Leere Läden im Zentrum, leblose Fußgängerzonen. Das ist der Gau für jede Stadt. Deshalb startet die Sächsische Zeitung die Kampagne „kauf lokal“, zur Rettung der Innenstädte.
Im Gespräch erklärt Martin Dulig (SPD), Sachsens Minister für Wirtschaft und Arbeit, wie er und seine Familie einkaufen, was die Händler tun können, um im aktuellen Wandel zu bestehen, und was sein Ministerium konkret zur Unterstützung des Handels tut. Dabei gehe es nicht darum, das Internet als Einkaufsplattform zu verteufeln. Aber Online-Händler schöpfen eine Menge Kaufkraft ab, diese wollen die Händler vor Ort wieder in ihre Läden holen. Dafür müssen sie einiges tun.
Herr Dulig, kaufen Sie im Internet?
Relativ wenig, aber auch. Ich bin durchaus jemand, der bewusst sein Buch im Buchladen in Moritzburg kauft, der aber auch Preise im Internet vergleicht und zum Teil auch dort bestellt.
Wie viel macht das etwa anteilig bei Ihren Einkäufen aus?
Auf die Familie bezogen, weil ich relativ selten einkaufe, schätze ich: ein Drittel im Internet und zwei Drittel in Geschäften.
Viele Händler klagen über die Konkurrenz im Netz. Wie stehen die sächsischen Einzelhändler da?
Der Einzelhandel gehört zu den größten Dienstleistungsbranchen mit einer steigenden Tendenz. Es ist nicht so, dass der Einzelhandel – analog und online – zurückgeht. Die Anzahl der Beschäftigten und der Umsatz sind in den letzten Jahren gestiegen. Hatte der Handel 2010 etwa 1,4 Millionen sozialversicherungspflichtig Beschäftigte, sind es jetzt gut 100 000 mehr.
In der Statistik sind auch Internethändler wie Amazon in Leipzig enthalten. Ist dort die Steigerungsrate höher?
Ja. Im Versand- und Internethandel sind die Beschäftigtenzahlen von etwa 4 000 im Jahr 2010 auf nun gut 7 000 gestiegen. Man sieht aber auch, wenn man durch die Städte geht, dass die Verkaufsflächen der Läden zunehmen. Das ist vor allem in den Ballungszentren sichtbar. Das Gegenteil passiert aber in den ländlichen Bereichen. Da schließen Geschäfte, weil sie sich nicht halten können. Das ist manchmal eine Frage von wenigen Kilometern. Beispielsweise Dresden und das Umland wie Meißen, Pirna – dort kämpfen manche ums Überleben.
Wo ist die negative Entwicklung am meisten zu sehen?
In der Region Dresden verzeichnen drei Landkreise zurückgehende Verkaufsflächen. Am stärksten betroffen ist die Sächsische Schweiz. In den großen Städten entwickelt sich der Handel gut. Im ländlichen Bereich schlägt der demografische Wandel zu, und das wirkt sich auf die Kaufkraft aus.
Bedeutet das, irgendwann kaufen alle fast nur noch im Internet?
Ich gehe davon aus, dass es in fünf oder zehn Jahren weiterhin herkömmliche Läden geben wird. Es ist notwendig, weiterhin den Kundenkontakt zu haben, den Service und auch das kulturelle Umfeld. Eine Buchhandlung ist immer noch eine Buchhandlung. Und ich brauche auch den Tante-Emma-Laden als sozialen Ort. Trotzdem wissen wir, die Entwicklung zu online wird weiter zunehmen. Die Frage ist nur, wie sich der Einzelhandel darauf einlässt. Das kann man nicht getrennt betrachten. Ungefähr ein Drittel der Einzelhändler hier ist bereits auch im Internet.
Also sollten sich alle Händler eine Internetseite zulegen?
Durch die Diskussion der letzten Jahre ist im Einzelhandel bereits die Erkenntnis gereift, dass die Strategie mehr sein muss als eine Internetseite. Händler müssen die Angebote im Internet stärken und Kundenbeziehungen im Laden pflegen. Viele Menschen brauchen das fühlbare Erlebnis. Das ist auch gut so. Die wollen nicht Kleidung im Internet kaufen und ein Buch anfassen, riechen oder darin blättern. Das zu verbinden, ist die Aufgabe des Einzelhandels. Das kann kein Staat übernehmen.
Was tun Sie und Ihr Ministerium dann, um das Ladensterben zu verhindern?
Wir sind im regelmäßigen Gespräch mit dem Einzelhandelsverband. Und wir stellen die Infrastruktur zur Verfügung. Wenn Händler mithalten wollen, brauchen sie schnelles Internet. Das muss es auch im Erzgebirge, in der Lausitz und in Nordsachsen geben. Teil unserer Breitbandstrategie ist, dass Sachsen bis 2018 flächendeckend versorgt ist. Und wir haben den Wettbewerb „Ab in die Mitte“, das ist Wertschätzung und schafft Öffentlichkeit. Es gibt kein spezielles Förderprogramm, ihnen stehen alle Fördermöglichkeiten zur Verfügung, wie anderen klein- und mittelständischen Unternehmen auch. Der Einzelhandel hat aber eine besondere Bedeutung für die Menschen – die Versorgung. Deshalb gibt es ein kommunal- und landespolitisches Interesse, dass er funktioniert.
Was muss getan werden, damit die Läden auch auf dem Land bleiben?
Es gibt beispielsweise ein Projekt von Konsum. Die gehen bewusst wieder in die ländlichen Regionen und machen dort kleine Läden auf. Ich würde mir auch wünschen, dass das Thema Zuwanderung eine Chance ist. Wir reden immer vom Tante-Emma-Laden. Warum nicht auch mal ein Onkel-Achmed-Laden? Es gibt viele Geflüchtete, die ein Geschäft hatten. Sie könnten im ländlichen Bereich ihren Laden aufmachen. Vielleicht auch mit anderen Lebensmitteln neben Butter, Salami und Gouda.
Vor einigen Jahren wurden lokale Händler von Filialisten erdrückt. Seit einer Weile kaufen viele im Internet. Was sollten Ladeninhaber nun konkret tun?
Große Ketten waren die erste Kampfansage an den klassischen Einzelhandel. Das hat dazu geführt, dass dieser sich stärker spezialisieren musste. Ketten haben ein uniformes Angebot, egal, ob ich in Chemnitz oder Meißen kaufe. Dadurch hat sich für den klassischen Händler die Chance ergeben, sich mit einem speziellen und regionalen Angebot stärker zu etablieren. Die zweite Kampfansage ist die Digitalisierung. Es ergibt keinen Sinn, die Augen davor zu verschließen. Die Händler müssen ihre Geschäftsmodelle anpassen.
Bedeutet das, Händler dürfen sich Aussagen nicht mehr leisten wie: „Wenn es da nicht liegt, haben wir es nicht“?
Wir kennen wahrscheinlich alle Verkäufer, die das Verkäufergen haben und die, für die der größte Feind der Kunde ist. Das Geschäftsmodell lautet Service. Da kann man diese Antwort nicht zulassen. In der digitalen Zeit ist es eine Frage von 24 Stunden, die Ware doch zu haben. Nur Kundenpflege und Service können helfen, sich diesem Übergang zu stellen. Das ist der entscheidende Unterschied zur Internet-Plattform.
Wenn jemand seit 35 Jahren sein kleines Modegeschäft hat, wie soll der sich umstellen? Oder war es das dann?
Die Einzelhändler sind selber verantwortlich. Wir können die Rahmenbedingungen schaffen, die sie benötigen, um neue Wege zu gehen. Es finden viele Beratungen und Unterstützungen durch Verbände und Banken statt. Aber eine Vollkaskoversicherung gibt es nicht. Der Einzelhandel war immer Veränderungen ausgesetzt. Es sind immer die weitergekommen, die Veränderungen produktiv beantwortet haben, und die untergegangen, die sich dem ergeben haben.
Haben Sie negative Erfahrungen im Laden gemacht und dann online bestellt?
Ja. Es gibt ja diese Situationen, dass es im Laden nicht immer alles gibt. Dann weiche ich auch mal aufs Internet aus.
Das Gespräch führte Andreas Weller