Ein ganzes Berufsleben in der Bäckerei Ermer

Bernsdorf. Eine Kundin reicht wie selbstverständlich ihre Geldbörse über die Verkaufs-Theke der Filiale der Bäckerei Ermer an der Dresdener Straße in Bernsdorf. „Da muss ich mir aber jetzt die Hände waschen, wenn ich Dein Portemonnaie nehme“, scherzt Angelika Knabe, fischt mit von Handschuhen bedeckten Fingern das nötige Kleingeld heraus und betont: „Wegen der Hygiene.“
Corona, so stellt sie schmunzelnd klar, sei kein Problem. „Ich war heute beim Test.“ Die Kundin lächelt zurück. Man kennt sich eben. Und doch ist sie überrascht, als sie erfährt, dass es der letzte Arbeitstag von Angelika Knabe ist. Die 63-Jährige verabschiedet sich an diesem 30. April in den Ruhestand. Wie aufs Stichwort erscheint ihr Chef Roland Ermer mit einem Präsentkorb. Eine Überraschung und Anerkennung zugleich für Angelika Knabe, denn sie ist nicht nur die dienstälteste Mitarbeiterin, sie war auch ihr gesamtes Berufsleben als Verkäuferin in der Bäckerei Ermer tätig – immerhin 45 Jahre lang.
Mit 19 Jahren hatte Angelika Knabe ausgelernt. „Am 15. Juli 1976 war meine Freisprechung. Am 16. Juli habe ich bei Ermers angefangen“, nennt sie die Daten wie aus der Pistole geschossen. Mit Zahlen kommt sie schon immer bestens zurecht. „Ich habe schon als Kind gern gerechnet und mit Geld gespielt.“ Im Alter von 14 Jahren hat sie in der Eisdiele in Bernsdorf gejobbt. Der Weg zur „Vollblutverkäuferin“, wie Roland Ermer sie bezeichnet, war ihr gewissermaßen vorgezeichnet. Vom Rat des Kreises, so schildert Angelika Knabe, sei ihr damals eine Lehrstelle in der Fleischerei Grubert in Bernsdorf zugewiesen worden. Dort sei sie aber nicht übernommen worden. „Über jemanden in der Pfarrgemeinde hatte ich gehört, dass der Bäcker Ermer eine Verkäuferin suchte.“ Sie begann im damals einzigen Laden direkt an der Bäckerei am Schmelzteich. Ihr heutiger Chef war seinerzeit gerade mal zwölf Jahre alt.
Dass sie letztlich ihr gesamtes Berufsleben hinter der Verkaufs-Theke von Ermers verbringen würde, konnte sie damals nicht ahnen. Sie hatte im Verlauf der Jahrzehnte allerdings auch nie das Bedürfnis, sich anders zu orientieren. „Warum hätte ich wechseln sollen?“, fragt sie sich. „Die Kunden mochten mich. Ich kenne fast alle Kunden mit Namen. Teilweise sind es schon die Enkelkinder, die man bedient.“
Als die Bäckerei Ermer im Jahr 1992 ihre erste Filiale im damaligen Plus-Markt und späteren Penny an der Dresdener Straße eröffnete, war Angelika Knabe dabei. Nach der Penny-Schließung folgte der Umzug ins heutige Geschäft direkt an der Dresdener Straße an der Kreuzung am „Deutschen Haus“. Die 63-Jährige fühlte sich wie in einem zweiten Zuhause, erzählt von den Omis, die vom betreuten Wohnen mit dem Rollator vorbeischauen und von den Älteren aus dem Neubaugebiet, die schwatzen wollen. „Der Kundenkontakt und das Bedienen haben mir immer Spaß gemacht.“ Das werde sie vermissen, glaubt Angelika Knabe, die sich trotz Ruhestand vorstellen kann, ab und an mal bei Ermers auszuhelfen. Wenn es der Garten und die Enkelkinder zulassen, versteht sich. Vorbereitet auf den Ruhestand ist sie jedenfalls bestens. „Ich habe zu meinem Radio-Wecker gesagt: Du brauchst mich nicht mehr wecken!“