Wie kann neue Technik Senioren ihr Altern erleichtern?

Hoyerswerda. Ein Forschungsprojekt, das von der in Hoyerswerda ansässigen Arbeiterwohlfahrt koordiniert wird, bekommt für die nächsten sechs Jahre 15 Millionen Euro an Bundesmitteln. Mit der Finanzierungszusage des Forschungsministeriums kann „Zukunfstechnologien für ein gelingendes Alter(n) im ländlichen Raum“ nach einer neunmonatigen Konzeptionierungsphase nun starten.
Das Center für Open Digital Innovation und Participation (Codip) der TU Dresden und die Awo gaben am Freitag bei einer Pressekonferenz in Hoyerswerda symbolisch den Auftakt. Einbezogen sind nach ihren Angaben 94 Partner, darunter die LebensRäume-Genossenschaft, das Seenland-Klinkum, das ZCOM oder das Gründer- und Gewerbezentrum Dock³ Lausitz in Schwarze Pumpe ebenso wie die Berliner Charité, die AOK oder die Brandenburgische Technische Universität.
„Wir haben uns ein Innovationsfeld gesucht, mit dem es gelingen soll, auch Wertschöpfung in die Region zu bringen“, sagt die wissenschaftliche Leiterin Dr. Kristina Barczik vom Codip. Es geht bei der sogenannten Gerontechnologie um die Frage, wie digitale Lösungen helfen können, Alterserscheinungen zu begegnen. Das Feld reicht von der elektronischen Patientenakte für Pflegekräfte über Rollatoren mit Sensoren, die Stürze melden bis hin zu online organisierter Nachbarschaftshilfe.
Pflegeheim-Bau startet 2022
Awo-Chef Markus Beier sagt, in Vorbereitung seien zunächst 15 ganz konkrete Umsetzungs- beziehungsweise Modellvorhaben. Als Schlagworte genannt wurden unter anderem die Erprobung von Wasserstoff-basierten Ideen in Kamenz oder der Test von Konzepten zur Mobilität in Berndorf. Die Awo selbst ist mit ihrem an der Mannstraße im WK III geplanten Hightech-Pflegeheim mit von der Partie. Nach Beiers Aussage ist der Baubeginn für den kommenden Sommer anvisiert. Es läuft zur Finanzierung des Baus ein Förderantrag im Programm des Bundes zur Strukturstärkung in den Noch-Kohle-Regionen. „Wir wollen dort auch die Methoden, die wir gemeinsam entwickeln, ausprobieren“, erläutert der Awo-Geschäftsführer. Im Gebäude soll es neben Platz für 49 Pflegebedürftige auch zwanzig Wohnungen geben. Gemeinsam mit den Bewohnern der Appartements soll beispielsweise getestet werden, welche technischen Lösungen dabei helfen können, auch bei Fortschreiten von Krankheit und Gebrechlichkeit möglichst lange in den eigenen vier Wänden zu bleiben. Gedacht ist für das neue Gebäude zum Beispiel auch an eine Vernetzung mit dem benachbarten Krankenhaus. Einbezogen werden soll außerdem das Wohnhaus, das die LebenRäume-Genossenschaft auf dem unmittelbaren Nachbargrundstück unter der Bezeichnung Hoy³ plant.
Das Forschungsbündnis „ZukunfTAlter“ hat sich zudem vorgenommen, mit dem „Alterium“ einen Ort zu schaffen, an dem ältere oder alternde Menschen neue technische Assistenzsysteme ausprobieren können. Man habe verschiedene Standorte im Blick, so Kristina Barczik.
Bildungs-Campus geplant
Der Hoyerswerdaer Sozialbürgermeister Mirko Pink (CDU) ist mit dem Ansatz, verschiedene Gemeinden als Projektorte auszuwählen, durchaus einverstanden: „Wir schauen auf die Region. Hoyerswerda soll ein Bestandteil sein, gern auch ein großer Bestandteil, aber eben nicht der einzige.“ Großes Interesse zeigte Pink allerdings an der privaten Mittelschule, die aus dem Projekt erwachsen soll und an der die entsprechenden Themen praxisnah in den Unterricht einfließen sollen. „Das hätten wir schon gern hier“, so Pink. Die Schule wäre nach Vorstellungen der Projektpartner Teil eines ganzen Bildungs-Campus „Zukunft Alter“ auch mit Berufsausbildung im Gesundheits- und Pflegebereich, mit Weiterbildungsangeboten auf diesem Gebiet durch die beteiligten Unis sowie mit Kurs- oder Schulungsangeboten für Senioren.
Idealfall: eine Firmengründung
Kristina Barczik glaubt, dass die Digitalisierung in der Pflege auch ein Weg sein könnte, bei steigendem Personalbedarf entsprechende Berufe für junge Menschen attraktiver zu machen. „Wir hoffen insgesamt auf viele interessante wissenschaftliche Erkenntnisse“, sagt Professor Dr. Angela Rösen-Wolff, die Forschungs-Prorektorin der Technischen Universität Dresden. Doch es soll nicht beim vielzitierten Elfenbeinturm bleiben. Darauf bezieht sich der anfänglich erwähnte Hinweis auf mögliche Wertschöpfung. Ein Gedanke hierbei ist das Vorhaben, Neuentwicklungen in die Wirtschaft zu überführen, also marktreif zu machen, im Idealfall eine Firmengründung anzustoßen. In den sogenannten Transfer wäre dann das Dock³ Lausitz einbezogen.
„Zukunftstechnologien für ein gelingendes Alter(n) im ländlichen Raum“ war als Idee beim Wettbewerb „Wandel durch Innovation in der Region“ des Ministeriums für Bildung und Forschung eingereicht worden, der ausschließlich für sogenannte strukturschwache Regionen gedacht ist. Im August wurden die 23 Preisträger bekanntgegeben, wovon eines das nun in Hoyerswerda koordinierte Projekt ist.
Das zweite so geförderte Unterfangen in der Lausitz ist in Cottbus angesiedelt und hat ein ganz ähnliches Profil „Kommunale Innovationen für die Gesundheitsversorgung in ländlichen Räumen“, kurz „com(m)“ will neue Dienstleistungen und Produkte entwickeln, mit denen eine effiziente Gesundheits-Infrastruktur auch auf dem Lande möglich ist. Zusammengetan haben sich dafür das Cottbuser Carl-Thiem-Klinikum, die Brandenburgische Technische Universität, mehrere Kommunen sowie weitere Partner aus Wissenschaft, Wirtschaft und Gesundheitsbranche.
Langfristige Partnerschaften erhofft
Der Bund strebt mit seiner Millionenförderung ganz bewusst neue Kooperationen zwischen Unternehmen, Hochschulen, Forschungseinrichtungen und weiteren Akteuren an, die „gemeinsam Branchen-, Institutionen- und Verwaltungsgrenzen überschreiten und dabei auch zivilgesellschaftliche Organisationen einbinden“. Langfristig erhoffe man sich Partnerschaften für nachhaltige Strukturen.