Hoyerswerda
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Lautas Bäume unter Dauer-Beobachtung

Zunehmender Mistelbefall und anhaltende Trockenheit machen der Naturschutz-Expertin im Rathaus große Sorgen.

Von Ralf Grunert
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Mindestens einmal jährlich wird jeder Baum in Verantwortung der Stadt Lauta von Rathaus-Mitarbeiterin Antje Weiß in Augenschein genommen, hier in der Westfalenstraße. Knapp 3.000 sind im Baumverzeichnis gelistet. Zur Kontrolle gehört immer ein Protoko
Mindestens einmal jährlich wird jeder Baum in Verantwortung der Stadt Lauta von Rathaus-Mitarbeiterin Antje Weiß in Augenschein genommen, hier in der Westfalenstraße. Knapp 3.000 sind im Baumverzeichnis gelistet. Zur Kontrolle gehört immer ein Protoko © Foto: Ralf Grunert

Lauta. Routiniert gleitet der Blick von Antje Weiß über eine Linde in der Westfalenstraße in Lauta. „Leichter Mistelbewuchs in der Krone“, stellt sie fest. „Kein Totholz.“ Das wurde im vorigen Jahr beseitigt. Am Stamm zeugen Einfaulungen vom unsachgemäßen Beseitigen von Ästen. Anfahrschäden auf der Straßenseite des Stammes kann sie keine entdecken. Auch die Wurzelanläufe der Linde sind in Ordnung. Hier kommt es zuweilen durch Bauarbeiten auf Gehwegen zu Beschädigungen, so die Erfahrung von Antje Weiß. „Der Baum ist verkehrssicher“, lautet ihre Einschätzung nach rund zweiminütiger Begutachtung. Und weiter geht’s zum nächsten Baum.

Die Routine kommt nicht von ungefähr. Seit zwölf Jahren sind die Naturschutzbelange der Schwerpunkt der Tätigkeit von Antje Weiß als Mitarbeiterin der Stadtverwaltung Lauta. Mindestens einmal jährlich nimmt sie jeden Baum, für den die Stadt verantwortlich ist, in Augenschein. Das sind laut einer Aufstellung vom September 2018 immerhin 2.859 Exemplare. Noch einmal so viele Bäume kommen im Stadtwald und auf den Grünanlagen hinzu.

Straßenbäume haben Vorrang

Zuerst sind die Gemeindestraßen an der Reihe, danach Nebenanlagen wie Friedhöfe und Sportplätze. Auch um die Bäume in den Kindertagesstätten kümmert sie sich. „Jeder Baumeigentümer muss seine Bäume kontrollieren und dafür sorgen, dass keine Gefahr von diesen ausgeht“, erklärt Antje Weiß und füllt das „Kontrollblatt für Regelkontrolle aus. „Denn wenn etwas passiert, muss man als Kommune nachweisen, dass man sich den Baum regelmäßig angeschaut und versucht hat, Schaden abzuwenden.“ Ältere Bäume werden häufiger kontrolliert, ebenso Bäume an stark befahrenen Straßen. Entlang der Kreis-, Staats- und Bundesstraße ist die Straßenmeisterei Hoyerswerda für die Bäume zuständig. Eine Ausnahme ist die Straße der Freundschaft in Lauta. Hier kümmert sich die Stadt um die Pflegemaßnahmen.

Wunden, die beim Beseitigen von Ästen entstehen, können einfaulen. Das ist hier nicht der Fall. Es gibt zwar eine Besiedlung durch den sogenannten Holzwurm, die ist aber räumlich eng begrenzt und stellt keine Gefahr für den Baum dar.
Wunden, die beim Beseitigen von Ästen entstehen, können einfaulen. Das ist hier nicht der Fall. Es gibt zwar eine Besiedlung durch den sogenannten Holzwurm, die ist aber räumlich eng begrenzt und stellt keine Gefahr für den Baum dar. © Foto: Ralf Grunert

Keine Chance auf Gesundung

In der Westfalenstraße steht Antje Weiß inzwischen vor einer weiteren Linde und registriert einen beginnenden Mistelbefall. „Hier würde es sich lohnen, im Winter großräumig die befallenen Äste zu entfernen. Dann würde man es komplett loswerden.“ Die nötige Hebebühne zu ordern, sei aber teuer, weiß die Fachfrau. Daher rechnet sie damit, dass sich die Misteln an diesem Baum weiter ausbreiten werden. Im letzten Winter musste in der Westfalenstraße eine stark befallene Linde gefällt werden. Dieses Schicksal droht auch den aktuell 69 Linden in der Passauer Straße und Berliner Straße. „Dort bekomme ich die Misteln nicht mehr raus. An manchen Linden gibt es mehr Misteln als Laubblätter. Über kurz oder lang werden wir uns von den Bäumen verabschieden müssen“, bedauert Antje Weiß, die mit Sorge auf das im Stadtgebiet und in den Ortsteilen generell zunehmende Mistel-Problem blickt.

Weniger Sorgen bereiten ihr die Pilze, die an „ganz, ganz vielen Bäumen“ wachsen. „Es gibt Bäume, die können Pilze abschotten. Mancher Pilzbefall bedeutet aber auch den sicheren Tod eines Baumes.“ Der aus ihrer Sicht gefährlichste Baumpilz ist der Brandkrustenpilz. „Der ist kaum zu erkennen. Er zersetzt das Holz. Und plötzlich fällt der Baum um.“ Bei ihrem Kontrollgang in der Westfalenstraße entdeckt Antje Weiß keine von diesem Pilz befallene Linde. Stattdessen erzählt sie vom Eichenwirrling, dieser schadet einer Roteiche, während ihn die Stieleiche verträgt. Und vom knallgelben Schwefelporling, der zum Beispiel an einem Baum an der Hauptstraße nahe der Bäckerei Mevius in Laubusch wächst, weiß sie, dass man ihn sogar essen kann. „Aber nur, wenn er jung ist.“

So wie an diesem Tag in der Westfalenstraße ist Antje Weiß, die Gartenbau studiert hat und sich für alles interessiert, was „kreucht und fleucht“, das ganze Jahr über zu Baumkontrollen unterwegs. Immer mal zwei, drei Stunden. Wenn das Wetter stimmt und es die Zeit erlaubt.“ Wichtig ist ihr, Veränderungen festzustellen. „Wenn ich dienstlich oder privat durch die Stadt fahre, habe ich immer ein Auge auf den Bäumen am Straßenrand.“ Stellt sie Veränderungen fest, werden diese natürlich dokumentiert, versichert Antje Weiß. „Auch weil es immer Leute gibt, die fragen, warum ein Baum gefällt wurde.“

Baumfällungen sind für sie das allerletzte Mittel. Manchmal bleibt allerdings nur die Entscheidung, einen Baum zu fällen oder ihn von einem Gutachter untersuchen zu lassen. „Letzteres kostet aber so viel Geld, dass wir nur bei besonderen Bäumen einen Gutachter hinzuziehen.“ Bei den rund 30 Birken und mehr als zehn Straßenbäumen, die in diesem Jahr in der Stadt gefällt wurden, war das nicht nötig. Die waren abgestorben. Vertrocknet. Und das ist eine neue Sorge, die Antje Weiß umtreibt. „Wenn es weiterhin so wenig regnet wie in den letzten drei Jahren, dann sehe ich für viele Straßenbäume schwarz.“