Von Kristof Stühm
Jetzt kann wohl nur noch der Guru helfen. Dr. Hans-Wilhelm Müller-Wohlfahrt, der Mann mit den Radarfingern, den goldenen Händen, soll Superstar Usain Bolt für den Sprint-Showdown mit Justin Gatlin endlich Beine machen. Sieben Wochen vor der Leichtathletik-Weltmeisterschaft vom 22. bis zum 30. August in Peking lässt der schwächelnde Jamaikaner sich bei dem Arzt der deutschen Fußball-Nationalmannschaft in München behandeln.
„Ich möchte so schnell wie möglich wieder voll ins Training einsteigen“, sagte Bolt, der sich in den „nächsten Tagen“ von „Mull“ pflegen lassen will. Müller-Wohlfahrt diagnostizierte bei dem Olympiasieger eine Blockade des Iliosakralgelenks im Becken. Diese strahle auf sein linkes Bein aus und erkläre seine zuletzt so uninspirierten Auftritte, teilte Bolt mit. Vorsorglich sagte der 28-Jährige seinen geplanten Start beim Diamond-League-Meeting am Donnerstag in Lausanne ab.
„Ich bin sehr traurig, dass ich in Lausanne nicht teilnehmen kann. Ich liebe es, bei diesem Meeting zu laufen, aber ich bin derzeit nicht bei 100 Prozent meiner Leistungsfähigkeit“, sagte Bolt, der schon das zweite Jahr hintereinander verletzungsbedingt nicht richtig in die Gänge kommt. In dieser Saison bringt es der „Blitz“ bisher nur auf für ihn eigentlich lächerliche 10,12 Sekunden über 100 Meter und 20,13 Sekunden über die doppelte Distanz.
Damit Bolt bis zum erwarteten Duell mit dem US-Amerikaner Gatlin in China doch noch in Bestform kommt, reiste der Posterboy der Leichtathletik extra aus seiner Heimat zu seinem Lieblingsarzt Müller-Wohlfahrt. Wie so viele Sportstars pflegt auch Bolt eine besondere Beziehung zu dem ehemaligen Doktor des FC Bayern München. Müller-Wohlfahrt half Bolt bereits häufig, den lädierten Körper wieder auf Vordermann zu bringen, beispielsweise vor den Sommerspielen 2012 in London.
„Der Doktor ist ein großer Mann“, sagte Bolt damals: „Er ist der beste Arzt auf der Welt.“ Müller-Wohlfahrt habe nicht nur ein Händchen für Sehnen und Gelenke, sondern streichle auch die Seele. „Er hat meine Muskeln behandelt, aber er war mehr als ein Arzt für mich.“
Doch im Rennen um die Form läuft Müller-Wohlfahrt und Bolt immer mehr die Zeit davon. Das sonst so strahlende Lächeln des Sprint-Superstars kam zuletzt nur noch gequält daher. Denn während Bolt schwächelt und kaum trainieren kann, rennt der umstrittene Gatlin schneller als jemals zuvor. Am vergangenen Wochenende drückte der 33-Jährige seine Bestzeit über 200 Meter auf 19,57 Sekunden. „Mein Körper war noch nie da, wo er jetzt ist“, sagte Gatlin, der immerhin schon zwei Dopingsperren absaß.
Gatlin, mit 9,74 Sekunden über 100 Meter in diesem Jahr der Schnellste der Welt, ist jetzt bereits seit dem 3. September 2013 ungeschlagen. In Peking könnte er nun auch den König der Kurzstrecke vom Thron stoßen. Es sei Zeit, „die amerikanische Flagge mit Ehre zu tragen“, sagte Gatlin. Bolt will das mithilfe seines Gurus unbedingt verhindern. (sid)