André Herzberg las und sang an Hoyerswerdas KulturFabrik

Hoyerswerda. „Du hast dich verändert / die wilden Jahre sind vorbei ...“ – nee, nicht Pankow, schon gar nicht deren in Glanzzeiten aufmüpfig-jungenhaft-punk-rotziger Sänger André Herzberg. Das ist der Immer-mal-wieder-Schmuse-Barde Peter Maffay. Trotzdem kamen mir diese neun Worte in den Sinn, als André Herzberg am Mittwochabend auf dem Freigelände der Hoyerswerdaer KulturFabrik, im Sommergarten, auftrat.
Gut 70 Gäste, die (bei freiem Eintritt) Herzberg sehen und vor allem hören wollten, hofften auf Pankow-Stücke (war nicht eine „musikalische Lesung“ angekündigt?) und nicht auf Maffay-Weisheiten, wie sie Andrés Bruder Wolfgang Herzberg, der als „Frauke Klauke“ Pankow in deren besten Zeiten betextet hatte, wohl nie in den Sinn gekommen wären.
„Pankow“ – das lässt sofort das grandiose „Lied von der Seensucht“ heraufdämmern. Das nicht minder schöne „Die wundersame Geschichte von Gabi“, „Kommst du runter“ („Rock’n’Roll im Stadtpark“), „Inge Pawelczyk“ oder (beim Autor dieses Beitrages aber eher nicht ...) „Paule Panke“, jenes etwas ratlos stimmende Gegenstück zu „Tommy“ von den Who – der dauergenervte und mindestens genau so dauernervende DDR-Lehrling, der „wie ’ne Eule / auf ’ner dicken Eisenbeule“ herumfeilte. Nun ja; jede Band hat so ihre peinlichen Momente. Nicht einmal die Rolling Stones, auf die sich Pankow berufen konnten, was man den vorgenannten Stücken anhörte, also nicht einmal die Stones waren vor Fehltritten gefeit (man höre „Their Satanic Majesties Request“ -1967-).
Die meldeten sich aber 1968 mit „Beggars Banquet“ um so eindrucksvoller zurück. So war es ja auch mit „Pankow“ und deren Album „Aufruhr in den Augen“ (1988). Die DDR (also deren Führungs-Nomenklatura) konnte sich zwar noch heftigst empören, hatte aber schon nicht mehr die Kraft, Entscheidendes gegen Pankow zu unternehmen. Zumal die Band 1989 mit der unangreifbaren Big Band des Stabes der Gruppe der Sowjetischen Streitkräfte in Deutschland durch die DDR tourte – und dabei Songs vom „Aufruhr“-Album spielte. Wie etwa „Langeweile“: „Dasselbe Land zu lange gesehn‘ / Dieselbe Sprache zu lange gehört. // Zu lange gewartet, zu lange gehofft / Zu lange die alten Männer verehrt. / Ich bin rum gerannt, / Zu viel rum gerannt. / Zu viel rum gerannt. / Und ist doch nichts passiert.“
Und nun doch noch Hoyerswerda
Warum hier nun so wenig vom Hoyerswerdaer Abend die Rede ist? Weil er die Erwartungen derer, die der Musik halber gekommen waren, kaum bedienen konnte. Herzberg las aus seinem Roman „Was aus uns geworden ist“, beschreibend jüdische Jugenden in der DDR; in seiner Unerheblichkeit seltsam kalt lassend oder in den ansatzweise Interesse weckenden Passagen schon während des Vortrags im Publikum heftig und kontrovers diskutiert: Hätte in der DDR etwa ein Jugendlicher, der 1968 mit einem „Freiheit-für-Dubček“-Plakat (*) erwischt worden sei, tatsächlich zu drei Jahren Haft verurteilt werden können???
Dann gab’s nach der Pause und einem weiteren Lesestück doch noch ein bisschen Pankow. Und natürlich „Langeweile“; an Intensität gewinnend mit der Dunkelheit und dem diabolisch roten Bühnenlicht. Zur Unkenntlichkeit verändert hat sich André Herzberg eben doch nicht: Rock’n’Roller bleiben es auf „Lebenszeit“ – auch wenn das nun wieder von den Puhdys stammt.
P.S.: Pankow-Gitarren-Champion Jürgen Ehle ist derzeit auch auf Tour: mit Andreas Dresen, Alexander Scheer und Songs des (Hoyerswerdaer) Rock-Poeten Gerhard Gundermann. Vielleicht wäre ja auch das mal eine KuFa-Einladung wert.
* = 1968 hatten Truppen der Sowjetunion den „Prager Frühling“ in der CSSR; ausgerufen vom dortigen Chef der Kommunistischen Partei, Alexander Dubcek, „niedergewalzt“ und Dubcek inhaftiert. Proteste in den der SU verbundenen Staaten gegen diese Intervention wurden meist (juristisch konstruiert-„gerechtfertigt“) rigoros bestraft.