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Historische Turmuhr kehrt zurück

Die Friedenskirchgemeinde will ihren Turm wieder komplett haben. Ein seltenes Werk wird gerade in Dresden aufgearbeitet. Nur ein wichtiges Teil fehlt noch.

Von Peter Redlich
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In der Nickerner Werkstatt von Jörg Hippe (Foto) und Tobias Vogler wird das Schlagwerk gerade saniert.
In der Nickerner Werkstatt von Jörg Hippe (Foto) und Tobias Vogler wird das Schlagwerk gerade saniert. © Peter Redlich

Radebeul/Dresden. Von draußen sieht alles gut aus. Die Turmuhr der Friedenskirche bewegt ihre Zeiger. Die Glocken werden pünktlich angeschlagen. Doch was hinter dem Zifferblatt im Turm das alles antreibt, ist ein schnödes elektronisches Werk.

Dabei hat die Friedenskirche etwas viel Besseres zu bieten – eines der seltenen Uhrwerke der Dresdner Firma Bose. 1854 in der Landeshauptstadt gefertigt, existiert es noch immer. Jahrelang hatte es im Turm herumgestanden. Jetzt hat sich die Kirchgemeinde entschieden: Es soll wieder saniert werden und die Zeiger der Uhr sowie den Glockenbetrieb antreiben.

Keine billige Angelegenheit. Es wird mit rund 10.000 Euro Kosten gerechnet. Auch keine einfache Arbeit. Nur noch ganz wenige Fachleute verstehen sich auf die Reparatur solcher Werke von Kirchenuhren. In Dresden-Nickern haben Jörg Hippe und Tobias Vogler ihre Werkstatt für das Restaurieren von Turmuhren.

Aus ganz Sachsen werden der Feinmechaniker und der Metallbauer inzwischen zu Hilfe gerufen. Von der Lukaskirche in Dresden haben sie das Zifferblatt saniert. In Großrückerswalde die Turmuhr repariert, eine der ältesten noch geschmiedeten Uhren im Land.

Ein Rad greift ins andere – um am Ende werden damit die Zeiger der Turmuhr der Friedenskirche gedreht und die Glocken pünktlich angeschlagen.
Ein Rad greift ins andere – um am Ende werden damit die Zeiger der Turmuhr der Friedenskirche gedreht und die Glocken pünktlich angeschlagen. © Norbert Millauer

Das größte Teil in der Werkstatt ist gerade das Radebeuler Werk. So groß wie ein Autoanhänger. Es besteht aus dem Gehwerk und dem Schlagwerk. Goldfarbene Messingräder greifen ineinander. „Messing ist besser als Stahl“, sagt Jörg Hippe, weil es an den Zahnrädern durch das weichere material selbstschmierend ist. Vom Gehwerk werden die Zeiger der Uhr getrieben und der einmalige Schlag zur Viertelstunde ausgelöst. Beim vierten Schlag ist der Stundenschlag dran.

Eine spezielle Schnecke hat senkrecht angeordnete Windflügel, die im Windwiderstand genau die Bremswirkung erzeugen, die der Schlagablauf benötigt.

Alles in allem ein kompliziertes Ineinandergreifen von Mechanik, die letztlich eine Turmuhr in Bewegung hält. Der Antrieb ist ein langes Seil mit einem Gewicht. Ausgebremst durch den Anker des Uhrwerks, der wiederum vom Pendel seinen Sekundentakt bekommt.

In Messing und frischer grüner Farbe glänzt neuerdings das gesamte Werk. Es war grau übermalt worden. Grün ist die Ursprungsfarbe, hatte Jörg Hippe unter der verschmutzten Schicht entdeckt. Nur ein wesentliches Teil fehlt dem Uhrwerk noch – das Pendel. Es besteht aus einem etwa 1.20 Meter langen und flachen Holzstab und der gussstählernen Scheibe. Holz wird für den Stab verwendet, weil es sich bei wechselnden Temperaturen weniger ausdehnt als Stahl.

Das Pendel ist während der Lagerung des Uhrwerks im Turm verschwunden. Friedenskirchepfarrerin Annegret Fischer und Jörg Hippe fragen deshalb die Radebeuler: Wer hat vom Verbleib des Pendels gehört? Es wird dringend für die Reparatur des Uhrwerks gebraucht. Ein neues Pendel anfertigen zu lassen, wäre teuer.

Eigentlich soll das Werk in den nächsten Wochen, im März oder April, wieder in den Kirchturm eingebaut werden. Jörg Hippe: „Wir werden eine Ganggenauigkeit hinbekommen, die in der Woche maximal eine Abweichung von ein bis zwei Minuten bedeutet. Möglichst noch weniger.“

Statt wie in früheren Jahrhunderten muss die Uhr allerdings künftig nicht mehr am Seil mit dem Gewicht aufgezogen werden. Ein kleiner Elektromotor zieht das Gewicht wieder nach oben, sobald von diesem ein Schalter ausgelöst wird.

Der Radebeuler Rainer Thümmel, in Ostdeutschland der Spezialist für Glocken und Turmuhren, benennt in seinem Buch über die hiesigen Turmuhren, das Uhrwerk der Friedenskirche als etwas Einzigartiges. Schon die mittelalterliche Kirche hatte eine Turmuhr. 1527 wurde diese erneuert, ein weiteres Mal gab es 1646, nach der Zerstörung im 30-jährigen Krieg, eine neue Uhr. 1754 erfolgte es eine Hauptreparatur. Und schließlich bekam der Turm für 210 Thaler und 15 Groschen 1854 die Uhr vom Dresdner Uhrmacher Bernhard Bose.

Die soll nach der gerade ausgeführten Sanierung noch lange halten und den Einheimischen und Touristen im Turm eine weitere Attraktion sein, so Pfarrerin Annegret Fischer.

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www.friedenskirchgemeinde-radebeul.de