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Historiker: Alliierte hören in Deutschland völlig legal ab

Nach Expertenmeinung können und werden die früheren Alliierten weiterhin auf deutschem Boden spionieren - sogar auf Grundlage deutschen Rechts.

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© dpa

Berlin. Die Geheimdienste der USA, Großbritanniens und Frankreichs dürfen nach Angaben des Freiburger Historikers Josef Foschepoth in Deutschland völlig legal das Internet und Telefonate überwachen. Auch die Aufhebung von Verwaltungsvereinbarungen mit den USA und Großbritannien aus dem Jahr 1968 zur Überwachung der Telekommunikation durch die Alliierten ändere daran nichts, sagte Foschepoth am Freitag der Deutschen Presse-Agentur dpa in Berlin.

Die früheren Alliierten könnten „auf Grund des ihnen nach dem Zweiten Weltkrieg zugewachsenen Besatzungsrechts weiterhin in Deutschland abhören“. Dieses Recht sei inzwischen in deutsche Gesetze eingegangen, sagte Foschepoth. „Und damit ist jede Bundesregierung verpflichtet, sich daran zu halten.“

Die Grundlage der am Freitag aufgehobenen Verwaltungsvereinbarungen mit den USA und Großbritannien - das Zusatzabkommen zum Nato-Truppenstatut vom 3. August 1959 - sei nach wie vor gültig, erklärte der Historiker. „Im Klartext: Wir sind weiterhin verpflichtet, alle Informationen den Alliierten zur Verfügung zu stellen, auf engste Weise mit ihnen zusammenzuarbeiten. Aber auch die Alliierten sind weiter befugt, in Deutschland selbstständig nachrichtendienstlich tätig zu werden.“

Die Verwaltungsvereinbarungen waren 1968 im Zusammenhang mit der Einführung des Gesetzes zur Beschränkung des Brief-, Post- und Fernmeldegeheimnisses (G-10) geschlossen worden. Die Abkommen hatten den Alliierten unter anderem die Möglichkeit gegeben, Abhörergebnisse des Verfassungsschutzes oder des Bundesnachrichtendienstes zu nutzen oder Aktionen in Auftrag zu geben.

Foschepoth nannte das Zusatzabkommen zum Nato-Truppenstatut den Kern der engen Zusammenarbeit Deutschlands mit den USA. Beide Seiten seien demnach verpflichtet, alle Informationen, die der Sicherheit dienten, unmittelbar zur Verfügung zu stellen. „Und diese Informationen beziehen sich auf alle Überwachungsmaßnahmen, die durchgeführt werden“, betonte der Forscher. Auch eine mengenmäßige Begrenzung gebe es nicht. Wolle die Bundesregierung daran etwas ändern, müsse sie daran gehen, den betreffenden Artikel 3, Absatz 2 des Zusatzabkommens zu überarbeiten. Darin sei auch festgehalten, dass alle Informationen strengstens geheimgehalten werden müssten.

In einer weiteren Note des Auswärtigen Amtes vom 27. Mai 1968 werde den Alliierten zudem bescheinigt, dass sie auch unabhängig von Nato-Recht und der Zusatzvereinbarung das Recht hätten, bei einer Bedrohung ihrer Streitkräfte angemessene Schutzmaßnahmen zu ergreifen. „Das ist die typische Klausel, die immer verwendet wird, wenn nachrichtendienstliche Tätigkeit gemeint ist“, sagte Foschepoth.

Wenn Kanzlerin Angela Merkel (CDU) sage, deutsche Gesetze würden eingehalten, „dann heißt das nicht, dass diese deutschen Gesetze verhindern, dass die Deutschen abgehört werden. Sondern (sie) ermöglichen es ja geradezu“, sagte der Forscher. „Alle Parteien, die bislang an der Regierung waren, haben diese Politik mitgetragen“, betonte er vor dem Hintergrund von Oppositionskritik. In 60 Jahren deutscher Nachkriegsgeschichte sei jede Bundesregierung bereit gewesen, „den Willen der Amerikaner in dieser Hinsicht zu erfüllen“. (dpa)