Hoyerswerda
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Zweite Chance für Geschichts-Interessierte

„65 Jahre ein gemeinsamer Weg“: Dieses Buch zu Schwarze Pumpe und Hoyerswerda (Neustadt) erlebte eine neue Auflage.

Von Uwe Jordan
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© Foto: Mirko Kolodziej

Hoyerswerda. Bücher schon kurz nach ihrem Erscheinen ausverkauft, zum Teil noch bevor die Annoncen erschienen sind? Das hat es wahrscheinlich seit Harry Potter nicht mehr gegeben. Um so erstaunlicher, wenn es sich dabei nicht um ein im Vorfeld massivst beworbenes Fantasy-Spektakel handelt, sondern um ein dokumentarisches Werk, das die Geschichte einer gesamten Region über mehr als ein halbes Jahrhundert hinweg verfolgt. Solch ein Band ist der mit dem etwas sperrigen Titel „1955 – 2020: Industriestandort Schwarze Pumpe und Hoyerswerda/Neustadt – 65 Jahre ein gemeinsamer Weg“, für den Dr. Günter Seifert verantwortlich zeichnet.

So komplett wie noch nie

Er und viele Beiträger, voran die Mitherausgeber Karl-Heinz Markgraf und Reinhard Schulze, haben in minutiöser Kleinarbeit Fakten zum Werden, Wachsen, teilweisen Vergehen und Wiederbelebtwerden von (Gaskombinat) Schwarze Pumpe und Hoyerswerda-Neustadt und deren Symbiose zusammengetragen; Geschichten versammelt, die es ab und an verstreut schon gegeben haben mag – aber in der hier vorliegenden Komplettheit und Konzentration auf keinen Fall: Geschichten von Wirtschaft, Politik, Sozialem und Kultur; Verflechtungen von Werk und Wohnstatt; Haupt- und „Nebensachen“; Anekdoten, Legenden; Zahlen, Daten und Fakten; Heiterem und Tragischem; Menschen und Technik; Geschichte, Gegenwart und Zukunft ... Hinzu kamen Kapitel, speziell zum Ausblick, mit absolutem Neuigkeits- und Originalitätswert. Etwa, wenn das Buch, den „Kohleausstieg“ 2038 und die erhofften Folgen reflektierend, mit dem optimistischen Satz endet: „Die Lausitz wird eine „Modellregion für den Strukturwandel“ im europäischen Maßstab werden!“

Überarbeitet und ergänzt

Natürlich blieb nach dem Erscheinen und sofortigen Abverkauf der 500 Exemplare der Erst-Ausgabe Kritik nicht aus: Ja, es gab Rechtschreibfehler. Manches Bild war, zum Teil historisch bedingt, nicht in Ideal-Qualität verfügbar. Was, bitte, verbarg sich hinter manchen, nicht gerade dünn gesäten zeitgenössischen Abkürzungen; der Erlebnisgeneration „im Schlaf“ geläufig, aber Heutigen eine Art „böhmischer Dörfer“?

All das hat Dr. Günter Seifert zum Anlass genommen, den Band für die jetzt erschienene zweite Auflage Seite um Seite zu überarbeiten und um ein Glossar zu ergänzen, in dem knapp 200 Kürzel erläutert werden, die im Text auftauchen. Ganz deutlich aber sei gesagt: Inhaltlich gab und gibt es an dem Buch nichts, aber auch gar nichts zu beanstanden. Dass mancher Pump’sche (oder Hoyerswerdaer) seinen Bereich zu kurz gekommen glaubte oder eine (unverbürgte) Anekdote vermisste – eine 1:1-Darstellung des tatsächlichen (oder eben nur gewähnten) Geschehens kann es bei der Fülle des zu Verarbeitenden nicht geben. Ohnehin wuchs während der Arbeit der konzipierte Umfang des Manuskripts von 180 Seiten auf 324 in der Druckversion. Und wo es tatsächlich „Unterbelichtungen“ gab, ist nun stillschweigend nachgebessert worden.

WBK. BMK. PKM. Und andere mehr.

Eindeutig eine Fehl-Wahrnehmung ist es aber, wenn vor der Lektüre ausschließlich anhand des Titels geurteilt wird, es handele sich um ein pures „Pumpe-Buch“. Im Gegenteil werden nicht nur Hoyerswerda-Neustadt, sondern auch Bereiche und Betriebe ausführlich berührt, denen heute Vergessen-Werden droht, die aber in jenem 65-Jahre-Abschnitt größte Bedeutung für Schwarze Pumpe und Hoyerswerda und sogar das weitere Umland hatten. Genannt seien nur drei Beispiele: das WBK, also das Wohnungsbaukombinat Cottbus/Hoyerswerda, das wesentlich die Neustadt gestaltete. Das BMK, das Bau- und Montagekombinat Kohle und Energie, in dessen Regie das Haus der Berg- und Energiearbeiter, die heutige Lausitzhalle, errichtet wurde. PKM Leipzig (Projektierungs-, Konstruktions- und Montagebüro), ganz wesentlich für die Errichtung der Produktions-Anlagen in Schwarze Pumpe und in den Kombinats-Außenstellen DDR-weit zuständig.

„Sagen wird man über unsre Tage ...“

„Sagen wird man über unsre Tage: Altes Eisen hatten sie und wenig Mut ...“ – mit diesem Zitat von Kurt Barthel („Kuba“ / 1952 / „Gedichte“ -Volk & Welt-) – leitete die Erstvorstellung des Buches im TAGEBLATT ein, endend mit dessen Zeilen: „und man wird auf gläsernen Terrassen stehn – Und auf Brücken deuten – Und auf Gärten weisen – Und man wird die junge Stadt zu Füßen liegen sehn und wird sagen; Die den Grundstein dazu legten, wurden ausgelacht und hungerten, und doch planten sie und bauten und bewegten ...“Genau davon erzählen die „65 Jahre“.

Wer die Erstauflage hat, wird „Nummer 2“ vielleicht nicht unbedingt benötigen; es sei denn (wie der Autor dieser Zeilen) als Sammler mit Hang zur Perfektion und Vollständigkeit – und des Vergleichens halber. Wer aber bei der ersten Runde leer ausgegangen ist, wird gewiss dankbar die Möglichkeit nutzen, die Lücke im Bücherregal zu schließen. Aber auch diesmal dürften die Bände der kleinen Auflage nicht unendlich in den Händler-Regalen stehen.

400 Exemplare des Buches „65 Jahre ein gemeinsamer Weg ...“ sind ab sofort in Hoyerswerda verfügbar, unter anderem beim Traditions- und Förderverein „Glückauf Schwarze Pumpe“ (Käthe-Niederkirchner-Str. 30, Hoyerswerda, Tel. 03571 604225), im Buch- und Musikhaus der Altstadt, bei Thalia im Lausitz-Center und im SZ-Treffpunkt im Lausitz-Center über der Post. Preis: 12,90 Euro

Format 21 x 21 cm, 324 Seiten, Hochglanz, 4c (mit Ausnahme der zeitgenössisch nicht anders verfügbaren Schwarz-Weiß-Fotografien und Grafiken)

Gefördert vom Europäischen Landwirtschaftsfonds für die Entwicklung des ländlichen Raums (EPLR)