Von der HO zur Seebühne zum Schloss

Hoyerswerda. Wer die Bregenzer Festspiele kennt, weiß um die imposanten und beeindruckenden Bühnenbilder, die Jahr für Jahr neu auf der weltweit größten Seebühne, auf dem Bodensee errichtet werden. Und, dass dabei viele Hände nötig sind, steht außer Frage. Martina Riedel ist in den letzten beiden Wochen vor der Premiere von „Madame Butterfly“ vor Ort tätig gewesen.
Sie hat bei der Requisite mitgearbeitet und bei der Bemalung der Bühne geholfen. Schon vier Mal war sie dabei. Doch viel bekannter dürfte in der Region ihre Mitarbeit an der Ausgestaltung der jährlichen Aschenbrödel-Ausstellung auf Schloss Moritzburg sein. Der überdimensionale Brautschuh ist in ihrer Werkstatt entstanden. Über den Umgang mit der Requisite ärgert sich die 62-Jährige allerdings. Nicht selten sind Besucher in den Schuh gestiegen, sogar Stücke wurden schon aus dem Objekt aus Leichtbeton herausgeklopft.
Den Anfang bei der HO gemacht
Martina Riedel stammt aus Hoyerswerda, ist hier aufgewachsen und zur Schule gegangen. Mit 16 Jahren verließ sie die Stadt Richtung Cottbus, wo sie eine Berufsausbildung mit Abitur ablegte – ab 1959 ein Bildungsweg in der DDR. Sie erlernte den Beruf der Gebrauchswerberin. Die Gestaltung von Schaufenstern und Verkaufsräumen war ihre Aufgabe. Als ersten Arbeitsplatz nennt die Handelsorganisation in Hoyerswerda. Heute ist Martina Riedel nur noch sporadisch in der Stadt, hat noch einen Bruder samt Nichten hier.
Nähen als Grundlage
Besonders von ihrer Mutter wurde Martina Riedel geprägt. Sie erzählt, dass sie Schneiderin war, sie von ihr das Nähen gelernt hat. „Als DDR-Kind hat man sowieso versucht, viel selbst zu nähen“, erinnert sie sich zurück. Sie fand den Weg zur Bühne, war viele Jahre an der Semperoper in Dresden, bevor sie im Jahr 1994 das Haus verließ. Eine Erkrankung hatte zum Teil mit dem Weggang zu tun.
Wie es weitergehen sollte, war der gebürtigen Hoyerswerdaerin zunächst nicht klar. Wieder Schaufenster gestalten? „Ich dachte nicht, dass ich dann wieder auf die Füße komme“, beschreibt sie ihre Sorge nach diesem Bruch in ihrem Arbeitsleben. Sie machte sich selbstständig und die Kontakte zur Oper und in den Kulturpalast blieben bestehen. Das sorgte durchaus für weitere Anfragen. Im Rückblick meint Martina Riedel: „Das Nähen kam mir zugute.“
Die Arbeit verlagerte sich von Bühnen auch in Ausstellungen. Heute umfasst Martina Riedels Arbeitsbereich alles rund um Eventdekorationen, Bühnenausstattung, Schaufenster und Stoffe. Sie gestaltet auch Messestände, hat schon bei Fernseh-Aufzeichnungen die Ausstattung verantwortet oder richtet Gastronomiebetriebe ein. „Das läuft oft auf Empfehlung“, ist in vielen Bereichen die Erfahrung. Beim Semperopernball hat sie ebenso schon mitgewirkt.
Eine Grundlage in ihrem Beruf ist, dass man kreativ ist. „Was sind die Kernthemen“, fragt Martina Riedel bei einem neuen Auftrag, außerdem möchte sie bei persönlichen Anliegen die Menschen dahinter kennenlernen, um auf die individuellen Bedürfnisse reagieren zu können. Außerdem hat sich für Martina Riedel gezeigt, dass Kunden es mögen, wenn die Leistungen aus einer Hand kommen. So können Materialien sowohl gemietet, als auch gekauft werden.
Auf 4.000 Quadratmetern und zwei Etagen lagert der Fundus von Martina Riedel. Dazu gehört eine Werkstatt. Als besonders ungewöhnliche Objekte in ihrem Bestand nennt die Dresdenerin eine lebensgroße Kuh, die mal für die Grüne Woche entstand und einen halben Trabi. Wenn früher eher mal eine Handskizze zur Verdeutlichung gedient hat, ist es heute eher ein Grundbau, der mit dem Kunden besprochen wird.
Märchenhaftes in Hoyerswerda
Dass sich Martina Riedel mit Prinzen, und Zauberei auskennt, das märchenhaft in Szene setzen kann, hat sie in Moritzburg schon mehrfach unter Beweis gestellt. Bald kann sich auch das Publikum in Hoyerswerda davon ein Bild machen. Denn beim Märchenfest in Zoo und Schloss Hoyerswerda am 20. und 21. August wird sie mit Requisiten zur Ausgestaltung beitragen. Mit dabei sein soll auf jeden Fall ein großer Thron, der golden glänzt, erlaubt sie einen Blick in die Vorbereitungen. Und überhaupt sprudeln beim Thema Märchen die Ideen nur so … Mit Hexe, Nixe, Spinnrad, Schneeflocken und Rosenbogen lässt sich so manche Szene gestalten, die dann im Zoo entdeckt werden will.
Über strahlende Kinderaugen
Als schönstes Erlebnis im Prozess beschreibt Martina Riedel, wenn ein Projekt gelungen ist und das dann vom Auftraggeber zu erfahren ist. Eher selten kriegt sie direktes Feedback von dem Publikum, das mit der Arbeit erreicht wird. Doch eine Ausnahme ist dabei der Weihnachtszirkus in Dresden – vor allem, wenn bedürftige Kinder eingeladen sind und die Reaktion auf die Vorstellungen ganz direkt die Organisatoren erreichen. Da ist Martina Riedel auch mal länger vor Ort, packt mit an und zeigt sich einfach froh über die strahlenden Kinderaugen.
Zu Bestzeiten haben 10 bis 12 Angestellte Martina Riedel unterstützt. Doch das war in der jüngsten Vergangenheit einfach nicht haltbar. Die Dekorateurin meint in diesem Berufszweig, einfach durch’s Raster gefallen zu sein, was Überbrückungshilfen anbelangt. Doch sie macht deutlich und steht dafür ein, dass man sich nicht hängenlassen sollte. Wenn sie auch etwas wehleidig auf die Opernzeiten schaut, so hat es sich für sie gelohnt, einen neuen Weg gefunden zu haben.
Märchenfest in Zoo und Schloss: 20. und 21. August, 11-18 Uhr