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Hetzer und Kinderschänder

Zum dritten Mal muss sich das Gericht mit einem sexuellen Missbrauch beschäftigen. Der Angeklagte weiß von nichts.

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© dpa

Von Jürgen Müller

Meißen. Verdrängen, aussitzen, vergessen – das ist die Taktik eines 44-jährigen Meißners. Der Vorwurf gegen den Mann wiegt schwer. Der Arbeitslose soll in seiner Wohnung ein 13-jähriges Mädchen, das ein Kind von Bekannten ist und des Öfteren bei dem Angeklagten und dessen Frau weilte, sexuell missbraucht haben. Er soll sich kurz nach Mitternacht an das Bett des Kindes herangeschlichen und es dabei an verschiedenen Körperstellen unsittlich berührt haben. Das Kind hatte mit dem Handy die Polizei gerufen. Die Aussagen des Mädchens sind konstant. Eine Aussage vor Gericht wollte die Richterin dem Kind ersparen, hoffte wohl auf ein Geständnis des Angeklagten, hatte die 13-Jährige deshalb zunächst nicht als Zeugin geladen. Doch er gestand nichts. Stattdessen gab er an, total betrunken gewesen zu sein, sich an nichts mehr erinnern zu können. So wurde ein zweiter Termin angesetzt, bei dem die 13-Jährige nun doch als Zeugin vernommen werden sollte. Wer diesmal nicht kam, war der Angeklagte. Er glaubte wohl, sich der Verhandlung entziehen zu können, legte einen Krankenschein eines seiner Kinder vor. Er müsse zu Hause bleiben und das Kind pflegen, ließ er ausrichten. Bei seinem Pflichtverteidiger, der ihm zwischenzeitlich zugeordnet wurde, hatte er sich auch nicht blicken lassen.

Das Gericht verhängt per Strafbefehl wegen sexuellen Missbrauchs eines Kindes eine Gefängnisstrafe von zehn Monaten, die zur Bewährung ausgesetzt wird. Von sich aus legt der Verteidiger vorsorglich Einspruch ein. Nun wird doch noch verhandelt. Diesmal ist der Angeklagte da. Doch auch diesmal hatte er es nicht für nötig gehalten, sich bei seinem Verteidiger zu melden. Der sieht ihn 30 Minuten vor Verhandlungsbeginn das erste Mal. Und der Angeklagte bleibt dabei: Er könne sich an nichts mehr erinnern, wisse nur noch, dass er in der Küche Bier tank und könne sich erst wieder erinnern, als ihn seine Frau weckte, weil die Polizei vor der Tür stand, sagt er. Er akzeptiere aber die Strafe, „damit er seine Ruhe habe“, trägt der Anwalt vor. Da nimmt einer eine zehnmonatige Haftstrafe in Kauf, obwohl er die Tat gar nicht begangen hat? Richterin und Staatsanwältin machen dem Mann klar, dass das nicht geht. Tatsächlich war der Mann zur Tatzeit betrunken. Eine Blutprobe ergab einen Alkoholwert von 2,21 Promille. Das ist allerdings nicht viel für den alkoholgewöhnten Meißner. Wenn er sich betrinke und dann Straftaten begehe, käme für ihn auch die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt infrage, macht die Staatsanwältin deutlich.

Nach einem Gespräch mit seinem Anwalt zieht der Angeklagte den Einspruch gegen den Strafbefehl zurück. Damit gesteht er die Tat praktisch ein. Mit den zehn Monaten ist er da noch gut bedient. Welche Auswirkungen die Tat auf das geschädigte Kind hat, darüber macht er sich offenbar überhaupt keine Gedanken. „Meine Tochter leidet noch heute unter den psychischen Problemen, ist in sich gekehrt, verstört, ganz anders als vorher. Bis zu dieser Tat war sie ein aufgewecktes, lebenfreudiges Mädchen“, so die Mutter. Die Familie des Kindes hat den Kontakt zu dem Mann längst abgebrochen. Der wurde auch schon wegen Volksverhetzung zu einer Geldstrafe verurteilt. Er hatte u. a. ein Hitlerbild gepostet mit der Unterschrift: „Vermisst seit 1945. Adolf, bitte melde dich, Deutschland braucht dich!“ Nach der Verurteilung braucht sich der Meißner wohl nicht mehr bei seinen Gesinnungsgenossen blicken zu lassen. Die fordern schließlich: „Todesstrafe für Kinderschänder.“