Freital
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Hier verzichten Jugendliche aufs Handy

Seit 25 Jahren reist der Nachwuchs ins Ferienlager nach Grillenburg, obwohl es dort weder WLAN noch Fernsehen gibt.

Von Verena Schulenburg
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Im Jugendfreizeithof geht es um mehr als Zeitvertreib. Viele kämen deshalb jedes Jahr, sagt Chefin Christine Schröder.
Im Jugendfreizeithof geht es um mehr als Zeitvertreib. Viele kämen deshalb jedes Jahr, sagt Chefin Christine Schröder. © Karl Ludwig Oberthür

Weit ab vom Trubel der Stadt ist es gelegen, in der Stille des Tharandter Waldes. Stille kennt dieses Haus dennoch nicht. Nicht, wenn gerade zig Jungen und Mädchen auf einmal durch die Flure toben. Der Jugendfreizeithof in Grillenburg ist der Ort, an dem Kinder und Jugendliche von überall her zusammenkommen, zum Kennenlernen, Quatschen, Abenteuer erleben. Es ist der Ort für Ferienlager in der Region. In diesem Jahr feiert die Einrichtung 25-jähriges Bestehen.

„Wir haben junge Leute, die kommen jedes Jahr zu uns, erst als Kinder, irgendwann als Jugendliche“, erzählt Christine Schröder. Die 62-Jährige ist Vorsitzende des Vereins Chance 93, dem Träger der Einrichtung. Sie leitet das Haus seit mehr als 20 Jahren. Auch wenn das Publikum regelmäßig wiederkommt, dürfte die gebürtige Dresdnerin wohl selbst der treueste Übernachtungsgast sein. Fast alle Ferienlager, die hier über das Jahr verteilt stattfinden, begleitet sie. „Im Zimmer 212 steht mein Bett“, sagt Schröder schmunzelnd. Dieses nutze sie für etwa sechs Wochen im Jahr. Hochgerechnet auf die Zeit, die Schröder schon in Grillenburg arbeitet, seien das etwa anderthalb Jahre.

Nicht nur Christine Schröder lebt ihre Arbeit im Jugendfreizeithof. „Dieses Haus ist das, was die Leute hier daraus machen“, sagt sie. Damit meint die Chefin nicht nur das vierköpfige Team der Einrichtung, sondern auch etliche Unterstützer, die mit anpacken, wenn Hilfe gebraucht werde. Da ist beispielsweise dieser ältere Herr im Ort, der immer da sei, wenn kleinere Reparaturen anstehen, oder die jungen Leute aus der Region, die uneigennützig die Ferienlager in Grillenburg begleiten, weil sie vor Jahren selbst als Kinder hier Spaß in der Natur hatten. „Ohne diese Hilfe gäbe es uns nicht“, macht Christine Schröder deutlich.

Ort der Begegnung für Jugendliche

Der Gedanke, mit dem der Jugendfreizeithof einst aufgebaut wurde, bestehe noch heute. Nur die Umstände seien schwieriger geworden, so Schröder. Mit dem Wegfall von Jugendklubs und Treffpunkten nach der Wende wurde 1994 der ehemalige Dreiseithof in Grillenburg vor allem mit der Idee ausgebaut, für junge Leute wieder einen Ort der Begegnung zu schaffen. Das leiste die Einrichtung heute noch. Sie sei mittlerweile aber vor allem auf Übernachtungen angewiesen.

Der Verein Chance 93, der mit seiner Gründung 1995 die Leitung des Hauses vom Kreisjugendring Freital übernahm, ist ein anerkannter Träger der freien Jugendhilfe des Landkreises und wird auch darüber finanziell unterstützt. Für etliche Projekte aber und auch die Pflege des Geländes benötige die Einrichtung Freiwillige, ebenso Spenden und Sponsoren. „Wir sind sparsam. Deshalb haben wir es bis jetzt immer wuppen können“, sagt Schröder. Dennoch müsse auf jeden Cent geschaut werden. „Eigentlich funktionieren wir wie ein kleiner Wirtschaftsbetrieb“, erklärt sie. Geld kommt über geförderte Projekte mit Schulklassen, Vermietungen an Familien und andere Interessierte über die Wochenenden und natürlich über Ferienlager und internationale Jugendbegegnungen in die Vereinskasse. Nur auf Grundlage dieses Finanzierungsgefüges könne das Haus als solches bestehen.


Kein WLAN und keine Glotze

Um ausreichend junges Publikum müsse sich das Team des Jugendfreizeithofes aber dagegen nicht sorgen. „Das Ferienlager ist kein Auslaufmodell“, sagt Christine Schröder. Das Angebot, für einen gewissen Zeitraum Kindern und Jugendlichen unter einem Dach gemeinsame Freizeit zu ermöglichen, sei vor 25 Jahren genauso nachgefragt gewesen wie heute – und das aller Digitalisierung zum Trotz. Dieser verschließt sich die Jugendeinrichtung sogar bewusst. „Bei uns gibt es kein WLAN und auch keinen Fernseher“, sagt Christine Schröder. Bei bestimmten Aktivitäten müssten die Handys sogar aus bleiben. Die jungen Leute im Alter von sieben bis maximal 16 Jahren, die je nach Altersgruppen hierher kommen, sollten schließlich etwas gemeinsam erleben, anstatt stundenlang am Handy zu daddeln oder vor der Glotze abzuhängen. „Dann könnten sie auch Zuhause bleiben“, sagt die Chefin. Die Kinder und Jugendlichen, die immer wieder ins Ferienlager nach Grillenburg wollen, wüssten darum und dennoch halte dieser Hauskodex sie nicht vom erneuten Besuch ab.

Der Jugendfreizeithof leiste aber noch mehr als bloßen Zeitvertreib. Regelmäßig integriert die Einrichtung Kinder mit Handicap oder Jugendliche aus sozial schwachen Familien in ihre Projekte. „Wir beobachten, dass diese Kinder hier in ihrer Persönlichkeit gestärkt werden“, erzählt Schröder. Zu Ostern nimmt das Haus zum vierten Mal infolge Kinder aus Pflegefamilien auf. Für die Pflegeeltern sei es eine Entlastung und für die Kinder eine schöne Zeit. Zu sehen, wie diese hier ihr kleines Glück finden, gebe Kraft, weiterzumachen.

Der Jugendfreizeithof sucht ab April einen Sozialpädagogen und hat ab August/September eine Stelle für ein Freiwilliges Ökologisches Jahr zu vergeben.

Sie wollen noch besser informiert sein? Schauen Sie doch mal auf www.sächsische.de/freital und www.sächsische.de/dippoldiswalde vorbei.

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