Merken

Hier wird geholfen

Auf der Lindenauer Straße hat ein besonderer Bürgertreff geöffnet. Kostenfreie Beratungen gehören ebenso zum Angebot wie ein Wissenscafé.

Teilen
Folgen
© Matthias Schumann

Von Ulrike Keller

Coswig. Der hellblaue Schriftzug „Stadtteilladen“ im Fenster weckt schon am Tag der Eröffnung bei den Ersten Interesse. Hauptorganisatorin Susanne Krüger von der JuCo, Osman Nasr von der Stadt und Projektleiterin Karla Israel stehen für Fragen bereit und werden prompt angesprochen. Eine russlanddeutsche Mittdreißigerin schaut mit ihrer Tochter vorbei. „Dürfen denn auch Kinder kommen?“, fragt sie. „Natürlich“, lautet die Antwort. Einen jungen Mann aus Pakistan macht der Aushang zum „Wissenscafé“ neugierig. Was das genau sei, möchte er wissen.

Bei Karla Israel ist er goldrichtig. Sie bietet den Kurs im Auftrag der Initiative Coswig – Ort der Vielfalt dienstags und donnerstags an. Von 16 bis 19 Uhr vermittelt sie Allgemeinwissen rund um das Leben in Deutschland. „Ich habe Ideen, worum es grob gehen wird“, sagt sie und nennt deutsche Bräuche, traditionelles Handwerk und heimische Pflanzen als Themenschwerpunkte. In jedem Fall möchte sie aber auf die Bedürfnisse der Teilnehmer eingehen. Das russlanddeutsche Mädchen etwa würde gern stricken lernen, der Pakistani sein gutes Deutsch weiter verbessern. Und das ist ohne Weiteres machbar. Karla Israel schwebt ohnehin vor, dass man auch gemeinsam Zeitung liest, Handarbeiten macht und kocht.

Darüber hinaus plant sie Ausflüge, zum Beispiel in die Radebeuler Produktionsstätte der Teehaus GmbH. Dort gibt es einiges über die in Deutschland verbreitete Teekultur und die Teeproduktion zu erfahren. Doch Karla Israel denkt bereits weiter. Bei dieser Gelegenheit lernen die Teilnehmer gleich einen Betrieb kennen, der für ein Praktikum infrage kommen könnte. Als möglicher Einstieg in die Arbeitswelt.

Den Kontakt hat Osman Nasr hergestellt. Als Coswigs Wirtschaftsförderer kennt er die Unternehmen der Region. Aber mehr noch. Auf seinem Schreibtisch sind wichtige bürokratische Vorbereitungen für den Stadtteilladen zusammengelaufen. Als Vertreter der Stadtverwaltung stellte er gemeinsam mit der JuCo den umfassenden Förderantrag beim sächsischen Innenministerium, das ein spezielles EU-Programm anregte und auflegte. Ein Programm, das sich auf den sozialen Aspekt von Stadtentwicklung konzentriert, nachdem lange Zeit das Augenmerk nur auf baulichen Maßnahmen lag.

Voraussetzung für die Förderung war, dass eine Stadt ein überzeugendes Konzept vorlegt für ein Gebiet mit einem überdurchschnittlich hohen Anteil an einkommensschwachen Bewohnern. Im Landkreis Meißen ist das nur Meißen gelungen – und Coswig. Für Projekte im Wohngebiet Dresdner Straße/Moritzburger Straße stehen nun bis Mitte 2021 rund 450 000 Euro zur Verfügung. 80 Prozent der Projektgelder stammen dabei von der EU, 15 Prozent vom Freistaat Sachsen und die restlichen fünf Prozent von der Stadt Coswig.

„Wir wollten auch für die Menschen im Bereich der Neubaugebiete etwas tun“, erzählt Osman Nasr: „Kostenfreie, unkompliziert zu erreichende Beratungsangebote schaffen, das Zusammenleben verbessern.“ Denn genau das fehlte, wie ein Zukunftsworkshop der Stadt vor knapp zwei Jahren ergab und auch eine Bürgerbefragung noch einmal bestätigte.

So existierte bislang kein Treffpunkt für Familien mit und ohne Migrationshintergrund, wo man seine Scheu verlieren, Fragen stellen und sich austauschen kann. Und noch eine große Lücke wurde deutlich, erklärt Osman Nasr: „Viele Leute finden den Weg in die Beratungsstellen nicht, weil sie dort in der Regel schon mit dem fertig ausgefüllten Antrag erscheinen müssen.“ Gerade das Ausfüllen bereitet aber etlichen Probleme. Genau da setzen nun gezielt Angebote im Stadtteilladen auf der Lindenauer Straße 29 an. Jeden Montagnachmittag von 13 bis 16 Uhr sowie die ersten drei Mittwochvormittage im Monat ist das Büro zur Bürgerberatung geöffnet. Darum kümmert sich die JuCo. „Bei allen sozialen Fragen gibt es Hilfe“, versichert Mitarbeiterin Susanne Krüger. Natürlich werde, falls nötig, an die zuständigen Fachberatungsstellen verwiesen, aber beispielsweise für den Gang zur Schuldnerberatung erst einmal alles Wichtige an Belegen geordnet. Susanne Krüger leitet in diesen Räumlichkeiten auch die Anlaufstelle für Bürger. Das Quartiersmanagement, wie es modern heißt, steht an drei Tagen pro Woche offen: dienstags ganztägig, am Mittwochnachmittag sowie am Freitagvormittag. Hier sind auch Leute aus dem Wohngebiet willkommen, die selbst eine Idee zu einem Projekt haben, etwa ihr Fachwissen in einem bestimmten Bereich gern an Arbeitssuchende weitergeben möchten. Die Ersten haben sich schon gemeldet.

In Vorbereitung ist gegenwärtig das Angebot „Verbraucherschule Wohnen“. Noch diesen Herbst soll es starten und Themen behandeln wie Mülltrennung, Hausordnung und – ganz wichtig – die Nebenkosten. „Das Jobcenter übernimmt nicht alles“, weiß Osman Nasr. „Wir wollen verhindern, dass sich Leute dadurch verschulden.“ Um die zahlreichen Angebote des Stadtteilladens bekanntzumachen, weisen ab sofort öffentlich ausgelegte Flyer, aber auch verschiedene kommunale Anlaufstellen die Coswiger verstärkt darauf hin.