Merken

„Höhere Flutschutzmauer für Meißen wird geprüft“

Birgit Lange, die neue Talsperren-Chefin der Region, über Hochwasserschutz-Pläne und klagefreudige Bürger.

Teilen
Folgen
© Claudia Hübschmann

Landkreis/Meißen. Birgit Lange leitet seit Jahresbeginn den Betrieb Oberes Elbtal der Landtalsperren-Verwaltung (LTV). Dort ist die studierte Geologin für rund 150 Mitarbeiter in Dresden sowie den Landkreisen Meißen und Sächsische Schweiz-Osterzgebirge verantwortlich. Diese arbeiten an den Talsperren und in den drei Flussmeistereien Dresden, Riesa und Gottleuba. Sie verwalten den Betrieb und planen die Hochwasserschutz-Maßnahmen. Birgit Lange erklärt, wie es mit dem Hochwasserschutz in der Region weitergeht.

Birgit Lange wirbt als Chefin in der Landestal- sperrenverwaltung dafür, dass nachhaltiger Hochwasserschutz Zeit braucht.
Birgit Lange wirbt als Chefin in der Landestal- sperrenverwaltung dafür, dass nachhaltiger Hochwasserschutz Zeit braucht. © Daniel Schäfer

Frau Lange, viele Bürger fragen sich, warum sich manche Hochwasserschutz-Projekte so lange hinziehen oder erst verzögert beginnen. Woran liegt das?

Dafür gibt es zwei Gründe. 2005 wurden alle Hochwasserschutzmaßnahmen, die seit dem Hochwasser 2002 in 47 Hochwasserschutzkonzepten vorgeschlagen wurden, in einer sachsenweiten Prioritätenliste erfasst. Seitdem arbeitet die LTV diese Liste ab. Begonnen wurde mit den Maßnahmen, die eine hohe Priorität haben. Das sind jene, durch die bei einem erneuten großen Hochwasserereignis der Schaden am Allgemeinwohl deutlich reduziert werden kann.

Was ist der zweite Grund?

Der zweite Grund sind unvorhersehbare Ereignisse, wie zum Beispiel die Hochwasserereignisse in den Jahren 2006, 2010, 2011 und 2013. Diese haben uns zeitlich zurückgeworfen. Projekte wurden zurückgestellt, Geld und Personal wurde neu geordnet. Zunächst mussten die Schäden an den Gewässern und wasserwirtschaftlichen Anlagen beseitigt werden. Priorität für uns hat immer das Allgemeinwohl. Aber auch die langen Laufzeiten der Projekte machen uns zu schaffen. Ein Projekt dauert heute von der Planung bis zur Genehmigung mindestens fünf bis sieben Jahre. Bis 2002 hat das nur etwa zwei Jahre gedauert, etwa beim Hochwasserrückhaltebecken in Lauenstein. Dass es so lange dauert, kann man den Bürgern nur schwer erklären. Einerseits liegt es an den strengen Naturschutzgesetzen, die seit 2009 gelten. Oft sind es aber auch die Bürger selbst, die die Notwendigkeit eines Hochwasserschutzprojektes nicht verstehen. Bei allen Projekten informieren wir die Bürger so zeitig wie möglich. Trotzdem kommt es zu Befindlichkeiten, die ich darauf zurückführe, dass die Menschen die schlimmen Hochwasser schnell vergessen. Das ist schwierig.

Haben Sie dafür ein Beispiel?

Wir können eine neue Hochwasserschutzanlage nur bauen, wenn uns alle dafür benötigten Grundstücke zur Verfügung stehen und wenn kein Betroffener dagegen klagt. Und selbst wenn 99 Prozent der Bürger dafür sind, reicht einer, der dagegen ist, um das Projekt zu verzögern, eventuell gar zu stoppen. Im ungünstigsten Fall müssen wir durch Gerichtsverfahren oder ebenso zeitraubende Besitzeinweisungsverfahren. Das hatten wir schon und es kann uns immer wieder passieren. Der Freistaat macht öffentlichen Hochwasserschutz jedoch nicht gegen den Willen der Bürger.

In Meißen gibt es Pläne, die Altstadt durch eine Erhöhung der Flutmauer und weitere Pumpwerke zu schützen. Welche Chancen sehen Sie für eine Realisierung?

Es gibt dazu einen ersten konzeptionellen Lösungsansatz der Stadt Meißen, den wir mit der Stadtverwaltung in den letzten zwei Jahren besprochen haben. Das weitere Vorgehen kann auch hier nur schrittweise und gemeinsam erfolgen. Ein erster Schritt wird die Aktualisierung des Wasserspiegellagenmodells für die Elbe in Meißen sein. Die aktuelle Wasserspiegellagenberechnung bildet eine wichtige Grundlage für die Planung einer Hochwasserschutzanlage für die Meißner Altstadt. Erst wenn die Ergebnisse dieser Berechnungen vorliegen, kann eine Machbarkeitsstudie durchgeführt werden. Das wird nicht vor Ende 2019 der Fall sein. Die Machbarkeitsstudie wird dann zeigen, ob sich die wasser- und gesamtwirtschaftliche Notwendigkeit für eine technische Hochwasserschutzanlage für die Meißner Altstadt darstellen lässt und ob so ein Vorhaben ausgehend von den örtlichen und rechtlichen Rahmenbedingungen genehmigungsfähig sein kann.

Ab wann wird am Deich in Radebeul-Fürstenhain weitergebaut?

Arbeiten, die witterungsbedingt möglich waren, wurden auch in den zurückliegenden Wochen durchgeführt. Es gab keine Winterpause. Sobald die Temperaturen über Null sind, kann der Betonbau fortgesetzt werden. Erst wenn es wieder trocken ist, kann auch der Erdbau fortgesetzt werden. Die Fertigstellung ist für Ende des dritten Quartals 2018 geplant.

Wie weit sind die Planungen für den Hochwasserschutz in Radebeul-Altkötzschenbroda? Wann könnte hier gebaut werden?

Auch hier läuft das Genehmigungsverfahren bei der Landesdirektion Sachsen. Sobald der Genehmigungsbescheid vorliegt, kann mit der Ausführungsplanung begonnen werden. Ausgehend von vergleichbaren Vorhaben rechnen wir derzeit mit einem Baubeginn frühestens im Jahr 2020.

Hat Coswig-Brockwitz noch eine Chance auf einen Deich?

Im Hochwasserschutzkonzept Elbe wurde eine Maßnahme „Errichtung Damm bis HQ100 vor Bebauung in Brockwitz“ zum Schutz der tiefliegenden Ortsteile von Brockwitz vorgeschlagen. In der landesweit einheitlichen Priorisierung aller präventiven Hochwasserschutzmaßnahmen im Freistaat Sachsen wurde für diese Maßnahme jedoch eine geringe Priorität ausgewiesen. In den sächsischen Hochwasserschutzkonzepten wurde eine Vielzahl von präventiven öffentlichen Hochwasserschutzmaßnahmen vorgeschlagen. Diese sind natürlich nicht überall gleichzeitig umsetzbar. Begonnen wurde deshalb mit den hochprioritären Maßnahmen. Das sind jene, durch deren Umsetzung, der für das Allgemeinwohl vermeidbare Schaden bei Hochwasser, am größten ist. Eine Vielzahl dieser Maßnahmen laufen gegenwärtig und auch noch in den nächsten Jahren. Für das Vorhaben in Brockwitz ist deshalb mittelfristig kein Planungsbeginn möglich.

In der Region gibt es auch viele Gegner des technischen Hochwasserschutzes, wie etwa immer weiter erhöhter Deiche. Sie sehen den sekundären Hochwasserschutz, wie zum Beispiel das Abbaggern der Elbwiesen, vernachlässigt. Wie ist Ihr Standpunkt?

Nach dem Junihochwasser 2013 haben sich mehrere Bürgerinitiativen gebildet, die sich für den Hochwasserschutz an der Elbe im Bereich Riesa-Nünchritz engagieren. Die Landestalsperrenverwaltung arbeitete mit den Bürgerinitiativen von Beginn an eng zusammen. Im Rahmen des „Runden Tisches Hochwasser“, den die Bürgerinitiativen im Jahr 2013 gründeten, gab es eine ergebnisoffene, fachlich fundierte und konstruktive Diskussion über mögliche Lösungen zur Verbesserung des Hochwasserschutzes an der Elbe im Nünchritz-Riesaer Raum. Die Bürgerinitiativen erachten sowohl den technischen Hochwasserschutz als auch die sachgerechte Gewässerbewirtschaftung als erforderlich, um den Hochwasserschutz an der Elbe zu verbessern. Das sehen wir genauso. Auch die sogenannte nachsorgende Unterhaltung¨– wie das Abbaggern der Elbwiesen – ist eine potenziell mögliche Maßnahme zur Verbesserung des Hochwasserschutzes. (SZ)