen die, die bisher Schwimmen waren oder nicht die geborenen Läufer sind?

Trotzdem mal probieren und langsam anfangen. Eine Minute Laufen, eine Minute Walken, ganz klassisch im Wechsel. Und dann gucken, wie der Körper reagiert. Zu Beginn sollten es auch gar nicht mehr als zehn, 15 Minuten sein.

Noch mal die Nachfrage: Ist es gefährlicher in Zeiten von Corona, Sport zu machen?

Die Wahrscheinlichkeit, eine Erkältung, also einen Infekt der oberen Atemwege zu bekommen, ist deutlich erhöht in den ersten sechs und bis zu 24 Stunden nach einem intensiven Training. Jetzt einen Testmarathon zu laufen, weil der Wettkampf abgesagt wurde, und danach mit der Straßenbahn nach Hause zu fahren, ist natürlich selten ungünstig. Nach intensivem Training ist man generell ein bisschen weniger geschützt vor Erkältungs- bzw. Atemwegsviren. Doch gegen normalen Gesundheitssport ist überhaupt nichts einzuwenden. Wer bislang dreimal 30 Minuten pro Woche aktiv gewesen ist, sollte das auch weiterhin versuchen zu tun. Nur eben nicht mehr im Fitnessstudio. Und den Läufern möchte ich sagen: Nutzt die Zeit für gutes Grundlagentraining statt knallhart einen Trainingsplan durchzuziehen. Wettkämpfe finden jetzt ohnehin keine statt.

Was passiert mit den Viren enthaltenen Tröpfchen, die beim Husten in die Luft geraten? Besteht Ansteckungsgefahr?

Nein, das ist Quatsch. Denn anders als Pollen, die in der Luft herumfliegen, sinken die Tröpfchen ziemlich schnell zu Boden. Ich empfehle, beim Laufen genügend Abstand zu lassen, da kann nichts passieren. Wenn wir gar keinen Sport mehr machen, ist der Schaden noch größer. Damit ist auch niemandem geholfen.

Das Gespräch führte Tino Meyer.

Alle Entwicklungen in der Corona-Krise in unserem News-Blog.