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Hut ab, Kreischa

Anfang des 20. Jahrhunderts gab es in der Gemeinde sechs Hutfabriken. Eine kleine Ausstellung erinnert an die Tradition.

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© Karl-Ludwig Oberthür

Von Andrea Schawe

Kreischa. Ein Teil der Sammlung stammt von Margott Walther. Ein Strohhut mit Blumenband, einer in Blau, eine klassische „Butterblume“ – „die waren typisch für Gaudichs Fabrik“, sagt Margott Walther. „Die haben sogar nach Südamerika exportiert.“ Die Hutfabrik Gaudich wurde 1862 gegründet und hat bis 1928 in Kreischa Hüte produziert. Heute befindet sich die Dekra in dem ehemaligen Fabrikgebäude auf dem Fiebigweg. In einer kleinen Ausstellung in der Filiale der Ostsächsischen Sparkasse in Kreischa wird an die Tradition der Hutproduktion im Ort erinnert. „Das ist ein Stück Geschichte, das wir am Leben erhalten wollen“, sagt Evelyn Gaszner. Sie ist Mitglied im Vorstand des Heimat- und Fremdenverkehrsvereins Kreischa und hatte die Idee zu der Ausstellung. „Die Älteren haben ja fast alle noch in der Hutproduktion gearbeitet“, sagt sie. „Aber die Jungen wissen nichts mehr darüber.“ Auch Margott Walther hat jahrelang in der Kreischaer Hutfabrik Werner & Kny gearbeitet. Sie war eine der „Putzmacherinnen“. „Wir haben die Hüte garniert“, sagt die 85-jährige Gombsenerin. „Je nach Mode mit Bändern oder Blumen.“

Ende des 19. Jahrhunderts gab es sechs Hutfabriken in der kleinen Gemeinde. Insgesamt beschäftigten die Kreischaer Hutfabriken zur Blütezeit vor dem Ersten Weltkrieg mehr als 2 000 Arbeitskräfte – darunter auch Saisonarbeiter von Oktober bis Pfingsten. „Es wurden erst ausschließlich Strohhüte gefertigt“, sagt Thomas Werner, der die Geschichte der Hüte recherchiert hat. Er ist der Sohn von Karl Werner, dessen Großeltern 1868 die Hutfabrik Werner – später Werner & Kny – gegründet haben. Karl Werner war bis 1976 Geschäftsführer, danach wurde die Fabrik verstaatlicht und zum volkseigenen Betrieb der „Dresdner Hutfabriken“. 1990 wurde das Werk Kreischa an der Alten Straße geschlossen.

Heute leitet Thomas Werner das Unternehmen, allerdings als Fachhandel für industrielle Elektronik. „Mein Vater sagte mir damals, ich soll etwas anderes lernen, in der Hutproduktion sei kein Geld mehr zu verdienen“, erzählt er. Das lag vor allem am Modeumschwung in den 1960ern. „Keiner wollte mehr Hut tragen.“ Werner besitzt noch etwa 100 Hüte. Ein Teil davon ist in der Sparkassenfiliale zu sehen, ein Teil in der Hutausstellung im Fasanenschlösschen in Moritzburg. „Viele sind aber nicht mehr in einem guten Zustand.“ Anfangs waren Strohhüte eine Winterbeschäftigung für Bauersfrauen – sie haben sich damit etwas Geld dazuverdient. Aus dem Stroh, das im Herbst eingeholt wurde, flochten sie Hüte als Sonnenschutz für die Bauern. Später wurden die Hüte modern, auch in gehobener Gesellschaft trug man Strohhut. Die ersten Manufakturen entstanden. „Im Sommer waren sie dann quasi arbeitslos“, so Werner. Stroh gab es erst wieder im Herbst. „Also hat man Filzhüte für den Winter hergestellt“, erzählt Thomas Werner, der als Kind half, die Tagesproduktion auf die Poststelle zu schaffen.

Das Stroh kam aus dem Osterzgebirge. In Geising und Zinnwald haben die Frauen die getrockneten Halme geflochten. Dann wurden sie in Kiepen – Körben, die man auf dem Rücken trug – nach Kreischa gebracht. Nach den Weltkriegen hat man auf chinesisches Reisstroh umgestellt – mit mangelnder Qualität, es brach schnell. In den Manufakturen wurde das Stroh eingeweicht, gewässert, gebügelt. „Danach hat man es zu Bändern geflochten“, erklärt Thomas Werner. Die wurden auf ein sogenanntes „Leiermännel“ gewickelt und mit einer Hutnähmaschine zu einem Rohling genäht. 1934 arbeiteten im Nähsaal von Werner & Kny etwa zehn Frauen. Man musste darauf achten, dass ein entsprechender Kopf und eine gleichmäßige Krempe entstehen – „das war echtes Handwerk“, sagt Werner. Heute macht das fast keiner mehr so. Nur eine Fabrik kennt Thomas Werner – in Lindenberg im Allgäu. „Dort kauft auch Udo Lindenberg seine Hüte“, sagt er schmunzelnd.

Nach dem Nähen wurde der Rohling in einer Aluminiumform gepresst, damit er seine Form behält. „Die waren mehr als mannshoch und arbeiteten mit Wärme und Druck“, sagt Thomas Werner. Zuvor wurden die Hüte mit einer Appretur, einem Lack, versehen. „Heute nimmt man Haarspray“, sagt Margott Walther. Auch sie behandelt ihre Exemplare so. Von den Maschinen ist so gut wie nichts übrig. Wahrscheinlich wurden die Pressen im Krieg eingeschmolzen. „Außer der Nähmaschine gibt es nichts mehr“, sagt Werner. Diese wird, wie die anderen Ausstellungsstücke auch, noch ein Jahr in der Sparkasse zu sehen sein.

Die Sparkassenfiliale, Am Mühlgraben 5, ist Mo., Di. und Do. von 9 bis 13 und 14 bis 18 Uhr, Mi. und Fr. von 9 bis 14 Uhr geöffnet.