Ein wertvoller Ort der Begegnung

Von Andreas Kirschke
Hoyerswerda. Der Sorbische Evangelische Heimattag im Kirchspiel Hoyerswerda stärkt Jahr für Jahr die Gemeinschaft. Er erinnert an die historischen und kulturellen Wurzeln. Er sensibilisiert und öffnet für die Identität und festigt im Glauben. Das unterstrich Jan Malink, Superintendent im Ruhestand, am Sonntag im zweisprachigen Abendmahls-Gottesdienst in der Johanneskirche Hoyerswerda zur Eröffnung. Mit sorbischen Kirchenliedern begleitete der Chor Seidewinkel musikalisch. Seit 2007 findet der Heimattag statt. Nur 2020 war er durch Corona bedingt lediglich als Gottesdienst möglich.
An die Sage der „Lutki“ erinnerte Jan Malink in seiner Predigt. Mit einem großen Stein wollten sie einst die große Glocke der Hoyerswerdaer Johanneskirche zerschmettern. Zu laut, zu fremd, zu christlich erschien sie ihnen. „Sie haben es nicht geschafft“, betonte Jan Malink und verwies auf die Geschichte: „In Hoyerswerda gab es keine Mission mit dem Schwert. Mit dem Bau der Kirche kam die Christianisierung allmählich. Sie lief weitgehend friedlich ab.“ Das ist auch Jesu Botschaft der Liebe.
Mit Kremsern ging es nach dem Gottesdienst nach Bergen. Unterwegs hielten und tanzten die Teilnehmer an der Seidewinkler Friedenseiche. Die Königswarthaer Blasmusikanten begleiteten das Programm.
„Heimattag – das ist für mich, Menschen in Trachten zu sehen, feierliche Stimmung zu spüren, sich seine eigenen Wurzeln wieder bewusst zu machen“, meinte Jacqueline Bramborg (49) aus Dörgenhausen. In eine sorbische Familie hat die frühere Leipzigerin eingeheiratet. So sind ihr Traditionen, Rituale und Beständigkeit ganz wichtig. Bei der Beerdigung ihrer Urgroßmutter mütterlicherseits 2007 erfuhr sie: Der Urgroßvater mütterlicherseits stammte aus der Lausitz. Der Heimattag, so Jacqueline Bramborg, weckt Stolz darauf. Er unterstreicht zudem gerade jetzt den Wert der Begegnung. „Denn Einsamkeit, Isolation und Verunsicherung sind enorm gestiegen. Das spüre ich in der täglichen Arbeit immer wieder“, sagte die Dörgenhausenerin, die die Selbsthilfe-Kontaktstelle der Diakonie leitet. „Es ist so wichtig, dass es solche Orte der Begegnung wie den Heimattag gibt. Wir können uns endlich wieder begegnen. Wir warten sehnsüchtig darauf, dass wieder Normalität einzieht.“
Ein Zeichen der Verbundenheit
Darauf hofft auch Jörg Redlich (66), Kirchen-Chronist in Bluno. Gelernt hat er Instandhaltungsmechaniker. Sein Beruf führte ihn zuletzt in die Lager-Wirtschaft der Gießerei Sabrodt. „Meine Eltern hatten sorbische Wurzeln“, erzählte er. „Mutter ging bis zu ihrem Umzug ins Pflegeheim 2012 täglich in sorbischer Alltagstracht. Sie konnte Sorbisch bis ins hohe Alter zumindest verstehen.“ Daran erinnert sich Jörg Redlich beim Heimattag. Stolz weckt dieser Tag in ihm. „Für mich heißt Heimattag, die Gemeinschaft des gesamten Pfarrsprengels Hoyerswerda / Elsterheide zu erleben. Dieser Tag ist ein Zeichen der Verbundenheit, der Traditionspflege und der Geschichtspflege.“ Im 20-köpfigen Vorbereitungskreis des Sorbischen Heimattages engagiert sich Jörg Redlich. Dort wirkt er vor allem aus Solidarität mit dem schon 86-jährigen Blunoer Sorben Helmut Kurjo mit.
Zwei Museen waren geöffnet
Auf dem Dorfanger in Bergen erlebten die Teilnehmer des Heimattages viel Geselligkeit und Gemeinschaft. Der Kindergarten Lutki erfreute mit Liedern, Versen und Tänzen. Geöffnet für die Teilnehmer waren zudem Birgit Pattokas Schrotholzscheune und Museum sowie Ute & Berthold Zschieschangs Bauernmuseum in Bergen.
Mit der symbolischen Ballon-Aktion endete der Heimattag. Luftballons in den sorbischen Farben blau-rot-weiß stiegen in den Himmel. Angehängt waren kleine Kärtchen – versehen mit Grüßen vom Heimattag. Dessen Initiator Joachim Nagel, von 1992 bis 2012 Pfarrer der Evangelischen Johanneskirchen-Gemeinde Hoyerswerda-Altstadt und heute im Ruhestand in Polen zu Hause, konnte diesmal nicht persönlich dabei sein. Dafür schickte er ein Grußwort. Er erinnerte an 2007, als der erste Sorbische Evangelische Heimattag in Hoyerswerda und in Bergen stattfand. „Die Sorbischen Farben inspirieren mich immer wieder: Wenn die Farbe des Herzens in der Mitte ist, wenn das Herz dabei ist, dann ist mir um die Tradition nicht bange. Das Herz auf dem rechten Fleck haben, darauf kommt es an, denn man sieht nur mit dem Herzen gut“, unterstrich Joachim Nagel.
Derzeit arbeitet er an Erinnerungen. Er stellt alte Videobänder zusammen, auf denen Ausfahrten der Dorf-Senioren seiner früheren Kirchengemeinde zu sehen sind. Auch ein kurzer Film über den Bändertanz in Seidewinkel ist dabei. „Es sind viele Gesichter von Menschen, die nicht mehr unter uns sind, aber sicherlich von einer höheren Warte mit Freude an unserer Freude auf die Tradition blicken und sich mitfreuen.“ Tradition, so Joachim Nagel, verbindet in einem lebendigen Band. „Darauf dürfen wir vertrauen. Glaubensfreude und Lebensfreude gehören zusammen“, schrieb der frühere Hoyerswerdaer Pfarrer.
Wenn er die Videokopien nach Hoyerswerda ins Archiv bringt, will er auch in der Kirchengemeinde wieder mit vorbeikommen. „Sicherlich gibt es dann die Gelegenheit, diese Bilder gemeinsam anzuschauen, ich freue mich darauf“, ließ er wissen.