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„Ich habe an Demut und Dankbarkeit gewonnen“

Oliver Herber war Torhüter und erlitt einen Schlaganfall. Heute ist der Ex-Dynamo beim VfL Pirna Geschäftsführer und stürmt aus Spaß für die „Dritte“.

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Oliver Herber blickt zufrieden auf das Sportjahr beim VfL Pirna-Copitz zurück. Der ehemalige Profi-Torwart ist seit sechs Jahren Geschäftsführer des größten Sportvereins im Landkreis, stürmt hin und wieder auch noch über die Fußballplätze in der Kreisliga
Oliver Herber blickt zufrieden auf das Sportjahr beim VfL Pirna-Copitz zurück. Der ehemalige Profi-Torwart ist seit sechs Jahren Geschäftsführer des größten Sportvereins im Landkreis, stürmt hin und wieder auch noch über die Fußballplätze in der Kreisliga © Foto: Norbert Millauer

Seit dem 1. Dezember 2012 ist Oliver Herber Geschäftsführer des VfL Pirna-Copitz. Der ehemalige Fußball-Profi der SG Dynamo Dresden (2003 bis 2008) nahm nach seiner Karriere als Torwart ein Studium des Event- und Sportmanagements an der Berufsakademie Riesa auf. Sein Praxis- und Ausbildungspartner war der VfL Pirna - dem er treu geblieben ist. Fit hält sich der 37-Jährige heute noch mit gelegentlichen Einsätzen bei der dritten Mannschaft.

Herr Herber, die Hinrunde der Landesliga ist beendet. Was sagen Sie zum bisherigen VfL-Abschneiden?

Wir sind zufrieden. Am achten Spieltag standen wir mit sechs Punkten im Tabellenkeller. Die Mannschaft hat sich aus diesem Tal herausgearbeitet, Trainer und Spieler haben eng zusammengehalten. Das zeugt von Charakter. Wir wissen, dass der Kader die nötige Qualität hat, um einen einstelligen Tabellenplatz zu erreichen. Noch wichtiger ist mir aber, dass wir unseren Weg fortsetzen: Der VfL steht seit vier, fünf Jahren für die Ausbildung und Integration von jungen Spielern aus dem eigenen Nachwuchs.

Daher auch die Entscheidung, mit der „Zweiten“ in der Landesklasse Mitte an den Start zu gehen?

Ja, und die Jungs leben diese Entscheidung mit viel Überzeugung, unabhängig vom Tabellenplatz. Wenn ich „Erste“ und „Zweite“ zusammenzähle, komme ich auf 26 Jungs, die maximal 23 Jahre alt sind. Zwölf Talente sind noch nicht einmal 20 Jahre alt. Unser Abschneiden machen wir nicht an Tabellenplätzen fest, sondern an der Entwicklung – und die passt zu einhundert Prozent.

Wie viele Einsätze hatten Sie selbst in dieser Saison schon?

Die Torwarthandschuhe ziehe ich nicht mehr an. Irgendwann spielt der Körper durch Verletzungen nicht mehr mit, außerdem haben wir genug talentierte Torhüter im Verein. Ich spiele gelegentlich noch in der Kreisliga als Stürmer und freue mich, wenn man nicht mehr der ist, der nach einem Torwartfehler die Häme abkriegt.

Ihr Vater war Torhüter bei Chemie Böhlen und beim SV Babelsberg. Kam daher für Sie keine andere Position infrage?

Das kann gut sein. Jedenfalls war ich mit den Händen wohl noch talentierter als mit den Füßen. Wenn mein Vater früher Torwarttraining hatte, habe ich immer den Ballholer gespielt, da blieb sicher etwas hängen. Mein Bruder und ich wollten uns jede freie Minute sportlich betätigen. Ich war immer stolz wie Oskar, wenn ich dreimal in der Woche mit fünf Jahren allein mit der Straßenbahn zum Training gefahren bin. Wie ich erst später erfahren habe, sind mir Mama oder Papa immer gefolgt, um zu sehen, ob alles gut geht.

Es heißt: Fußball-Torhüter sind eine ganz besondere Spezies. Trifft das auch auf Sie zu?

Ich selbst kann das schwer beurteilen. Aber wenn Sie meine Kollegen und Freunde fragen würden, bekämen sie sicherlich viel Zustimmung. Torhüter müssen in gewisser Weise ja Einzelkämpfer sein. Im Training versuchen 20 Mann, dir den Ball ins Netz zu knallen, und ich muss mich wehren. Tor und Ball sind in diesem Moment die einzigen Freunde auf dem Platz.

Wie kamen Sie Sie 2002 zu Dynamo?

Groß geworden bin ich in Babelsberg und habe anschließend meine ersten Männerjahre bei Hertha BSC in der U 23 verbracht. Der Kontakt nach Babelsberg ist aber nie abgerissen und ich bekam die Chance, mit dem Klub in der dritten Liga zu spielen. Leider musste der Verein dann Insolvenz anmelden. Zu dieser Zeit erhielt ich einen Anruf von Dynamo Dresden. Das bedeutete, im positiven Sinne, einen ziemlichen Kulturschock. Einmal infiziert, bleibt Dynamo für immer im Herzen.

Mit wem haben Sie damals um die Nummer eins gestritten?

Als ich nach Dresden kam, war Ignjac Kresic der andere Torhüter. Aber es war kein Kampf, denn Ignjac war in seinen letzten Fußballerjahren und ich erst Anfang 20. Ich habe viel von ihm gelernt. Danach habe ich hauptsächlich mit mir selbst gekämpft, aufgrund von wegen Verletzungen und schwankenden Leistungen.

Mit 24 Jahren hatten Sie einen Schlaganfall. Wie kritisch war die Situation?

Ein Schlaganfall ist nie unkritisch, aber inwieweit es akut lebensbedrohlich war, kann ich nicht beurteilen. Als Sportler hatte ich gelernt, mit Rückschlägen umzugehen. Ich habe nicht mit dem Schicksal gehadert, sondern dadurch an Demut und Dankbarkeit gewonnen.

Sie kämpften sich ins Tor bei Dynamo zurück, bekamen aber keinen neuen Vertrag. Warum?

Ich verletzte mich 2008 schwer an der Schulter. Das war dann auch der Grund, warum ich keinen neuen Vertrag in Dresden erhielt und meine Laufbahn vergleichsweise früh beenden musste.

Seit wann sind Sie beim VfL fest angestellt und wer hat Sie damals nach Pirna geholt?

Ich habe ein duales Studium begonnen, um mir ein solides berufliches Standbein aufzubauen. Dazu brauchte ich einen Praxispartner, also bin ich bei Dynamo auf die Geschäftsstelle gegangen und habe beim damaligen Geschäftsführer Stefan Bohne angefragt. Herr Bohne hat sofort zugesagt. Als er später Vorstandsvorsitzender beim VfL wurde, lotste er mich nach Pirna. Zusätzlich spielen wir noch gemeinsam in der dritten Mannschaft des VfL. Dort haben wir übrigens einen kleinen Brauch: Jeder, der in einem Zeitungsartikel erwähnt wird, muss eine Kiste Bier ausgeben. Durch diese Antwort kommt zu meiner Kiste jetzt also noch eine hinzu.

Wie viele Mitglieder hat der VfL?

Zum Stichtag am 1. Januar 2018 waren es 1377 Mitglieder und damit sind wir der größte Sportverein im Landkreis Sächsische Schweiz-Osterzgebirge. Das erfüllt uns mit Stolz, ist aber auch eine große Verantwortung, um stets passende Angebote anzubieten. Mit 400 Mitgliedern ist die Fußball-Abteilung die stärkste, aber auch andere Sparten weisen wachsende Mitgliederzahlen auf, insbesondere Leichtathletik, Tanz, Aerobic und der Fitnessbereich.

Das Gespräch führte Jürgen Schwarz.

Kontakt zum VfL