Hoyerswerda
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Auf der Suche nach einem historischen Erlkönig

Das Einzelstück eines variierten Wartburg-311-Prototypen war einst in Hoyerswerda unterwegs.

Von Uwe Jordan
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Dresden, 1964/65, Vorstellung von Prototypen. Gut erkennbar: geänderter Grill und eckige Form der hinteren Seitenscheibe/ Fahrgastkanzel am 311er.
Links: HT 300 mit aluminiumgerahmter hinterer Seitenscheibe.
Dresden, 1964/65, Vorstellung von Prototypen. Gut erkennbar: geänderter Grill und eckige Form der hinteren Seitenscheibe/ Fahrgastkanzel am 311er. Links: HT 300 mit aluminiumgerahmter hinterer Seitenscheibe. © Foto: Liedtke

Hoyerswerda. Für Autofreunde ist es ein Erfolgs-Erlebnis, einmal einen Erlkönig zu sehen – einen schwarz lackierten, mit irritierenden weißen Mustern versehenen Prototypen auf Testfahrt; ohne jeglichen Hinweis auf den Hersteller. So getarnt, auf dass Konkurrenz und Journalisten vor der offiziellen Präsentation und Serienreife möglichst wenig, am besten gar nichts davon ahnen, wie der „Neue“ aussieht. In den Handel oder private Hände kommen diese Einzel-Exemplare meist nicht: Sie werden vom Werk wieder eingezogen.

In der frühen DDR war das ein bisschen anders. So viele Prototypen gab es ja nicht bei zwei Werken, die offiziell nicht konkurrierten. Werbung im eigenen Land hatten weder Wartburg Eisenach noch Trabant Zwickau angesichts der unstillbaren Nachfrage nach ihren Produkten nötig. Grundlegende Neuschöpfungen waren weder erwünscht noch gestattet. Revolutionäre Neuerungen blieben auf dem Reißbrett, bestenfalls Modelle oder Einzel-Exemplare, die das Werk selten bis nie verließen.

Geburtsort: Karl-Marx-Stadt

„Neue Modelle“ waren in der Regel nur in Details verändert, oft unter der Motorhaube – unsichtbar. Gab es doch einmal behutsame Umgestaltungen, wurden die Ur-Typen unters Volk gebracht: Jedes Auto half. So gelangte wohl der unten links gezeigte Wartburg 311 nach Hoyerswerda. Vom Normalmodell unterschieden ihn Grill und Motorhaube (von AWE*-Chefdesigner Hans Fleischer für den Wartburg-Hardtop-Sportwagen -300 HT- entwickelt und auch an diesem 311er verwendet) sowie eine veränderte Heckpartie der Fahrgastkanzel.

Die Erinnerung an ihn hat jetzt Jürgen Haink wiederbelebt: Er führt für Deutschland und die Anrainerländer das inoffizielle Register aller noch existenten 300 HT (und besitzt selbst einen). Im Zuge solcher Recherchen fiel ihm ein HT-Foto von 1964/65 in die Hand, bei dem, siehe oben, vor dem Hardtop-Prototypen ein schwarzer 311er „posiert“, der unüblich aussieht. Er soll ein Probebau sein, entstanden im Wissenschaftlich-Technischen Zentrum (WTZ) Karl-Marx-Stadt (heute wieder Chemnitz), das im Auftrage des KWD (Karosseriewerkes Dresden) die Betriebsfestigkeitsprüfung für den 300 HT vornahm und bei dieser Gelegenheit die gezeigte 311er-Abart schuf. Anders als der 300 HT aber blieb der 311er ein Einzelstück, den es nach Hoyerswerda verschlug, wo er, neu lackiert, bis mindestens um 1985 lief und lange Zeit am Elsterbogen stand – ohne dass jemand das kaum merkliche Besondere erkannt hatte.

Mittlerweile ist der Wagen verschollen – aber es wäre interessant, etwas zu seinem Schicksal zu erfahren. Wer sich erinnert oder helfen kann, wird ganz herzlich gebeten, sich bei TAGEBLATT zu melden.

* AWE = Automobilwerk Eisenach, namentlicher Vorläufer des Wartburg-Werks