Hoyerswerda
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Wo Hühner glücklich sein dürfen

Familie Schutza hält 80 Hühner auf dem eigenen Grundstück. Es sind ganz besondere – Eier und Fleisch kann man kaufen.

Von Frank Thümmler
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So sieht es auf Schutzas Hühnerhof in Klein Neida aus – vor allem gibt es viel Platz. Die Hühner leben fast wie in der freien Natur.
So sieht es auf Schutzas Hühnerhof in Klein Neida aus – vor allem gibt es viel Platz. Die Hühner leben fast wie in der freien Natur. © Foto: Frank Thümmler

Hoyerswerda. Dass das so etwas wie ein Hühnerparadies ist, was Familie Schutza auf dem eigenen Grundstück im Hoyerswerdaer Ortsteil Klein Neida geschaffen hat, ahnt man als Besucher schon nach wenigen Schritten. Viel Platz auf der grünen Wiese, Rückzugsorte zum Eierlegen und für die Nacht, dazu natürlich bestes Biofutter – viel mehr geht wohl in einem Hühnerleben nicht.

„Wir haben nach unserem Hausbau hier überlegt, was wir mit der Fläche machen. Da ich Agrartechnikerin bin, haben wir gedacht, dass es eine gute Idee wäre, das landwirtschaftlich zu nutzen“, sagt Nicole Schutza. Schnell wurde die Hühnerhaltung ins Auge gefasst, auch das es „Zweinutzungshühner“ werden.

Zweinutzungshennen legen 200 bis 230 Eier pro Jahr, die als reine Legehennen gezüchteten Tiere etwa 100 mehr. „Genetisch aber schließen sich eine top Legeleistung und eine super Mastleistung aus. Die Brüder der Hochleistungs-Legehennen nehmen auch bei einer Mast praktisch nicht zu. Deshalb wurden die männlichen Küken lange Zeit sofort nach der Geburt getötet“, erklärt Nicole Schutza. Das aber ist seit Anfang 2022 aus ethischen Gründen verboten. In der industriellen Tierhaltung wird das Geschlecht nun gleich im Ei geprüft. Ins Ei wird ein Löchlein gebohrt, das Geschlecht wird festgestellt, das „männliche Ei“ danach entsorgt. „Das Problem ist genaugenommen nur nach vorn verlagert, die Küken sind am zehnten Tag schon fast fertig entwickelt. Das ist ethisch letztlich genauso fragwürdig. Und die Zoos und Falknereien holen ihre Küken jetzt aus Tschechien und Polen“, beklagt sie.

Bei Zweinutzungshühnern besteht dieses Problem nicht. Die Bruderhähne kann man ordentlich mästen, auch wenn es deutlich länger dauert als bei den schnell wachsenden Brathähnchen, die als Billigangebote im Großhandel landen. Statt in vier Wochen ist ein Zweinutzungshahn nach etwa vier Monaten schlachtreif. Dafür ist die Fleischqualität deutlich besser, „eher mit Wild vergleichbar als mit dem gewohnten Hähnchenfleisch. Das kann man auch kurzbraten, das geht mit dem Fleisch unserer Hähne nicht. So ein Zweinutzungs-Hähnchen braucht etwa zwei Stunden im Ofen“, sagt Nicole Schutza. Das Fleisch schmecke nicht nur besser als bei den „aufgepusteten“ Masthähnchen, sondern sei auch gesünder. Sie verweist darauf, dass bei industriellen Legehennen 18 Impfungen nötig seien, ähnlich bei den Masthähnchen. Natürlich komme der Tierarzt auch zu Schutzas, führe hier aber ausschließlich die gesetzlich vorgeschriebenen Impfungen durch.

Küken gab es nicht zu kaufen

Für Schutzas war also schnell klar, dass sie Zweinutzungshühner halten wollen. Aber: Hühner gab es nicht zu kaufen, nur Bruteier. Bei den Recherchen sind Schutzas auf die Hochschule für nachhaltige Ernährung Eberswalde gestoßen. Schutzas nahmen an einem Programm der Hochschule teil. Von dort kamen die ersten Bruteier. Dafür melden sie die Mastergebnisse der Hähne und die Legeleistungen der Hennen. Inzwischen kommen die Eier von der Ökologische Tierzucht gGmbh, und sind eine Kreuzung der Rassen Bresse Gauloise und New Hampshire – genannt „Coffee“. Bresse Gauloise-Hühnerfleisch ist in Frankreich eine Delikatesse, New Hampshire Hühner stammen ursprünglich aus den USA und sind für ihre Robustheit und guten wirtschaftlichen Eigenschaften bekannt. Beide Rassen sind für die Freilandhaltung, wie sie zum Beispiel bei Schutzas praktiziert wird, bestens geeignet und können ausschließlich mit hundert Prozent biologischen und regionalen Futtermitteln ernährt werden.

Der Eierautomat vor dem Grundstück von Familie Schutza. Für zehn leere Eierschachteln aus dem Automaten gibt es eine volle gratis.
Der Eierautomat vor dem Grundstück von Familie Schutza. Für zehn leere Eierschachteln aus dem Automaten gibt es eine volle gratis. © Foto: Frank Thümmler

Die Produktion in Klein Neida ist inzwischen angelaufen. 80 Zweinutzungshühner laufen auf dem Grundstück der Schutzas herum, mehr lasse die Fläche auch nicht zu, sagt Nicole Schutza. Äußeres Kennzeichen ist ein Eierautomat, den Familie Schutza am Grundstück an der Ecke Kochstraße/Feldstraße aufgestellt hat. Dort kann man Zehnerpacks Eier ziehen – für fünf Euro. „Letztendlich zahlt man mit dem höheren Preis das Tierwohl. Und wenn sich der Verbraucher gut ernähren will, muss er mehr Geld ausgeben“, sagt Nicole Schutza, aber nicht nur. „Unsere Kundschaft sagt, dass die Eier von uns deutlich besser schmecken. Das kann auch an der Frische liegen, schließlich sind sie erst am Nachmittag abgenommen, und dann sind sie im Automaten. Frischer geht es nicht.“

Gastronomie-Partner gesucht

Beim Fleisch verhält es sich ähnlich. Schutzas lassen beim Bauern- und Geflügelhof Latta in Brischko schlachten. Es gibt Partnerschaften mit derzeit zwei Gaststätten, die viel Wert auf ökologische, regionale Produkte legen, die Obermühle in Görlitz und das Restaurant Gaumenkitzel in Radebeul. Einen oder mehrere Gastronomiepartner aus der Nähe würden sich Schutzas noch wünschen. Auch als Selbstverbraucher kommt man an Schutzas Hähnchenfleisch oder auch Suppenhühner. „Wir liefern das Huhn nach Brischko, dort holt sich der Verbraucher das geschlachtete Tier ab und bekommt die Rechnung von uns“, erklärt Nicole Schutza.

Es soll noch eine weitere Einnahmequelle geben: Ab Ende des Monats wollen Schutzas selbst ausgebrütete „Coffee-Küken“ an Hühnerhalter verkaufen und damit ein klein wenig dazu beitragen, das Monopol der Kükenlieferanten zu brechen und diese Zweinutzungshühner zu verbreiten.

Bleibt die Frage nach dem Ökosiegel: Mehr Bio als hier geht eigentlich nicht. „Die Kontrolle kostet jedes Jahr rund 500 Euro . Wir erfüllen zwar alle Voraussetzungen, aber das lohnt sich für uns nicht, zumal wir direkt und regional vermarkten. Wenn das jemand ganz genau wissen will, kann er reinkommen. Ich zeig dann auch gern die Futtermittel, dort sieht er die Säcke mit dem Ökofutter. Dazu Weizen und Hafer und im Winter selbst angebauten Grünkohl. Nein: Schutzas glückliche Hühner und Eier brauchen kein extra Siegel.