Merken

Herrnhuter Kirchensaal erhält nationalen Status

Das Landesamt für Denkmalpflege hat dies bestätigt. Das könnte der Brüdergemeine künftig Vorteile bringen.

Teilen
Folgen
© Archiv/Peter Isterheld

Von Anja Beutler

Wer den Herrnhuter Kirchensaal von innen kennt – erkennt sie alle. Oder besser: Er erkennt die Handschrift der Herrnhuter Brüdergemeine in allen brüderischen Kirchen weltweit. Denn der Bau von Siegmund August von Gersdorff aus der Mitte des 18. Jahrhunderts hat Maßstäbe weltweit gesetzt. „Und das ist bis heute so geblieben – in Europa und in Übersee“, betont der Herrnhuter Pfarrer Peter Vogt. Er hat erst vor Kurzem zur Entwicklungsgeschichte recherchiert und Bilder von Kirchensaalbauten aus aller Welt zusammengetragen, auf denen man deutlich erkennen kann, wie stark sich alle auf diesen einen Ursprung beziehen. Und dieser Ursprung, diese architektonische Keimzelle ist Herrnhut.

Das hat vor einigen Wochen auch das Landesamt für Denkmalpflege in Dresden erkannt und anerkannt – und dem Gebäude nun einen besonderen Status verliehen: Der Kirchensaal zählt jetzt offiziell als Denkmal nationaler Bedeutung. Damit ist auch klar, dass der Erhaltung des Kirchensaales mehr Bedeutung beigemessen wird als bei Denkmalen ohnehin üblich. Die Brüdergemeine hofft nun, dass sich dies auch finanziell auszahlt. Denn bis 2022, zur 300-Jahr-Feier von Herrnhut, soll der Kirchensaal nicht nur saniert sein. Ziel ist es zum einen, die Ursprungsversion aus den Zeiten vor dem Stadtbrand vom 8./9. Mai 1945 wieder herzustellen. Zum anderen soll das Gebäude aber auch Möglichkeiten für eine moderne Gemeindearbeit bieten. „Das Gebäude ist jetzt im Zustand von 1957“, erklärt Angelika Doliv, die den Verein Freunde und Förderer des Herrnhuter Kirchensaals anführt. Denn nach dem Feuer war mehr oder minder nur ein Gerippe des Gebäudes stehen geblieben, auf dem man dann den Kirchensaal wieder aufgebaut hat. Allerdings hat man damals, zu DDR-Zeiten, nicht alles originalgetreu erneuert und teilweise minderwertiges Baumaterial eingesetzt. Zudem fehlen noch immer die alte Schwesternempore und die sogenannte Lamperie – die Holzvertäfelung an den Wänden.

Auch Brüdergemeine-Vorsteherin Andrea Kretschmar hofft, dass sich das neue Etikett gerade bei den Ausbauplänen positiv auswirken wird: „Wenn wir beispielsweise Bundesmittel für die Sanierung beantragen, öffnet uns diese Bezeichnung hoffentlich Türen“, sagt sie. Und Geld für die Bauarbeiten braucht die Gemeinde einiges: Allein 1,5 Millionen Euro sind für Baukosten veranschlagt, weitere 600 000 Euro für die Sanierung der Orgel und etwa 200 000 Euro für die Ausstattung der angrenzenden Gemeinderäume.

Auch der Herrnhuter Architekt Daniel Neuer hat mit Freude vernommen, dass es nun in Herrnhut ein zweites Gebäude mit diesem Prädikat gibt und die Denkmalexperten aus Dresden den Titel zuerkannt haben. „In Herrnhut steht der älteste, noch heute existierende Kirchensaal“, betont er. Persönlich kennt er sich mit diesem Thema schon seit längerem aus: „Das Zinzendorfschloss hat seit einigen Jahren ebenfalls diesen Status und der ist entscheidend, wenn man sich bei einigen Bundesprogrammen um Fördergelder bewerben will“, erklärt der Mann, der fachlich für den Aufbau des Schlosses mitverantwortlich zeichnet. Seiner Kenntnisse nach ist die Zahl solcher Denkmale im Kreis Görlitz gering: „Mir ist noch vom Haus Schminke in Löbau und der Burgruine in Oybin bekannt, dass sie ebenfalls diesen Rang haben“, sagt er.

Warum der Herrnhuter Kirchensaal eine solche Bedeutung hat, ist leicht zu erklären: Die Brüdergemeine hat im 18. Jahrhundert ein Konzept entwickelt, wie die Kirchensäle aussehen sollen. Es handelte sich schließlich um ein in Stein gegossenes Glaubensbekenntnis. „Im Herrnhuter Kirchensaal ist dieses Konzept erstmals vollständig entwickelt“, resümiert Pfarrer Vogt die Geschichte und betont: „Dabei geht es immer um mehr als nur um Herrnhut.“ Typisches findet sich vor allem im Innenraum – die äußeren Erscheinungsbilder der Gebäude sind weltweit durchaus vielfältig. Typisch sind die weiße Farbe im Saal, die Emporen, der Liturgietisch, der den Altar ersetzt, die Geländer und Treppenhäuser, aber vor allem auch die schlichten weißen Bänke, zählt Vogt Beispiele auf. „Selbst in Neubauten wie 1962 in Berlin-Neukölln oder im Haus der Religionen in Bern sind die Herrnhuter Merkmale aus der Anfangszeit noch immer zu erkennen“, sagt Peter Vogt. Er selbst wird bei einem Wochenendseminar um den Gründungstag der Stadt Mitte Juni erneut seinen Vortrag zur Vorbildfunktion des Kirchensaales halten. Die Ostdeutsche Sparkassenstiftung hat er mit seinen Ausführungen jedenfalls stark beeindruckt: Ende 2017 überreichte sie einen Scheck zur Sanierung.