Hoyerswerda. Könnte er ganz loslassen? Hoyerswerda, den erklärten Lieblingsplatz, aufgeben und sich dort zur Ruhe setzen, wo das Herz genauso verbunden und leidenschaftlich schlägt? Also Hand aufs Herz, Ralf Gerstmann: Denken Sie manchmal darüber nach, in Gambia am Meer unter Palmen zu leben, dem Land, in dem Sie mehrmals im Jahr sind, wenn es die Umstände zulassen? Helfen, Freunde besuchen, Entdeckungen machen und genießen, wie das Leben und das Miteinander auch sein können? Der Angesprochene zögert. Er sei 20 Jahre selbstständig gewesen als Inhaber einer kleinen Kneipe. Auch wenn er nun angestellt sei als Betriebsleiter des Hoyerswerdaer Zoorestaurants „Sambesi“: Zwar würde seine kleine Rente auch reichen, um dort auskömmlich zu leben. Doch das wäre nicht genug: Er würde auch etwas aufbauen wollen, nicht nur von der Hand in den Mund leben. „Wenn ich viel Geld hätte, dann vielleicht, ja.“
Und weitergeträumt: Er könnte dort doch noch einmal eine kleine Gastwirtschaft aufbauen für Einheimische und Touristen gleichermaßen? „Dafür sind zu wenig Gäste im Land“, winkt der erfahrene Gastronom ab. Er selbst übernachtet bei seinen Aufenthalten in einem einfachen Hotel, wie er sagt, im Afrika-Stil. Dort sitzen mit ihm vielleicht ein Dutzend Leute beim Frühstück, die Hälfte seien Mitarbeiter internationaler Organisationen. Und eine Restauration im Afrika-Stil, die hat er bereits mit dem „Sambesi“ im Zoo Hoyerswerda.
Zwischen dem nicht nur dem Namen nach afrikanisch anmutenden „Sambesi“ und der Afrika-Leidenschaft des Wirts, der, wenn möglich, mehrmals im Jahr nach Gambia reist, gibt es übrigens keine Verbindung. „Reiner Zufall“, sagt Ralf Gerstmann. Für die Gestaltung des Zoo-Restaurants sorgten die Lausitzer Werkstätten, lange bevor Gerstmann die Leitung übernahm. Auch auf der Karte trennen Gambia, das kleine Zwei-Millionen-Einwohner-Land in Westafrika und den Sambesi, ein riesiger Strom in Südostafrika, Tausende Kilometer.
Für seine erlebnisreichen und emotionalen Reisen nach Westafrika ist Ralf Gerstmann inzwischen stadtbekannt. Ausgangspunkt dieser besonderen Beziehung sei eine Internetbekanntschaft, erzählt er. Daraus sei eine Freundschaft entstanden, erste Reisen und inzwischen ein enormer Bekanntenkreis, Patenkinder, von denen eines seinen Namen trägt, und viele Spuren, die der Hoyerswerdaer in Afrika hinterlassen hat, auch durch materielle Hilfe.
Und dennoch ist es immer etwas Besonderes, wenn er nach seinen Reisen in seine Heimatstadt Hoyerswerda zurückkehrt. Der Lieblingsplatz, betont er, sei hier. Und einen einzigen Ort darin könne er da gar nicht benennen: „Ich sehe es umfänglich, das tägliche Leben in Hoyerswerda und bin glücklich hier.“ Auch seine Arbeitsstelle ist es nicht. Bei aller Freude, die sie ihm bringt, hat sie die bekannte Schattenseite aller Arbeit: Sie ist der Grund, dass er das, wie er schwärmt, reiche Hoyerswerdaer Kulturleben kaum genießen kann. Nach Feierabend habe er oft „die S… voll“ und sei zu müde, um sich noch ins Leben zu stürzen. Vor allem die Personalknappheit macht zu schaffen. Dabei trägt auch er seit Jahren zur Kultur in der Stadt bei. Früher im „Alten Konsum“ in Spohla, heute im „Sambesi“ bietet er Künstlern eine Bühne. Dazu kommen Vorträge über seine Reisen nach Westafrika in der Kufa und anderswo.
Er treffe auf viele offene Menschen, sagt er. Dankbar ist er für die Spenden, die er einsammeln kann und die er in Gambia für Baumaßnahmen, Ausbildung und auch mal kleine Freuden einsetzt. Mit wenig Geld könne man dort so viel verändern. Teuer ist allerdings die Logistik. Jede Kiste mit Spielsachen, Technik, Kleidern und liebevoller Handarbeit der Hoyerswerdaer Strickfrauen kostet bei der Mitnahme im Flieger mehr als einhundert Euro, auch im Container ist es kaum preiswerter. Dabei kommt ein Großteil der Spenden von langfristigen Unterstützern. Auch bei den Vorträgen seien die Menschen hilfsbereit, dennoch stehen Aufwand und das Ergebnis, am Gespendeten gemessen, oft in keinem Verhältnis. Es ist die Leidenschaft für das Land und die Menschen, die ihn darüber kaum nachdenken lassen.
Wie geht er mit den Menschen um, die für eine Hinwendung zu Afrika, ob emotional oder materiell, überhaupt nichts halten und die es auch in der Lausitz zweifellos gibt? „Wenn es ans Jammern und Meckern geht – da diskutiere ich nicht mit“, sagt er. Da würde er sich wünschen, sie kämen einmal mit. Sich „Argumente um die Ohren hauen“, das sei aber nicht seins.
Zeit und Energie steckt Gerstmann neben der täglichen Arbeit lieber in die Planung der nächsten Reise. Im November soll es losgehen zu seinem engen Freund Alpha, Patenkind Yankuba Ralf und all den anderen. Wer ihn unterstützen möchte, oder auch nur neugierige Fragen hat, kann sich jederzeit an ihn wenden – oder im „Sambesi“ im Zoo vorbeischauen.
- Kontakt Ralf Gerstmann: 0177 5470860