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Hin oder weg

Eine aktuelle Studie untersucht den Bedeutungsverlust von Kleinstädten. In Niesky hält sich der Wandel in Grenzen.

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© André Schulze

Von Thomas Staudt

Niesky hat zwischen 2001 und und 2017 fast 2 500 Einwohner verloren, nach der Kreisgebietsreform außerdem den Kreissitz. Ein Bedeutungsverlust, mit dem die Stadt nicht allein ist. Eine aktuelle Studie des Leibniz-Instituts für Länderkunde in Leipzig (IfL) untersucht den Wandel für 478 Kleinstädte mit einer Bevölkerung zwischen 10 000 und 20 000 Einwohnern im gesamten Bundesgebiet anhand von fünf wichtigen Einrichtungen. Im Landkreis Görlitz wurden nur Zittau und Löbau berücksichtigt, Niesky und Weißwasser fielen durchs Raster, weil sie entweder anfangs zu viele Einwohner (Weißwasser) oder am Ende zu wenige (Niesky) hatten. Dennoch sind die Ergebnisse im Wesentlichen übertragbar. Danach verloren 148 Städte an zentralörtlicher Bedeutung, 46 Städte verzeichneten einen Bedeutungsgewinn.

Kreissitz: Nur die Bauaufsicht wird sich in absehbarer Zeit verändern

Mit der Bildung des Niederschlesischen Oberlausitzkreises 1994 wanderte der Kreissitz nach Görlitz. Zwei Jahre später wurde er per Dekret zurück nach Niesky verlegt. Aber mit der Kreisgebietsreform 2008 verlor die Stadt die meisten Funktionen. Fünf Jahre später zogen das Amt für Brandschutz und das Kulturamt nach Görlitz. Aktuell ist die Konzentration der Kreisbauaufsicht am neuen Standort des Landratsamts in Görlitz geplant. Ähnlich erging es den 34 von Volker Bode und Christian Hanewinkel in der Studie untersuchten sächsischen Städten. Alle haben ihren Status als Kreisstadt verloren. Die Zentralisierung habe ihr Für und Wider, sagt Beate Hoffmann, Nieskys Oberbürgermeisterin. Wenn Institutionen abwandern, stehen Räume leer und die Kaufkraft leide. Sie wolle jedoch darauf hinarbeiten, dass besucherstarke Ämter wie das Jobcenter oder das Jugendamt bleiben. Änderungen sind derzeit nicht geplant, so das Landratsamt.

Amtsgericht: Funktionen konzentrieren sich in Weißwasser

Ein Amtsgericht besitzt Niesky schon seit 1945 nicht mehr. In der Zeit zwischen 2001 und 2017 hat sich hier nichts verändert. Zehn Prozent der untersuchten Städte erging es anders. Sie verloren ihr Amtsgericht. Noch gravierender ist die Lage in Mecklenburg-Vorpommern und Hessen. Im Gerichtsbezirk sind die meisten Funktionen am Sitz in Weißwasser konzentriert. Nach einem Umbau mit Investitionen von 1,18 Millionen Euro wird seit Monatsbeginn wieder dort verhandelt. Das historische Gebäude des Amtsgerichts Niesky ,gleich neben dem Rathaus, ist noch erhalten. Nach drei Jahren Leerstand wird es seit 2014 zu Wohnzwecken genutzt.

Gymnasium: Gegenwärtig lernen 503 Schüler am FSGN

Niesky hat sein Gymnasium mit den beiden Standorten am Zinzendorfplatz und in der Bahnhofstraße behalten. Derzeit lernen 503 Schüler am FSGN, dem Friedrich-Schleiermacher-Gymnasium Niesky. In Sachsen haben zehn Prozent der Städte kein Gymnasium mehr. In Thüringen ist die Zahl gleich geblieben, in vielen westdeutschen Ländern sind Gymnasien dazugekommen, in Schleswig-Holstein etwa. Gewinner sind insgesamt Kleinstädte in Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen und Baden-Württemberg. Sie konnten ihre Funktion als regionale Zentren stärken. Die Ursachen liegen im Bildungsbereich.

Krankenhaus: Von der Klinik zum Gesundheitszentrum

Abstriche sind bei den hundert Betten im Emmaus-Krankenhaus Niesky nicht geplant. Im Gegenteil: Seit drei Jahren ist das Haus Gesundheitszentrum mit einer Vernetzung von stationärer und ambulanter Pflege. In anderen sächsischen Städten wurden Häuser geschlossen.

Volkshochschule: Spaß und Wissen in der Außenstelle Niesky

Die zentrale Verwaltung hat ihren Sitz seit Langem in Löbau. Aber in Niesky sind Außenstellen der Volkshoch- und der Kreismusikschule erhalten geblieben. Das ist bei 14 Prozent der betrachteten sächsischen Städte anders. Schuld an dem insgesamt konstatierten Bedeutungsverlust von Kleinstädten sind staatliches Handeln auf Länderebene und kommunale Entscheidungen, heißt es in der Studie.

Bode, Volker und Hanewinkel, Christian, Kleinstädte im Wandel, Leibniz-Institut für Länderkunde, Leipzig 2018.