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„Ich bin ein verrückter Hund“

Apotheker Rainer Klotsche tanzt auf so vielen Hochzeiten, dass es fast zu viel ist. Er müsste ruhiger treten, kann es aber nicht.

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© Steffen Unger

Von Gabriele Naß

Bischofswerda. Klotsches Hof hinter seiner Apotheke am Altmarkt ist eine blühende Oase mitten in der Stadt. Viele kennen sie, weil sie bei einem der Hinterhoftage in den letzten Jahren dort schon waren. Jetzt ist dieser Hof noch um eine Attraktion reicher. Bei Schmelzers in Belmsdorf hat sich der Apotheker Holz geholt und daraus eine Bretterwand mit Tür gezimmert. Ein Hingucker, auf den Rainer Klotsche selbst auch stolz ist. „Ich wollte mal zeigen, dass ich es noch kann.“

Zeit zum Bauen im Hof hatte der 57-Jährige eigentlich überhaupt nicht. Er wirkt angeschlagen, als die Autorin ihn trifft, weil die Verpflichtungen sich jagen. Der Chef der Apotheke kann zwar immer mal wieder verschwinden, um hinten im Hof den Sonntag der offenen Höfe vorzubereiten. Aber vor der Verantwortung in seinem Geschäft ganze Tage drücken kann er sich nicht. Er hat zehn Mitarbeiter, aber keine Personalabteilung. Urlaubsvertretung, krankheitsbedingte Ausfälle, Praktikantenfragen, viel ist da ständig zu klären, und er wolle es gut geklärt haben. Ärzte fragen nach, Kunden kommen außerhalb der Öffnungszeiten, auch am Wochenende früh zeitig, die Finanzen müssen stimmen, das Fachwissen will abrufbar sein ... Die Apotheke allein würde den Tag ausfüllen. Und die Arbeit, die dann erledigt ist, würde wahrscheinlich auch ausreichend gewesen sein für jemanden, der den sprichwörtlichen Warnschuss des Körpers schon erlebt hat. Rainer Klotsche kämpfte gegen den Krebs. Der scheint besiegt. Die jährliche Kontrolle jährte sich erst kürzlich zum dritten Mal. Alles sei gut. „Aber vor zehn Jahren war ich zehn Jahre jünger. Das merkt man.“ – Rainer Klotsche wird immer ruhiger und wirkt zufriedener, je länger er davon erzählen kann, was ihm das Leben bedeutet. Dazu gehört sein alter Keller unterm Haus, der – man glaubt es nicht, wenn man es nicht gesehen hat –  das Bischofswerda von vor 1813 spiegelt. 1813 war fast die gesamte Stadt abgebrannt. Auch das Haus der Apotheke, die Rainer Klotsche vor 25 Jahren eröffnet hat, ist erst danach entstanden. Der Keller darunter ist aus der Zeit weit vor dem letzten großen Brand. Beim Bauen haben die Klotsches deutlich älteres Pflaster entdeckt, freigelegt und so hergerichtet, dass sie es Interessierten jederzeit zeigen können. Der Apotheker hat zwar keine Zeit, aber sobald sich jemand für sein Kleinod unterm Haus interessiert, spielt das keine Rolle mehr. Mehrere abwechslungsreich gestaltete Tafeln erzählen die Geschichte seiner Apotheke und des Hauses. Technik ist eingebaut, damit die Lüftung ausreicht für viele Gäste, die Klotsche dort auch manchmal bewirtet. Apothekerkollegen zum Beispiel.

Musik und Ausstellung

Am Sonntag sind Rainer Klotsche und seine Frau Bademeister. Sie haben es sich nicht nehmen lassen, zum 15. Hinterhoftag und zum 25. Jubiläum ihrer Apotheke den Schwedenservice in ihren Hof zu holen. Gäste werden hier also unter anderem heiß Baden können hinter dem Verschlag, den Rainer Klotsche gebaut hat. Gute Musik und eine Ausstellung haben sie auch organisiert. Plus Feuerwerk von einigen der Flachdächer am Hinterhof.

Rainer Klotsche ist der Erfinder der Bischofswerda-Marke „Offene Hinterhöfe“. Mit ein paar wenigen anderen Geschäftsleuten fing er an, das Event zu organisieren, um auf Geschäfte und Bischofswerda aufmerksam zu machen. In diesem Jahr sind über 30 Höfe offen, dreißig Teilnehmer dabei und Klotsche ist wie jedes Jahr im Organisationsteam fürs große Ganze federführend. Diesen Riesenaufwand anderen überlassen? Er wöllte. Vielleicht. Aber er kann nicht. Der erst so Nervöse sagt jetzt ganz entspannt: „Ich bin halt ein verrückter Hund.“

Mit Badefass und Saunaspaß

Die Familie trauert. Anfang August ist der Vater von Rainer Klotsche mit 84 Jahren verstorben. Die Mutti lebt mit schwerer Demenz jetzt in einem Heim. Ein Haus in Leppersdorf steht leer, will versorgt sein. Es kam alles auf einmal, sagt Rainer Klotsche und das ging zeitweise über die Kräfte. „Aber wir hatten vorher zwanzig Jahre nichts. Allen ging es gut.“ Die schönen Erinnerungen daran, man merkt es, geben neue Energie. „Schreiben Sie nicht, dass ich gesagt habe, wir lassen die Sau raus“, ruft Rainer Klotsche beim Gehen noch hinterher. Lachend, deswegen schreiben wir es auch, weil es doch so gleichkommt mit dem klugen Spruch, mal soll die Feste feiern wie sie fallen. – Zum Hinterhoftag am Sonntag schmeißen sich die Klotsches in Leinensachen, passend zum Apotheken-Erlebnis-Hof mit Badefass und Saunaspaß. Zigmal musste seit Beginn der Vorbereitungen im November telefoniert werden, damit alles zusammenpasst, jeder kommt, der bestellt ist und alles da ist, was gebraucht wird. Auf dem Weg durch den Hof wächst Löwenzahn. Unkraut. Müsste weg. Kommt wohl auch noch weg, so wie Rainer Klotsche darauf geschaut hat.

www.stadtapo-biw.de