Hilferuf nach Baumpaten

Großenhain. Es sind Bilder, die man von Bäumen und Blumen eigentlich nur aus dem Hochsommer kennt: hängende oder zusammengezogene Blätter und erschlaffte Triebe. Das extrem regenarme Frühjahr setzt dem heimischen Grün bereits ein weiteres Jahr in Folge zu. Obwohl das Thermometer hochsommerliche Temperaturen noch gar nicht erreicht hat.
Matthias Schmieder, Geschäftsbereichsleiter Stadtkultur und Ordnung, bereitet das Sorgen: „Schon 2018 und 2019 mussten wir große Trockenschäden verzeichnen", sagt er. "Die Hoffnungen auf einen schnee- und regenreichen Winter und Jahresanfang haben sich leider nicht erfüllt, sodass wir uns schon jetzt vor allem um die im Herbst und Frühjahr gepflanzten Jungbäume intensiv kümmern müssen.“
So setzten im November Schüler der Großenhainer Oberschule Am Schacht, unterstützt vom Ortschaftsrat und Bürgern aus Walda-Kleinthiemig, an der ehemaligen Deponie in Kleinthiemig über 3.000 kleine Bäume. Die Großenhainer Gesenk- und Freiformschmiede GmbH hatte der Stadt im Oktober 100 Apfel-, Birnen-, Pflaumen-, Kirsch-, aber auch Nussbäume und Feldahorn-Bäume gespendet. Sie wurden von fleißigen Helfern unter Anleitung des Stadtbauhofes und der Baumschule Tamme am Feldweg zwischen Weßnitz und Zschauitz gepflanzt. Im März brachten Mitglieder der Ortswehr Skaup 25 Obstbäume am Feldweg nach Uebigau in die Erde.
„Es war toll, wie viele Menschen neues Stadtgrün pflanzen wollen", blickt Schmieder zurück. "Engagierten Initiatoren wie Wolfgang Pradella von der Gesenk- und Freiformschmiede, René Schumann von der Ortswehr Skaup oder Antje Friedrich von der Oberschule Am Schacht gilt dabei mein ganz besonderer Dank.“ Im und am Stadtpark, am Geflügelzüchterverein und entlang der Flutrinne brachten die Mitarbeiter der Stadtbauhofes zwischen Herbst und April über 20 neue Bäume als Ersatz für Fällungen und Vandalismusschäden oder als Spenderbäume in die Erde.
Zwei neue Wasserwagen in Planung
Mit Blick auf den Klimawandel und die Fähigkeit der Bäume, schädliches CO2 zu binden, sind Baumpflanzungen auch weiterhin eine wichtige Strategie der Stadt. Dabei bestätigt sich einmal mehr, dass Neupflanzungen vornehmlich im Herbst realisiert werden können, weil das Frühjahr einfach zu trocken wird. Dennoch können die Jungbäume gegenwärtig nur mit einem Mindestmaß an Wasser überleben. Dies macht die Aufgabe immer mehr zur Quadratur des Kreises. "Einerseits brauchen wir viele Bäume, auch um Schatten in der Stadt zu schaffen, andererseits wissen wir, dass wir nicht mehr in der Lage sind, diese Jungbäume bei fortschreitender Trockenheit ausreichend zu wässern“, erklärt Matthias Schmieder.
Circa 10.000 Bäume muss die Stadt gegenwärtig allein an Wegen, Straßen und Grünanlagen auf Verkehrssicherheit hin prüfen und pflegen. Die Bäume im Wald und in großen Baumgruppen wie im Stadtpark sind hierbei noch gar nicht mit einbezogen. Davon sind, auch ohne Aufforstungsflächen wie in Kleinthiemig, allein 520 Jungbäume regelmäßig zu gießen. Pro Gießgang bekommt ein Baum zwischen 60 und 70 Liter Wasser. Bei zwei älteren Gießfahrzeugen des Bauhofes mit einem Fassungsvermögen von jeweils 1.800 Litern Wasser können so lediglich sechs bis acht Fässer pro Tag und Fahrzeug vergossen werden.
Häufig müssen die Bauhofmitarbeiter dabei weite Wege zu den Jungbäumen zurückgelegen. Um dabei einen Ausfall der Technik zu verhindern, sind im Doppelhaushalt 2020/2021 die Anschaffungen von zwei neuen Wasserwagen geplant. Würde die Stadt jedoch nur noch so viel pflanzen, wie sie gießen und pflegen kann, müsste das Pflanzen neuer Bäume schon längst beendet werden. Das ist jedoch nicht die Lösung.
Stadt muss Prioritäten setzen
Seit den letzten Jahren setzt die Stadt daher bewusst auf kostengünstige Aufforstungen in den Bereichen, in denen keine großen Verkehrssicherungspflichten entstehen. Wohl wissend, dass auch hier bei Trockenheit nicht gegossen werden kann und daher mit Verlusten zu rechnen ist. Dies ist – wie jüngst in Kleinthiemig – nur schwer zu ertragen. Vor allem von denen, die selbst mitgepflanzt haben. „Leider muss die Stadt Prioritäten zwischen dem Wässern eines Starkbaumes, der 300 Euro kostet, und in der Stadt oder einem Ortsteil steht, und dem eines Forstsämlings für 0,80 Euro in einer Aufforstungsfläche setzen", so Schmieder. "Ohne diese Prioritäten wird es nicht mehr gehen.“
Eine Alternative sieht der Stadtgrün-Chef jedoch: die Unterstützung durch die Ortswehren und durch ehrenamtliche Gießpaten. Schon seit Jahren helfen die Ortswehren dem Stadtbauhof, wenn die Trockenheit in den Park- und Grünanlagen zu groß wird. Auch für Gießpaten gibt es schon sehr gute Beispiele wie die Gesenk- und Freiformschmiede und die Skauper, die ihre selbst gepflanzten Bäume in diesem Jahr auch schon gewässert haben. „Auf lange Sicht und angesichts der Wetterprognosen ist die Baum- und Grünpflege eine Herkulesaufgabe, die kaum noch leistbar ist“, erklärt Matthias Schmieder. Der Stadtgrün-Chef sucht daher in allen Richtungen und geht auch neue Wege, wie etwa die erste automatische Bewässerung der Bäume an der Carl-Maria-von-Weber-Allee, die dieses Jahr gebaut wird.
Die Mitarbeiter des Bauhofes und er hoffen nun nicht nur auf andauernden Regen, sondern auch auf Baumspender und Gießpaten, die den Stadtbauhof unterstützen. "Wer nur meckert, dass dieser oder jener Baum Wasser braucht, kann gern selbst zum Eimer greifen und beim Gießen helfen", sagt der Geschäftsbereichsleiter. Experten empfehlen dabei, Stadtbäumen nicht jeden Tag etwas Wasser zu geben. Sondern diese lieber einmal die Woche, möglichst morgens oder abends, so viel zu gießen, dass die Erde gut durchfeuchtet ist. Ein gesundes und starkes Stadtgrün ist nicht nur schön anzuschauen, sondern vor allem ein wichtiger natürlicher Schutz vor schädlichen Umwelteinflüssen wie Hitze, Staub und Abgasen.