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Hol den Frosch!

Heute Abend herrscht beim Froschlauf in Biehla wieder der Ausnahmezustand. Und das ganze Dorf macht mit.

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© Veranstalter

Von Tino Meyer

Sie kennen Biehla nicht? Das ist grundsätzlich kein Problem. Der kleine Ort im Landkreis Bautzen mit seinen 400 Einwohnern ist zwar fast 800 Jahre alt und immerhin ein früherer Rittersitz. Doch damit unterscheidet er sich trotzdem nicht wesentlich von etlichen anderen Dörfern. Läufer aber sollten von Biehla nicht nur gehört haben, sondern unbedingt mal dort gewesen sein. Zum Beispiel heute Abend. Denn der „Froschlauf durch die Biehlaer Nacht“, so der offizielle Titel, ist aus vielerlei Gründen ein außergewöhnlicher Termin im Laufkalender. „Frösche quaken, Glühwürmchen klimmen, und danach sitzen die Teilnehmer noch lange zusammen. Die Atmosphäre ist einmalig, das muss man erlebt haben. Viele bleiben sogar über Nacht und zelten hier“, sagt Jens Dzikowski.

Das Buch „Dresden läuft“ stellt die schönsten Läufe und Laufgebiete der Stadt vor, dazu fünf kultige Rennen in der Region, wie z.B. den Froschlauf – samt Streckenverlauf und Höhenprofil. Erhältlich unter anderem im Buchhandel, im Dresdner Laufsportladen o
Das Buch „Dresden läuft“ stellt die schönsten Läufe und Laufgebiete der Stadt vor, dazu fünf kultige Rennen in der Region, wie z.B. den Froschlauf – samt Streckenverlauf und Höhenprofil. Erhältlich unter anderem im Buchhandel, im Dresdner Laufsportladen o

Der gebürtige Rodewischer hat den Lauf erfunden, und man hat daher schnell den Verdacht, er würde maßlos übertreiben. Doch die Umfragen der Zeitschrift Laufzeit, in denen es der Froschlauf regelmäßig unter die „Top Ten“ der beliebtesten Läufe Deutschlands schafft, bestätigen ihn. Am wertvollsten aber ist immer noch die Abstimmung mit den Füßen.

Mehr als 2 000 sind es jedes Jahr, die sich am letzten Freitag im Juni für Biehla entscheiden. Deren Begleiter hinzugerechnet, vervierfacht sich die Einwohnerzahl also mal so eben. Man muss sich das dann vorstellen wie im berühmt-berüchtigten schleswig-holsteinischen Wacken, wo Zehntausende das größte Metal-Festival der Welt feiern. Im Dorf herrscht der Ausnahmezustand. So ähnlich ist es auch in Biehla, nur alles ein paar Nummern kleiner und leiser. Statt gerockt wird schließlich gerannt, das aber nicht minder euphorisch.

Für 9,6 Kilometer bis ans Limit

Kultstatus hat der Froschlauf längst, nicht nur für die Teilnehmer. Die Veranstaltung und das Drumherum machen ganz Biehla Beine. Die Freiwillige Feuerwehr regelt den Verkehr, der Sportverein den Rest. Und alle anderen Einwohner sind ebenfalls eingebunden. „Das ist eine wahnsinnige Logistik. Doch die Leute stehen mit vollem Einsatz dahinter und gehen am Veranstaltungstag bis ans Limit. Du staunst immer wieder, wozu der Mensch fähig ist, wenn er Spaß an etwas hat“, sagt Dzikowski.

Es sind die Details, die den Landschaftslauf über 9,6 Kilometer durch die Biehlaer Teichlandschaft mit ihren sieben Storchennestern so unverwechselbar machen – und damit offenkundig auch immer beliebter. Die ganze Leistungspalette vom Rekordjäger bis zum Bummelletzten gibt es natürlich genauso wie bei anderen Läufen. Das Ungewöhnliche aber sind zum Beispiel der Start beim Sonnenuntergang, Zelte auf dem benachbarten Sportplatz, die Party bis tief in die Nacht hinein mit dem Frühstück samt frischen Bäckerbrötchen am Morgen danach oder auch die letzten gut 300 Meter bis ins Ziel durch ein Spalier von Kindern mit Fackeln in den Händen.

Ganz besonders sind vor allem die Trophäen für die Gewinner. „Pokale haben die meisten ja schränkeweise zu Hause. Aber einen Frosch?“, fragt Dzikowski. Ob aus Keramik, Glas oder Metall – jedes Jahr benötigt er 120 große, mittlere und kleine Frösche, um die Gesamt- und Altersklassenbesten, also die Froschkönige und ihre Lurche, kurz vor Mitternacht stilecht auszuzeichnen.

Solche Einfälle kommen Dzikowski laufend. Und auch der Froschlauf an sich ist so entstanden, als er Anfang der 2000er-Jahre noch in Biehla wohnte und jede Woche an den Teichen unterwegs gewesen ist. „Das war mein Trainingsgebiet und mir irgendwann klar: Das ist so ideal hier, so herrlich und so schön. Das kannst du nicht für dich behalten“, erinnert sich Dzikowski an den Ursprung des Rennens, das mit der Idee allein aber nicht gestartet werden konnte.

Die Laufszene, wie man sie inzwischen kennt, war zwar erst am Entstehen, dennoch schon jedes Wochenende belegt. „Ich musste mir etwas Neues überlegen und bin auf den Freitag gekommen. Weil ein Start selbst am späten Nachmittag unmöglich ist, habe ich mich für den Sonnenuntergang entschieden. Start ist deshalb bei uns immer 21.23 Uhr“, betont Dzikowski. Auch das gehöre zu den Besonderheiten des Froschlaufs, der seinen Namen den Teichbewohnern verdankt und am 25. Juni 2004 zum ersten Mal stattgefunden hat.

Auch der Naturschutzbund ist längst integriert und wirbt für sein Froschprojekt mit dem passenden Slogan: Für Kröten tu ich alles. „Es gibt viele Verbesserungsvorschläge. Doch das Gerüst steht. So was“, erklärt er, „darfst du nicht ändern. Denn so was spricht sich rum.“ Werbung müsse er jedenfalls nicht mehr unbedingt machen. Gut Tausend Starter sind immer da, auch wenn am nächsten Tag in Coswig der Sachsenlauf gestartet wird.

Selbst ist Dzikowski noch nie mitgelaufen, was nicht daran liegt, dass er die Strecke auswendig kennt. „Man kann nur eines ordentlich machen: organisieren oder aktiv sein. Natürlich ist alles vorbereitet, doch ich hätte unterwegs keine Ruhe.“

Eigentlich hat er sich als Organisationsleiter schon längst zurückziehen wollen. Froschlauf und Biehla – das funktioniere schließlich auch ohne ihn, findet er. Dieses Ansinnen ist jedoch nach der fünften Auflage gescheitert und auch nach dem zehnten Lauf. Jetzt entscheidet er von Jahr zu Jahr. Der Kopf muss bleiben, sagen die Einheimischen. Sie wissen, was sie an Dzikowski und seinen Ideen haben. „Biehla kannte vorher keiner. Jetzt“, sagt er, „weiß jeder, dass es in der Nähe von Kamenz ist.“