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Wie 221 Leinwände zu einem Gemälde werden

Dieses Projekt setzt Jens-Uwe Röhl mittels Kartoffeldruck und vielen Mitstreitern um. Die Idee: Analog trifft digital.

Von Juliane Mietzsch
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Jens-Uwe Röhl am Tisch, auf dem die benötigten Farben für die Leinwände vorsortiert und beschriftet sind. In der Kreativwerkstatt ist alles deponiert, was der Kartoffeldrucker so braucht. Hier ist die Ausgabe der nötigen Materialien – nur die Karto
Jens-Uwe Röhl am Tisch, auf dem die benötigten Farben für die Leinwände vorsortiert und beschriftet sind. In der Kreativwerkstatt ist alles deponiert, was der Kartoffeldrucker so braucht. Hier ist die Ausgabe der nötigen Materialien – nur die Karto © Foto: Gernot Menzel

Hoyerswerda. Zwischen Lockdown, trübem Winterwetter und Ausgangssperre kann schon mal Langeweile aufkommen. Doch das kann durchaus etwas Gutes haben und Zeit für neue Beschäftigungen bieten. So dachte sich das Jens-Uwe Röhl. Denn er meint vielmehr, dass bisher die Zeit gefehlt hat, und ist froh, dass „es jetzt möglich ist“. Er redet dabei von einem Projekt, das er schon länger im Kopf hatte und nun endlich realisiert wird.

Es geht um ein großes Bild, das mittels Kartoffeldruck entsteht. Doch das ist lange nicht alles. Denn es braucht allerlei Hilfe und Unterstützung, damit das gelingen kann. Ebenfalls ist eine präzise Vorbereitung, Hilfestellung und Ausführung notwendig, damit es funktioniert. Ein Werk mit den ungefähren Ausmaßen 2,5 mal 2 Meter soll entstehen. Die Herausforderung dabei: Die Fläche füllt sich anhand von knapp 50.000 „Pixeln“, die in diesem Fall je ein Quadratzentimeter groß sind – Anleihen aus der digitalen Welt. Jens-Uwe Röhl, Vorstandsmitglied des KulturFabrik Hoyerswerda e. V., kam durch terrestrisches Laserscanning auf die Idee, Pixel als optisches digitales Zeichen auf eine simple und analoge Art und Weise darzustellen.

225 Abdrücke pro Leinwand

Also hat er ein Bild in seine Einzelteile zerlegt und jetzt werden sie Stück für Stück, Pixel für Pixel und Leinwand für Leinwand wieder zusammengesetzt. Hilfe bekommt er dabei von den Mitgliedern des Vereins, denn er hält lediglich die Fäden des Projektes in der Hand. Bisher haben sich knapp 30 Personen beziehungsweise Familien beteiligt, die insgesamt über hundert Leinwände mittels Kartoffeln bedruckt haben.

Jeder Teilnehmer erhält also auf Wunsch eine beliebige Zahl quadratischer Leinwände, die jeweils eine Seitenlänge von 15 Zentimetern haben. Das macht 225 Abdrücke. Und damit am Ende die Zusammensetzung funktioniert, ist penibel aufgeschlüsselt, wie verfahren werden muss. Es gibt 24 Farbtöne, die auf dem Bild auftauchen – auf den Leinwänden sind es für gewöhnlich wesentlich weniger. Also wird noch eine Vorlage ausgehändigt, die aufzeigt, in welchen Bereichen welche Farbe aufgetragen werden muss. Eine Skala gibt Aufschluss darüber, mit welcher Nummer eine der vielen Farben codiert ist. Denn die gibt es in kleinen beschrifteten Beutelchen mit nach Hause in die Druckwerkstatt.

Jetzt fehlt nur noch der „Datenträger“ Kartoffel. Hierin sieht Jens-Uwe Röhl die rudimentärste Art, die Bildpunkte umzusetzen. Sein Motto bei dieser Aktion lautet nämlich „analog meets digital“. Vielmehr ist es sogar die Verknüpfung von Zuse, der den Computer auf den Weg brachte, Kunst, für die der Hoyerswerdaer Ehrenbürger ebenfalls bekannt ist, Soziokultur, Landwirtschaft und eben der Pandemie und ihren Auswirkungen. Denn diese „gemeinschaftsbildende Maßnahme“ funktioniert eben nur, weil viele Menschen zu Hause gemeinsam an der Umsetzung arbeiten.

„Das macht süchtig“

So verbringt „Röhli“ mindestens drei Spätnachmittage pro Woche in der Kreativwerkstatt im Bürgerzentrum. Dann steht er bereit und händigt die Leinwände und Farben aus. Die Anleitung und Hilfestellung kommt dann anschließend per Mail. Dann gilt es nur noch die Kartoffel entsprechend herzurichten, dass mit einer quadratischen Fläche von einem Quadratzentimeter gedruckt werden kann. Nun braucht es noch etwas Geduld und Feingefühl, aber im Grunde kann das jeder. Der Initiator weiß, dass es sogar Teilnehmer im Grundschulalter gibt. Von einigen anderen hat er sogar schon gehört, dass das „süchtig macht“. So kommt es nicht selten vor, dass Hobbykünstler bedruckte gegen leere Leinwände eintauschen kommen. Pro Tag schauen etwa vier Leute vorbei, ist das Fazit aus den vergangenen drei Wochen. Insgesamt wurden zwei Monate für das Kartoffeldruck-Projekt veranschlagt, aber es geht gut und schnell voran. „Es läuft viel besser als gedacht. Es hätte auch ein Reinfall werden können“, scherzt Jens-Uwe Röhl, denn auf Mithilfe ist er eben angewiesen. Nun sind schon mehr als hundert der insgesamt 221 Leinwände vergeben. Also kann das Bergfest schon vor Ablauf der ersten vier Wochen erreicht werden.

Einige Leinwände fügen sich schon stimmig aneinander. Aber die großen Lücken lassen kaum erkennen, was später zu sehen sein wird. Im Café Auszeit der KulturFabrik wurde die erste Zusammenlegung durch Jens-Uwe Röhl vorgenommen.
Einige Leinwände fügen sich schon stimmig aneinander. Aber die großen Lücken lassen kaum erkennen, was später zu sehen sein wird. Im Café Auszeit der KulturFabrik wurde die erste Zusammenlegung durch Jens-Uwe Röhl vorgenommen. © Foto: Gernot Menzel

Ausstellung ist geplant

Interessierte können per Mail eine Anfrage stellen und Termine zur Abholung und Rückgabe der Utensilien vereinbaren. Nach der Fertigstellung wird das Bild der Allgemeinheit zugänglich gemacht. Mittels einer Konstruktion soll das Kunstwerk, das in Gemeinschaftsarbeit entstanden ist, im Fenster im ersten Obergeschoss der KuFa zur Schloßstraße hin präsentiert werden.

Weiterhin werden auf der Website des soziokulturellen Zentrums Betrachtungen zu einzelnen Leinwänden veröffentlicht. Aus Spaß verfasst der Ideengeber diese kleinen Texte, die jede Interpretation zulassen. So heißt es einmal, dass „der Betrachter zunächst etwas ratlos vor dem Werk des Künstlers steht“, was darauf anspielt, dass wenige Farbtöne verwendet wurden. Ein anderes Mal wird die Heimatverbundenheit gelobt, wenn der Autor darin das Dubringer Moor sieht und fragt, ob „da etwa ein Lutki hinter dem Stamm hervorlugt?“

Und eine weitere besondere Erkenntnis wird dem Leser nicht vorenthalten: „Was ist das Beste an der Kartoffel? Dass man sie drehen kann. Andernfalls müsste man beim Schälen immer ringsum laufen).“

Anfragen zum Projekt und zum möglichen Mitwirken: [email protected]