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Hightech auf 200 Pfählen

In Ullersdorf hat das Lackierquartier eröffnet. Hier ist nicht nur der Untergrund ungewöhnlich.

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© Thorsten Eckert

Von Thomas Drendel

Ullersdorf. Manch einer war skeptisch, ob sich eine Bäckerei und eine Lackiererei in unmittelbarer Nachbarschaft vertragen. Es machte sogar der Satz von rot lackierten Brötchen die Runde. Da wusste aber noch niemand von den Plänen von Sebastian Lehmann, dem Inhaber der Firma Lackierquartier. Nur die beste umweltfreundlichste Technik lautet sein Motto. Und in der Tat, wer jetzt vor der Halle an der Ullersdorfer Dorfstraße steht, vermutet garantiert keine Lackiererei: Kein Geruch von Lösungsmitteln, kein Staub, kein Lärm.

Begonnen hat alles vor neun Jahren. „Damals hatten wir die ersten Ideen zu dem Projekt. Meine Familie betreibt ja seit der Wende in Ullersdorf eine Karosseriewerkstatt. Dann kam die Mechanik dazu, damit waren wir eine vollwertige Autowerkstatt. Bis auf die Lackiererei. Diese Aufträge haben wir an Fremdfirmen vergeben“, sagt Sebastian Lehmann. Vor neun Jahren also die Idee, das gleich mit zu machen. Ein Stück Land war neben dem elterlichen Betrieb auch noch frei und so konnte es losgehen. Doch damit begannen auch die Schwierigkeiten. „Wir befinden uns hier ja in einer Talsenke. Der Untergrund ist sehr feucht. Erst in sechs Meter Tiefe ist fester Baugrund, deshalb mussten unter der Halle 200 Pfähle in den Boden gerammt werden. Schon das hat die Baukosten nach oben getrieben.“

Gute Zusammenarbeit mit Radeberger Rathaus

Doch das war nicht alles. Unter der Halle fließt der Bach in Rohren durch. Bei einer der ersten Baubesprechungen fiel den Planern auf, dass der Beton der Röhren schon zerbröselte. „Auf dem Stück mussten deshalb auch neue Rohre verlegt werden. Die Kosten haben wir uns mit der Stadt Radeberg geteilt. Überhaupt sind wir sehr dankbar für die gute Zusammenarbeit mit dem Radeberger Rathaus sowie dem Bauamt. Die Mitarbeiter haben uns sehr unterstützt“, sagt der junge Firmenchef. Nach elf Monaten Bauzeit stand die Halle dann endlich.

Mindestens genau so viel hat er in die Suche nach der geeigneten Technik investiert. Sie waren auf Messen unterwegs, haben sich mit Fachleuten beraten. „Wir liegen hier ja mitten in Ullersdorf, nebenan ist der Bäcker, gegenüber die neue Mehrzweckhalle, ringsum stehen Wohnhäuser und die Grundschule. Deshalb galt für uns: kein Lärm, keine Dämpfe kein Staub dürfen nach außen dringen“ Jetzt ist die Werkstatt mit einem Entlüftungssystem ausgestattet, das in der Umgebung schwer noch einmal zu finden ist. Schleifstaub wird direkt neben dem Arbeitsplatz durch Schleifwagen abgesaugt sowie Gitter in den Boden gesaugt und dann in mehrstufigen Filtern gereinigt. Damit nicht genug: Die Wärme der Abluft wird ebenfalls wiedergewonnen. „So sparen wir immense Heizkosten und somit den CO²-Ausstoß.“

Nichts darf nach draußen dringen

Herzstück ist aber die Lackierkabine selber, eine innovative und energiesparende Kabine, in die selbst Transporter oder kleine Busse reinpassen. Hier werden unter anderem die Karossen lackiert. Auch hier gilt: Nichts darf nach außen dringen. Über die Deckenfläche wird gefilterte Frischluft eingeführt, über Gitter am Fußboden wird sie angesaugt. Die Kabine ist genauso wie die 425 Quadratmeter große Halle hell erleuchtete. „Wir brauchen viel Licht, das sind alles LED-Leuchten, die exakt das Tageslicht abbilden“, sagt Sebastian Lehmann. Autos müssen deshalb nicht wie in den meisten anderen Werkstätten zur Bestimmung des genauen Farbtons erst aus dem Gebäude herausgefahren werden. Es gibt kaum Werkstätten, die eine solche Beleuchtung haben. Energiesparend sind die LED-Lichter natürlich außerdem.“

Seit Oktober ist die Halle in Betrieb. Der Firmenchef und seine zwei Mitarbeiter haben da schon die unterschiedlichsten Karossen verarztet. „Es waren Bentleys darunter genauso wie Trabis.“ Eine besonders ausgefallene Lackierung wollte ein Simsonfahrer. „Tank, Schutzbleche und Seitenteile sollten wie Metall schimmern. Deshalb haben wir nach dem Decklack indem die Metalfleaks, also Metallpartikel „schwimmen“ allein sieben Klarlackschichten aufgetragen. Das erzeugt eine unglaubliche Tiefe. Er hat jetzt vermutlich ein Moped mit der aufwendigsten Lackierung in der Gegend.“ Zu Gast war auch schon die sächsische Weinkönigin mit ihren Roburbus. „Der hatte einen Schaden am Dach. Ein Kran war dran gestoßen. Erst sollte es nur eine punktuelle Lackierung werden, aufgrund des Schadens und des Alters haben wir schließlich das ganze Dach instand gesetzt und dann auch frisch lackiert. Der Bus hat gerade so in unsere Kabine gepasst.“

Hohe Qualitätsanspruch

Die gut energiesparende und umweltbewusste Werkstatt hat sich schnell unter Fachleuten herumgesprochen. So musste Sebastian Lehmann nicht mal auf Mitarbeitersuche gehen. Zwei sehr gute Kollegen schauten schon vorbei, bevor das Unternehmen startete. Der hohe Qualitätsanspruch seiner Arbeit hat er auch in die Umsetzung seiner Lackiererei einfließen lassen. Somit hat er hohe finanzielle Belastungen in Kauf genommen, um nicht nur für die Mitarbeiter und die Nachbarn, sondern auch für die Umwelt die innovativsten Technologien in den Radeberger Ortsteil zu holen. Die moderne, energiesparende Technik ist auch bei der Energieagentur Saena aufgefallen. Beim Sächsischen Energietag „Zündstoff für die Zukunft“ erhielt das Lackierquartier den Sächsischen Gewerbeenergiepass überreicht.

Übrigens: Wenn ein Zehntklässler jetzt Lust bekommen hat und ebenfalls in der Hightech-Werkstatt arbeiten möchte, kann sich bei der Firma melden. Ab September werden Lehrlinge gesucht.