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Hohe Mieten - wenig Geburten

In vielen Städten fehlt es an bezahlbarem Wohnraum für Familien. Dies ist ein Faktor, warum Frauen auf dem Land teils deutlich mehr Kinder bekommen. Wie kann man das ändern?

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© Arno Burgi/dpa

Torsten Holtz

Berlin. Wie viele Kinder eine Frau in Deutschland bekommt, schwankt je nach Region teils erheblich. So haben Frauen der Jahrgänge 1969 bis 1972 in Passau, Kiel, Gera, Würzburg sowie in München, Düsseldorf und Köln bundesweit die wenigsten Kinder geboren - und zwar im Schnitt nur 1,0 bis 1,2 Kinder. Das geht aus einer Studie des Bundesinstituts für Bevölkerungsforschung (BiB) hervor.

Forschungsdirektor Martin Bujard sagte dazu, Ursachen für niedrige Kinderzahlen in vielen Kommunen seien unter anderem zu wenig bezahlbare Wohnungen, dürftige Betreuungsangebote und kinderfeindliche Wohnquartiere.

Politiker forderten, der Staat müsse gegensteuern. Die familienpolitische Sprecherin der Linken im Bundestag, Katrin Werner, sagte der dpa: „Ein Kinderwunsch darf nicht am Geldbeutel scheitern.“ Notwendig seien jetzt eine wirksame Mietpreisbremse und Investitionen in den Wohnungsbau. Die stellvertretende Fraktionsvorsitzende der Grünen, Katja Dörner, sagte: „Damit Kinder kein Armutsrisiko sind, braucht es nicht nur endlich eine Kindergrundsicherung, sondern auch eine funktionierende Mietpreisbremse.“

Ohne die vergleichsweise hohe Kinderzahl von Migranten wäre die Geburtenrate in den Städten hierzulande noch deutlich niedriger, sagte Forschungsdirektor Bujard.

Migranten leben vor allem in Städten und kaum auf dem Land. Am Mittwoch hatte das Statistische Bundesamt von einem Geburtenanstieg berichtet, der zu einem Großteil auf den vielen neugeborenen Kindern von Migranten fußt.

Bujard sagte zu den regionalen Trends: „Der zentrale Unterschied ist der zwischen Stadt und Land.“ Denn Spitzenreiter bei der Kinderzahl je Frau sind mit einem Schnitt von 2,0 bis knapp 1,9 die Landkreise Cloppenburg, Günzburg, Mühldorf am Inn sowie Vechta, Freudenstadt und Eichstätt. Der Studie zufolge hängt die endgültige Kinderzahl auch mit anderen Faktoren zusammen: Höher ist sie zum Beispiel auch in Regionen, in denen die Arbeitslosigkeit niedrig ist, die überwiegend katholisch geprägt sind und die einen Männerüberschuss haben.

Der FDP-Abgeordnete Grigorios Aggelidis monierte, der Mangel an bezahlbarem Wohnraum in den Städten werde zurzeit nur verwaltet statt bekämpft. Um den Neubau attraktiver zu machen, gehörten teilweise unsinnige Auflagen und bürokratische Hürden auf den Prüfstand. Aus seiner Sicht sollte aber die geltende Mietpreisbremse nicht verschärft, sondern „wegen Unwirksamkeit“ abgeschafft werden. Sie sei eher eine „Wohnraumbremse“, weil sie dringend benötigte Investitionen in mehr Wohnungsbau verhindere.

Forschungsdirektor Bujard sagte zu den höheren Kinderzahlen auf dem Land, dort böten sich zumeist mehr Freiräume für das Familienleben. Auch seien in der Großstadt größere Freizeitangebote ein attraktive Alternative zum Elternsein. Hinzu trete der Faktor Wohnen: In vielen Städten fehle es an Wohnraum für Familien mit drei oder mehr Kindern.

Er regte an, Kommunen sollten gezielt „familienfreundliche Umgebungen“ schaffen, etwa stark verkehrsberuhigte Wohngebiete, in denen sich Kinder gefahrlos frei bewegen können. „Hier gibt es einen riesigen Nachholbedarf.“ Oft sei in der Vergangenheit den Bedürfnissen des Autoverkehrs Vorrang eingeräumt worden. Und bei Bauvorhaben könnten Kommunen darauf achten, dass auch Wohnungen für große Familien entstehen. Wichtig blieben zudem nach wie vor hochwertige Kita- und Ganztagschulangebote. Auch flexible Arbeitszeitmodelle seien wichtig, sagte Bujard. „Viele haben nach dem zweiten Kind in der „Rush Hour“ des Lebens das Gefühl, dass ihnen schlicht die Zeit fehlt für weitere Kinder.“ (dpa)