220 Quadratmeter geordnetes Chaos

Hoyerswerda. Malerfolie verdeckte wochenlang die Schaufenster im Ladenlokal in der Senftenberger Straße 16. „Foto Kahrig“ existiert nicht mehr. Die Inhaber wollten kein großes Aufsehen um das Ende des Fotoateliers, schlossen nach dem Corona-Lockdown still für immer ab. Man las dann im Vorbeigehen Schilder wie „Wir bauen um“. Doch das galt schon dem neuen Mieter, der sich hier einen Traum erfüllt und wahrscheinlich auch vielen anderen Menschen.
Denn Maik Stahnke ist auf den Trödelmärkten der Region bekannt als „Trödel Maik“. Da wird er auch in Zukunft anzutreffen sein. Doch jetzt hat er einen markt- und wetterunabhängigen Platz zum Verkaufen. Der 54-jährige Hoyerswerdaer nennt es liebevoll „das geordnete Chaos“. Wenn man das 220 Quadratmeter große Geschäft betritt, fühlt man sich im ersten Moment zwangsläufig von der Vielzahl der Dinge in den Regalen und auf den Tischen überwältigt, muss sich erst einmal orientieren. Doch dann spürt man schnell, dass es hier mit System zugeht. Man kann auch Maik einfach fragen. Er weiß natürlich genau, wo was steht. Und dabei ist das nur das, was er im Laden präsentiert. Er unterhält auch noch Lager.
Angefangen hat die Trödelei 2015, als er das erste Mal selbst mit einem überschaubaren Stand auf dem Festplatz am Gondelteich stand. Doch in der Folge verkaufte er nicht nur, sondern kaufte auch auf und übernahm Dinge. So wurde es immer mehr. Anfang 2020 meldete er schließlich ein Teilgewerbe als Gebrauchtwarenhändler an. Den anderen Teil seines Berufslebens ist er Trockenbauer, dies als Angestellter. Von Montag bis Freitag ist er ab sofort jeweils von 14 bis 18 Uhr nun auch Trödelhändler mit eigenem Laden. Wenn er außerhalb dieser Zweiten da ist und an der Tür steht „Geöffnet“, dann kann man auch reinkommen. Bei seinem alten „Trödelgewölbe“, das er schon in Hoyerswerda hatte, war nur nach telefonischer Vorabsprache geöffnet.
Das Älteste sind zwei Zinnteller
Im Laden ist man schnell beim Du. Trödelmaik hat aber nichts zu verschenken, er ist Händler. Ein bisschen feilschen geht natürlich. Aber im Großen und Ganzen weiß der 54-Jährige, dass es für jedes Stück irgendwo einen echten Interessenten gibt. Irgendjemand wird schon einen Polylux, wie er zu DDR-Zeiten in nahezu jedem Klassenzimmer stand, gebrauchen können. Maik Stahnke kauft und verkauft, was aus DDR-Zeiten stammt oder älter ist. Ausnahmen bestätigen die Regel: Die große Bierreklame oder der Haribo-Warenpräsenter sind einfach ein Blickfang. Im Regal sieht man beispielsweise auch ein paar DVD und eine Heckenschere mit Benzinmotor, die jünger ist, aber ansonsten findet man hier nur Altes. Aktuell das Älteste sind zwei Zinnteller mit der eingravierten Jahreszahl 1768 bzw. 1770. Die beiden reparaturbedürftigen Hohlgussfiguren im Schaufenster sind 100 Jahre jünger, aber für Trödel-Verhältnisse auch schon antik.
Er hat Wagenräder vom kleinen mit 30 Zentimetern Durchmesser bis zum großen mit 1,25 Meter Durchmesser. Das kann man für 80 Euro aus dem Laden rollen. Zinkwanne und stapelweise Blecheimer, Gießkannen stehen in Reihe gleich gegenüber von Metall-Mülltonnen aus DDR-Zeiten. Da Schraubzwingen, hier Metall-Fensterrahmen eines Werkstattfensters. Ein Leipziger Messemännchen schaut hinüber zu den Sehnsuchtsgeschenken der Jugendweihlinge aus den 1980er-Jahren, den damals sündhaft teuren Kassettenrekordern. Die kann man vor Ort im Gegensatz zum Trödelmarkt im Freien auf Funktion prüfen. Verkauft wird technisches Gerät dennoch nur zu Bastelzwecken. Garantien oder Gewährleistung gibt es freilich nicht.
Wer Haus, Hof, Garten im Landhaus-Stil dekorieren möchte, der findet hier gewiss etwas. Und wer für ein Party-Präsent noch eine originalverpackte DDR-Klopapierrolle haben möchte, hier bekommt er sie.
Kleinmöbel, aber keine Schränke
Ein paar Fahrräder warten auf neue Besitzer, in einer Regalreihe lagern zig Exemplare von „Die Bunte“ neben denen von „Magazin“ und „Neues Leben“. Matrjoschka und Thermoskanne, Wringmaschine und ein wandfüllendes Periodensystem, Lampen und Nudelholz, Töpfe und schwere Metallsortierkästen – Trödelmaik hat so etwas. Bei Möbeln setzt er aber nur auf Kleinmöbel wie Garderobenbretter, Stühle oder Nachtschrank. Man kann ihm Dinge zum Kauf anbieten, er kommt auch nach Hause. Entrümpelungen und Beräumungen macht er aber nicht.
Kontakt: 0162 4530368