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Heimat ist wie eine Wurzel

Schul- und Heimatstube Tätzschwitz besteht 20 Jahre. Sorbische Geschichte und Trachten sind fester Bestandteil.

Von Andreas Kirschke
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Der untere Raum der Schul- und Heimatstube Tätzschwitz widmet sich vor allem der Tätzschwitzer Schul- und Heimatgeschichte. Martina Petschick zeigt das nachgestaltete kleine Klassenzimmer.
Der untere Raum der Schul- und Heimatstube Tätzschwitz widmet sich vor allem der Tätzschwitzer Schul- und Heimatgeschichte. Martina Petschick zeigt das nachgestaltete kleine Klassenzimmer. © Foto: Andreas Kirschke

Tätzschwitz. Ein gemaltes Porträt erfüllt Martina Petschick in der Schul- und Heimatstube Tätzschwitz mit Stolz: Es zeigt die Großmutter ihres Mannes als sorbische Braut. Der tschechische Maler und Schriftsteller Ludvik Kuba (1863-1956) porträtierte Hanna Kobalz aus Schwarzkollm auf einer seiner Reisen durch die Lausitz im Jahr 1923. „Sie trägt die sorbische Hochzeitstracht des Schwarzkollmer Kirchspiels. Das Original dieses gemalten Bildes ist heute auf der Prager Burg ausgestellt“, unterstreicht Martina Petschick, Vorsitzende des seit 2011 bestehenden Vereins Schul- und Heimatstube Tätzschwitz e. V. Mit Freude führt sie durch den neu gestalteten oberen Raum.

Ein Zeitsprung nach 1948

Er ist frisch tapeziert und gemalert. Vitrinen prägen den Raum. Das Stadtmuseum Hoyerswerda stellt sie kostenlos als Leihgabe bereit. Vom Erlebnishof Krabatmühle Schwarzkollm erhielt die Heimatstube einen robusten Holztisch mit Stühlen geschenkt. Gestaltet durch die Werbe-Agentur Wolfgang Siegel aus Lauta und übersetzt durch Jan Krahl vom Hoyerswerdaer Servicebüro für sorbische Sprache ist die zweisprachige Tafel „Die große sorbische Bauernhochzeit“. Bis Ende der 1930er-Jahre gab es solche Trauungen im Ort. Die letzte sorbische Hochzeit mit Ehrengeleit in Tätzschwitz fand 1948 mit dem Paar Emma und Paul Schmaler statt. „Der Hochzeitsbitter (brjaška) wurde mit der Verlobung zur Vorbereitung und Leitung der Hochzeit bestellt. Er übernahm die Einladung der Gäste, bestimmte die Zusammensetzung der Mahlzeiten, teilte die Paare ein und geleitete die Hochzeitsgesellschaft zur Kirche“, vermerkt die Tafel. Vor der Trauung, noch im Hochzeitshaus, gab es meist einen humorvollen Dialog zwischen Hochzeitsbitter und Brautvater. Zuerst wurde dem Bräutigam eine alte Frau, dann ein Schulmädchen gebracht. Erst dann war die richtige Braut an der Reihe. „Zu diesem Spaß war der Hof voller Frauen und Kinder. Es wurde eine Milchkelle herumgereicht – voll Malzbier“, vermerkt die Tafel. „Jeder durfte daraus trinken, auch die Kinder. Danach ging es mit Musik zur Kirche.“ Meist dauerte eine sorbische Bauernhochzeit zwei Tage. Ein langer Aussteuer-Zug begleitete sie. Stammte die Braut aus einem anderen Dorf, fand die Aussteuer-Zeremonie erst am zweiten Tag statt. „Man zeigte, was man hatte“, erzählt Martina Petschick. „Auf die Einhaltung aller Sitten wurde streng geachtet. Bei jeder Hochzeit war zum Backen das Hintragen von zwei Pfund Butter, Milch und Eiern Sitte. Vor allem waren dazu die Paten, Brautjungfern und Brautdiener, verpflichtet. Dafür bekamen sie vor dem Fest einen ganzen Blechkuchen ins Haus gebracht.“ Nach vier Wochen folgte die sogenannte „Junge Hochzeit“: Brautdiener und Brautjungfern kamen zu Kaffee und Kuchen. Sie nahmen die Girlanden an der Tür und am Hoftor ab. Erst jetzt durften die Brautleute wieder ihre Elternhäuser besuchen.

Eine Vitrine im neu gestalteten Raum der Schul- und Heimatstube zeigt wertvolle Trachtenteile großer Festtrachten von einst. Die Exponate reichen vom großen Perlenlatz über die weiße Spitzenhaube der verheirateten Patin bis hin zur weißen Festtracht-Schürze mit wertvollen Lochstickereien, Seidentüchern und Schleifen in verschiedenen Ausführungen.

Lebendige Zweisprachigkeit

„Vor der Heimatstube, an der Friedens-Eiche bringen wir mit Unterstützung der Firma Siegel aus Lauta eine Informationstafel in Wort und Bild zum Dorf sowie zur Heimatstube an. Besucher sollen so für die sorbische Geschichte unseres Ortes sensibilisiert und auf Besonderheiten hingewiesen werden“, sagt Martina Petschick. „Natürlich wird der Text dieser Tafel zweisprachig erscheinen. Außerdem gestalten wir Flyer und Infokarten neu.“ All dies ist möglich dank Mitteln aus dem Wettbewerb Sächsischer Mitmachfonds“. Der Verein nahm 2020 daran teil. In der Rubrik „Lebendige Zweisprachigkeit“ gewann er 5.000 Euro Preisgeld. „Das setzen wir jetzt gezielt ein“, sagt die Vorsitzende. Bereits 2015 und 2017 ließ der Verein aufwendig Küche und Toilette modernisieren. Dank Mitteln der Lausitzer Seenland Stiftung war dies möglich.

Jetzt folgten 2021 – dank des Preisgeldes aus dem Mitmachfonds – weitere Maßnahmen. Starke Unterstützung kam von der Domowina-Regionalsprecherin Sonja Rehor, von Zeißigern, von Schwarzkollmern, vom Bürgermeister der Gemeinde Elsterheide (Dietmar Koark) und von engagierten Vereinsmitgliedern, die sehr viele Arbeiten in Eigenleistung schafften.

Schulchronik war Grundlage

Der Raum im Erdgeschoss – das frühere Klassenzimmer der Evangelischen Volksschule Tätzschwitz (1902-1964) – zeigt vor allem die Schulgeschichte. 2001, zum Jubiläum „600 Jahre erste urkundliche Erwähnung Tätzschwitz“, wurde die Schul- und Heimatstube im ehemaligen Klassenzimmer eingerichtet.

Der Anfang war schwierig, wie Martina Petschick erzählt. Vor allem nach der Wende hatten viele Tätzschwitzer ihre Haushalte entrümpelt: Sie räumten ihre Dachböden aus. Martina Petschick suchte viele Einwohner auf. Sie bat um Dauerleihgaben für ein künftiges kleines Dorfmuseum. Dessen Grundlage war die Ortschronik. 1994 war sie fertiggestellt. 2001 erschien die zweite Auflage. In mühevoller Kleinarbeit schrieb Martina Petschick diese Chronik.

Karl Miesner, Helene Mittig, Hanna Mrosk, Hanna Buban und weitere Einwohner unterstützten sie dabei tatkräftig. Die mit Hand geschriebene Schulchronik von Lehrer und Kantor Arthur Winkler diente als wertvolles Zeitdokument, ebenso Protokollbücher des Männergesangs-Vereins sowie der Raiffeisen- und Elektrizitätsgenossenschaft.

Hinzu kamen Schulfotos, Statistiken und Auszüge aus Original-Schüler-Aufsätzen. Nachgestaltet ist ein kleines Klassenzimmer mit Original-Schulbänken, Lehrbüchern und Schiefertafeln.

Jetzt wirkt der Ausstellungsraum deutlich übersichtlicher. Der Verein sichtete sämtliche Quellen und Unterlagen neu. Die Exponate wurden neu ausgewählt und sortiert. Wichtige Quellen wie die Schulchronik (begonnen 1909 durch Lehrer und Kantor Arthur Winkler), Aufsätze, Zeugnisse und Unterlagen sind jetzt „unter Glas“ in Vitrine ausgestellt. Ein Register-Bord soll künftig Bücher zeigen. So können die Besucher innehalten und sich je nach Interesse einlesen. „Wir wollen die prägende Geschichte und Kultur unseres Ortes bewahren: Was war für unsere Vorfahren lebenspraktisch und lebensnotwendig? Welche Werte gaben sie ihren Kindern weiter? Wie lebten und bewältigten sie ihren Alltag? Um all das geht es“, meint die Vorsitzende und betont: „Wir wollen Ortsgeschichte bewahren. Ein Mensch ohne Heimat ist wie ein Baum ohne Wurzeln.“

Am 12. September und 10. Oktober

Am 10. Oktober will der Verein würdig das Jubiläum „20 Jahre Schul- und Heimatstube“ feiern. Zu diesem Anlass soll die Tafel an der Friedens-Eiche eingeweiht werden. Um 14 Uhr ist deutsch-sorbischer Trachtengottesdienst zum Erntedankfest in der Tätzschwitzer Kirche mit Pfarrer Dr. Stefan Reichelt. „Ein kleiner Festumzug ist geplant, ebenso eine Kaffeetafel im Gasthof und kleine Überraschungen“, sagt Martina Petschick. „Wir freuen uns auf viele Besucher. Besonders willkommen sind Trachtenträgerinnen aus den umliegenden Gemeinden.“ Trachtengottesdienste finden in Tätzschwitz seit 2009 statt. Bereits am 12. September, zum Tag des offenen Denkmals, können Interessierte erstmals die Schul- und Heimatstube wieder besichtigen. Ab 14 Uhr gibt es Führungen.

Schul- und Heimatstube Tätzschwitz: Am Wiesengrund 2, 02979 Tätzschwitz (Elsterheide). Kontakt: Martina Petschick, Tel. 035722 37831 oder Tel. 0151 47843449
[email protected]

Hinweisschild für potenzielle Besucher, was sie in diesem farbenfroh gestalteten Haus erwartet.
Hinweisschild für potenzielle Besucher, was sie in diesem farbenfroh gestalteten Haus erwartet. © Foto: Andreas Kirschke