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Die Woll-Frau schafft Kunstwerke für die Region

In Lauta geboren, in Zerre/Spreewitz aufgewachsen, in Trattendorf gearbeitet, in Spremberg und Hoyerswerda bestens bekannt: Edith Stübke.

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Heidrun Weinhold aus Cantdorf und Edith Stübke (re.) beim Spinnen.
Heidrun Weinhold aus Cantdorf und Edith Stübke (re.) beim Spinnen. © Foto: Jost Schmidtchen

Von Jost Schmidtchen

Spremberg. Für zwei Dinge schlägt ihr Herz: für das Ostereierverzieren – und für das Wolle-Spinnen. Auf Ostermärkten im Sorbischen Kulturzentrum (SKC) Schleife, in der Lausitzhalle Hoyerswerda, im Landhotel Neuwiese, in Lübbenau und im Niederlausitzer Heidemuseum Spremberg ist sie mit ihren kleinen Kunstwerken ebenso präsent wie auf zahlreichen regionalen Märkten mit ihren Wollprodukten: Edith Stübke aus Spremberg.

Schon mit 15 ein Arbeitsvertrag

Geboren wurde sie im Januar 1937 in Lauta. Den Kriegswirren geschuldet, wohnte sie ab 1945 mit ihrer Mutti in Zerre. Dort ging sie auch zur Schule. Die 8. Klasse schloss sie dann in Spreewitz ab. Auch die Dorfschulen waren zu dieser Zeit bereits mit Neulehrern besetzt und in Spreewitz beherrschte einer von ihnen die Stenografie. Die vier Mädchen in der Klasse interessierten sich dafür und bekamen die Geheimnisse dieser Schreibkunst nach Schulschluss vermittelt. Nach dem Abschluss der 8. Klasse 1951 lernte Edith Stübke privat in Spremberg die Stenografie weiter und erhielt mit bereits 15 Jahren den Abschluss als Stenotypistin. Damit waren die Weichen für ihr ganzes berufliches Leben gestellt: Am 21. Juli 1952 bekam sie im neu entstehenden Kraftwerk Trattendorf einen Arbeitsvertrag. Mit erst 15 Jahren – aber im Jugendkraftwerk wurden solche tüchtigen Mädchen sofort willkommen geheißen. 40 Jahre war Edith Stübke dort tätig. Zu ihrem 55. Geburtstag erhielt sie ein besonderes Geschenk: den Rentenbescheid. Das war natürlich Zufall.

Vom Hobby zum Lebensunterhalt

Aber zurück in die Kindheit: Im Wohnhaus in Zerre wohnte auch eine Wendin. Diese Nachbarin hatte ein Spinnrad und mit dem darauf gesponnenen Zwirn flickte Edith Stübkes Mutter die kaputten Säcke aus der Mühle, die der Onkel in Oberteschnitz betrieb. 1954 gab es eine ganz besondere Überraschung: Die Mutter brachte ein Spinnrad mit – ein Ausstellungsstück von der Leipziger Messe! Das Original ist bis heute erhalten. Edith Stübke oblag es nun, damit etwas zu machen. Aus der Not der Zeit wurde das Hobby zum Lebensunterhalt für die große Familie. Schafwolle kam nun zum Einsatz, es entstanden Strickjacken, Socken, Pullover und manches mehr. Später verschwand das Spinnrad auf dem Boden, Edith Stübke heiratete. Bei HO und Konsum gab es dann solche Kleidung auch zu kaufen.

1995 ein Neuanfang

Mit den Ostereiern hatte es ebenso seine traditionelle Bewandtnis. Ihr Opa und die Mutter malten meist am Karfreitag, Edith war für das Färben der Eier zuständig. Nach der Wende entstanden die Ostermärkte, und da fing Edith Stübke ganz einfach selbst mit dem Malen an. Die Eier verziert sie bis heute in der Wachsbossiertechnik, und selbstverständlich mit sorbischen Motiven. Vom Umfeld der Ostermärkte inspiriert, fing sie 1995 auch wieder mit dem Wolle-Spinnen an. Über die Märkte erhielt Edith Stübke Kontakte zu regionalen Schäfern, den Rest der Wolle in allen Farben bezieht sie aus Versandhauskatalogen.

Kontakte entstanden auch zu Gleichgesinnten aus Berlin, Brandenburg und Sachsen. Die Spremberger Heimatfeste und die Dorffeste und Märkte im Umland boten dazu beste Gelegenheit. Überall waren Leute unterwegs, deren Hobby ebenfalls die Spinte ist. Seit 2008 war der gemeinsame Treff bei Rüdiger Budek auf dem Niedersorbischen Bauernhof in Hornow. Der war gut gewählt, denn bei Rüdiger Budek konnte man so richtig in das Spinnrad schauen, weil er das Handwerk bestens beherrscht. Inzwischen war es auch möglich, Wolle von Alpakas zu verspinnen. Zum Freundeskreis gehören Familie Krüger aus Schenkendöbern und Familie Besser aus Kreba-Neudorf. Beide Familien haben Alpakas in ihrem Besitz. 2019 wechselte die Gruppe nach Spremberg in das „Sonntagsche Haus“. Es ist das älteste Wohnhaus in der Stadt. Das denkmalgeschützte Fachwerkgebäude liegt im Zentrum, in der Burgstraße 9, in der Nähe der Kreuzkirche. Es ist über 400 Jahre alt. Älteste Teile stammen von 1580. Benannt wurde es nach seiner letzten Bewohnerin Gretel Sonntag, die 1900 im Haus geboren wurde und bis 1989 darin lebte. Heute gilt es als nicht nur als das älteste (Wohn-), sondern auch als das kleinste Haus der Stadt und wird von einem Verein gepflegt. Die Interessengemeinschaft „Sonntagsches Haus Spremberg e. V.“ übernahm das Anwesen 2012 nach mehr als 20-jährigem Leerstand. Nach liebevoller Sanierung steht es heute der Öffentlichkeit für Begegnungen und gesellige Momente zur Verfügung. Dieses Angebot nutzt auch die Spinngruppe um Edith Stübke. Der Freundeskreis ist groß: Er reicht bis Berlin und Frankfurt (Oder). Von dort kommen die Freunde allerdings nicht zu jedem Treff, der alle vier Wochen stattfindet. Aber aus den näher gelegenen wie Forst, Schenkendöbern, dem Spreewald, aus den Ortsteilen Drebkaus, Klein Kölzig und natürlich aus Spremberg und dem Ortsteil Cantdorf.

Für Edith Stübke schließt sich hier der Lebenskreislauf, der in Zerre mit einem Spinnrad begann und nun im Kreis Gleichgesinnter in Spremberg seine Vollendung findet. Darüber ist sie glücklich. Dieser Tage feiert Edith Stübke 85. Geburtstag.